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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Abramidopsis.
hervorgehoben, dass er an dem einen von ihm untersuchten Exemplare sechs
Schlundzähne beobachtet habe1). Wenn Valenciennes den Abramis Heckelii von
Selys-Longchamps als eine Varietät seines Leuciscus Buggenhagii betrachtet2),
so muss ich demselben in so fern beistimmen, als ich ein Exemplar dieses
Abramis Heckelii, welches ich durch die Güte des Herrn Selys-Longchamps aus
Belgien erhalten hatte, und vier Exemplare desselben Fisches aus der Maas,
welche im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrt werden, vollkommen mit
Abramidopsis Leuckartii übereinstimmend fand. Zwar giebt Selys-Longchamps3)
als Gattungscharakter von Abramis eine Doppelreihe der Schlundzähne an
und demnach müsste auch sein A. Heckelii eine Doppelreihe von Zähnen auf
jedem Schlundknochen besitzen, da aber bei der Beschreibung dieses Fisches
von Selys-Longchamps die Beschaffenheit der Schlundzähne gar nicht erwähnt
worden ist und auch der mit einreihigen Schlundzähnen versehene Brach-
sen als Abramis Brama neben dem mit doppelreihigen Schlundzähnen ausge-
statteten Abramis Blicca von demselben Ichthyologen4) aufgeführt wird, so
gebe ich der Vermuthung Raum, dass Selys-Longchamps nicht bei allen von
ihm als Abramiden beschriebenen Fischen die Schlundzähne untersucht hat.

Ich kann es hier übrigens nicht verschweigen, dass ich unter den 45
von mir verglichenen Exemplaren des Abramidopsis Leuckartii an dem Zahn-
systeme zweier Individuen eine sehr auffallende Abweichung angetroffen
habe; das eine Exemplar aus dem Frischen Haff bot nämlich die Zahnformel
dar: links 1.6 und rechts 5 Zähne, während das andere im Wiener Cabinet
aufbewahrte Exemplar aus der Maas die Zahnformel: links 1.5 und rechts
5 Zähne enthielt. Auf die Bedeutung dieser abweichenden Zahnformeln werde
ich bei der Besprechung der Gattung Bliccopsis zurückkommen. Hier will ich
nur vorweg bemerken, dass, obschon ich, dem Beispiele anderer Ichthyolo-
gen folgend, Heckel's A. Leuckartii als besondere Art angenommen, ja sogar
zu einer besonderen Gattung erhoben habe, in mir Zweifel aufgestiegen sind,
ob dieser Fisch die ihm zugestandene Artberechtigung wirklich verdient. Je
mehr Individuen dieses A. Leuckartii aus den verschiedensten Gegenden von
Mitteleuropa durch meine Hände gegangen sind, um desto mehr will es mir
scheinen, dass diese Cyprinoiden-Form nichts anderes ist, als eine von einem
Abramis und einem Leuciscus erzeugte Bastardbildung.


1) Vergl. Valenciennes a. a. O. pag. 54, wo es heisst: "Cest que l'individu que j'ai sous
les yeux a six dents pharyngiennes".
2) Ebenda pag. 56.
3) S. dessen: Faune belge (Nr. 58): pag. 216.
4) Ebenda pag. 219.

Gattung: Abramidopsis.
hervorgehoben, dass er an dem einen von ihm untersuchten Exemplare sechs
Schlundzähne beobachtet habe1). Wenn Valenciennes den Abramis Heckelii von
Selys-Longchamps als eine Varietät seines Leuciscus Buggenhagii betrachtet2),
so muss ich demselben in so fern beistimmen, als ich ein Exemplar dieses
Abramis Heckelii, welches ich durch die Güte des Herrn Selys-Longchamps aus
Belgien erhalten hatte, und vier Exemplare desselben Fisches aus der Maas,
welche im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrt werden, vollkommen mit
Abramidopsis Leuckartii übereinstimmend fand. Zwar giebt Selys-Longchamps3)
als Gattungscharakter von Abramis eine Doppelreihe der Schlundzähne an
und demnach müsste auch sein A. Heckelii eine Doppelreihe von Zähnen auf
jedem Schlundknochen besitzen, da aber bei der Beschreibung dieses Fisches
von Selys-Longchamps die Beschaffenheit der Schlundzähne gar nicht erwähnt
worden ist und auch der mit einreihigen Schlundzähnen versehene Brach-
sen als Abramis Brama neben dem mit doppelreihigen Schlundzähnen ausge-
statteten Abramis Blicca von demselben Ichthyologen4) aufgeführt wird, so
gebe ich der Vermuthung Raum, dass Selys-Longchamps nicht bei allen von
ihm als Abramiden beschriebenen Fischen die Schlundzähne untersucht hat.

Ich kann es hier übrigens nicht verschweigen, dass ich unter den 45
von mir verglichenen Exemplaren des Abramidopsis Leuckartii an dem Zahn-
systeme zweier Individuen eine sehr auffallende Abweichung angetroffen
habe; das eine Exemplar aus dem Frischen Haff bot nämlich die Zahnformel
dar: links 1.6 und rechts 5 Zähne, während das andere im Wiener Cabinet
aufbewahrte Exemplar aus der Maas die Zahnformel: links 1.5 und rechts
5 Zähne enthielt. Auf die Bedeutung dieser abweichenden Zahnformeln werde
ich bei der Besprechung der Gattung Bliccopsis zurückkommen. Hier will ich
nur vorweg bemerken, dass, obschon ich, dem Beispiele anderer Ichthyolo-
gen folgend, Heckel’s A. Leuckartii als besondere Art angenommen, ja sogar
zu einer besonderen Gattung erhoben habe, in mir Zweifel aufgestiegen sind,
ob dieser Fisch die ihm zugestandene Artberechtigung wirklich verdient. Je
mehr Individuen dieses A. Leuckartii aus den verschiedensten Gegenden von
Mitteleuropa durch meine Hände gegangen sind, um desto mehr will es mir
scheinen, dass diese Cyprinoiden-Form nichts anderes ist, als eine von einem
Abramis und einem Leuciscus erzeugte Bastardbildung.


1) Vergl. Valenciennes a. a. O. pag. 54, wo es heisst: »Cest que l’individu que j’ai sous
les yeux a six dents pharyngiennes«.
2) Ebenda pag. 56.
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[137/0150] Gattung: Abramidopsis. hervorgehoben, dass er an dem einen von ihm untersuchten Exemplare sechs Schlundzähne beobachtet habe 1). Wenn Valenciennes den Abramis Heckelii von Selys-Longchamps als eine Varietät seines Leuciscus Buggenhagii betrachtet 2), so muss ich demselben in so fern beistimmen, als ich ein Exemplar dieses Abramis Heckelii, welches ich durch die Güte des Herrn Selys-Longchamps aus Belgien erhalten hatte, und vier Exemplare desselben Fisches aus der Maas, welche im Wiener Naturalien-Cabinete aufbewahrt werden, vollkommen mit Abramidopsis Leuckartii übereinstimmend fand. Zwar giebt Selys-Longchamps 3) als Gattungscharakter von Abramis eine Doppelreihe der Schlundzähne an und demnach müsste auch sein A. Heckelii eine Doppelreihe von Zähnen auf jedem Schlundknochen besitzen, da aber bei der Beschreibung dieses Fisches von Selys-Longchamps die Beschaffenheit der Schlundzähne gar nicht erwähnt worden ist und auch der mit einreihigen Schlundzähnen versehene Brach- sen als Abramis Brama neben dem mit doppelreihigen Schlundzähnen ausge- statteten Abramis Blicca von demselben Ichthyologen 4) aufgeführt wird, so gebe ich der Vermuthung Raum, dass Selys-Longchamps nicht bei allen von ihm als Abramiden beschriebenen Fischen die Schlundzähne untersucht hat. Ich kann es hier übrigens nicht verschweigen, dass ich unter den 45 von mir verglichenen Exemplaren des Abramidopsis Leuckartii an dem Zahn- systeme zweier Individuen eine sehr auffallende Abweichung angetroffen habe; das eine Exemplar aus dem Frischen Haff bot nämlich die Zahnformel dar: links 1.6 und rechts 5 Zähne, während das andere im Wiener Cabinet aufbewahrte Exemplar aus der Maas die Zahnformel: links 1.5 und rechts 5 Zähne enthielt. Auf die Bedeutung dieser abweichenden Zahnformeln werde ich bei der Besprechung der Gattung Bliccopsis zurückkommen. Hier will ich nur vorweg bemerken, dass, obschon ich, dem Beispiele anderer Ichthyolo- gen folgend, Heckel’s A. Leuckartii als besondere Art angenommen, ja sogar zu einer besonderen Gattung erhoben habe, in mir Zweifel aufgestiegen sind, ob dieser Fisch die ihm zugestandene Artberechtigung wirklich verdient. Je mehr Individuen dieses A. Leuckartii aus den verschiedensten Gegenden von Mitteleuropa durch meine Hände gegangen sind, um desto mehr will es mir scheinen, dass diese Cyprinoiden-Form nichts anderes ist, als eine von einem Abramis und einem Leuciscus erzeugte Bastardbildung. 1) Vergl. Valenciennes a. a. O. pag. 54, wo es heisst: »Cest que l’individu que j’ai sous les yeux a six dents pharyngiennes«. 2) Ebenda pag. 56. 3) S. dessen: Faune belge (Nr. 58): pag. 216. 4) Ebenda pag. 219.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/150>, abgerufen am 21.11.2024.