Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679.Das erste Buch. ich mich gescheuet meine Kunst an euch zu be-weisen. Jch dachte/ lasse die Jahr reden/ und das Alter Weisheit zeigen. Aber! der Geist ist in den Leuten/ und der Odem des Allmächtigen machet sie verständig. Die Grossen sind nicht die Weisesten; und die Alten verstehen nicht das Recht. Jhr werdet vielleicht sagen: Wir haben die Weisheit troffen/ aber! die Rede thut mir nicht genug/ etc. Die Welt ist jeder Zeit Welt gewesen/ ists noch/ und wird es auch biß zum Ende bleiben. Nichts neues geschicht un- ter der Sonnen. Und diese unter des heiligen Hiobs Freunden geweste Uneinigkeit und Stritt/ regieren noch heutiges Tags unter den Schul- Gelehrten/ die in vielerley Secten zertrennet/ sich anmassen/ die eintzigen Liebhaber der wahren Weisheit/ und emsige Untersucher der natür- lichen Wunder zu seyn; auch von dem Ursprung und Haupt-Ursachen aller natürlichen Dingen ungleiche Principia statuiren/ und solche quovis modo äusserist zu verfechten sich bemühen/ ge- stalten die Erfahrung solches sattsam bestätti- get. Und damit der wolgeneigte Leser hiervon mehrere Nachricht bekomme/ so ist in folgenden Bericht die Beschaffenheit so wol der Alten als neuen Schul-Weisen/ samt ihren mancher- ley Meinungen von der Natur/ und dem Ur- sprung aller Dingen/ annoch kürtzlich beyzufü- gen/ nicht undienlich erachtet worden. Es
Das erſte Buch. ich mich geſcheuet meine Kunſt an euch zu be-weiſen. Jch dachte/ laſſe die Jahr reden/ und das Alter Weisheit zeigen. Aber! der Geiſt iſt in den Leuten/ und der Odem des Allmächtigen machet ſie verſtändig. Die Groſſen ſind nicht die Weiſeſten; und die Alten verſtehen nicht das Recht. Jhr werdet vielleicht ſagen: Wir haben die Weisheit troffen/ aber! die Rede thut mir nicht genug/ ꝛc. Die Welt iſt jeder Zeit Welt geweſen/ iſts noch/ und wird es auch biß zum Ende bleiben. Nichts neues geſchicht un- ter der Sonnen. Und dieſe unter des heiligen Hiobs Freunden geweſte Uneinigkeit und Stritt/ regieren noch heutiges Tags unter den Schul- Gelehrten/ die in vielerley Secten zertrennet/ ſich anmaſſen/ die eintzigen Liebhaber der wahren Weisheit/ und emſige Unterſucher der natür- lichen Wunder zu ſeyn; auch von dem Urſprung und Haupt-Urſachen aller natürlichen Dingen ungleiche Principia ſtatuiren/ und ſolche quovis modo äuſſeriſt zu verfechten ſich bemühen/ ge- ſtalten die Erfahrung ſolches ſattſam beſtätti- get. Und damit der wolgeneigte Leſer hiervon mehrere Nachricht bekomme/ ſo iſt in folgenden Bericht die Beſchaffenheit ſo wol der Alten als neuen Schul-Weiſen/ ſamt ihren mancher- ley Meinungen von der Natur/ und dem Ur- ſprung aller Dingen/ annoch kürtzlich beyzufü- gen/ nicht undienlich erachtet worden. Es
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Das erſte Buch.
ich mich geſcheuet meine Kunſt an euch zu be-
weiſen. Jch dachte/ laſſe die Jahr reden/ und
das Alter Weisheit zeigen. Aber! der Geiſt iſt
in den Leuten/ und der Odem des Allmächtigen
machet ſie verſtändig. Die Groſſen ſind nicht
die Weiſeſten; und die Alten verſtehen nicht
das Recht. Jhr werdet vielleicht ſagen: Wir
haben die Weisheit troffen/ aber! die Rede thut
mir nicht genug/ ꝛc. Die Welt iſt jeder Zeit
Welt geweſen/ iſts noch/ und wird es auch biß
zum Ende bleiben. Nichts neues geſchicht un-
ter der Sonnen. Und dieſe unter des heiligen
Hiobs Freunden geweſte Uneinigkeit und Stritt/
regieren noch heutiges Tags unter den Schul-
Gelehrten/ die in vielerley Secten zertrennet/ ſich
anmaſſen/ die eintzigen Liebhaber der wahren
Weisheit/ und emſige Unterſucher der natür-
lichen Wunder zu ſeyn; auch von dem Urſprung
und Haupt-Urſachen aller natürlichen Dingen
ungleiche Principia ſtatuiren/ und ſolche quovis
modo äuſſeriſt zu verfechten ſich bemühen/ ge-
ſtalten die Erfahrung ſolches ſattſam beſtätti-
get. Und damit der wolgeneigte Leſer hiervon
mehrere Nachricht bekomme/ ſo iſt in folgenden
Bericht die Beſchaffenheit ſo wol der Alten
als neuen Schul-Weiſen/ ſamt ihren mancher-
ley Meinungen von der Natur/ und dem Ur-
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