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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Cyprinoidei.
bemerkte ganz richtig, dass Agassiz seine schöne neue Nasen-Art dadurch
unkenntlich gemacht, dass er (a. a. O.) Ch. Rysela mit Gesner's "Ryserle" aus
der Sihl vermengte, welcher Fisch, wie Heckel 1) ebenfalls nachgewiesen hat
(s. oben pag. 218), gar kein Chondrostoma, sondern ein Telestes ist. Es ist
nur zu bedauern, dass durch Heckel von neuem die Geschichte dieses Fisches
getrübt worden ist, indem er später (Nr. 13: pag. 220) denselben wieder mit
Ch. Genei zu einer Art vereinigt hat.

Ich selbst habe zwar auch angedeutet, dass es mir schwer fällt, den
Näsling als besondere Art festzustellen; bei meinen deshalb angestellten Un-
tersuchungen haben mich aber ganz andere Motive geleitet, die mich zu ganz
anderen Resultaten, als sie Heckel erhalten, geführt haben.

Nach Aussage verschiedener Fischer soll sich der Näsling gern in Ge-
sellschaft der Strömer aufhalten, weshalb man von ihm glaubt, er sei ein
Bastard des Strömers und der gemeinen Nase.

Ich muss nun gestehen, dass die Aeusserung hiesiger Fischer, der Näsling
sei ein Bastard, mich ganz stutzig gemacht hat, weil ich unter den von mir
untersuchten 18 Exemplaren dieses Fisches sechs Individuen angetroffen habe,
deren Zahnformel mich in grosse Verlegenheit setzte. Es zeigte sich nämlich
bei derselben folgende Abweichung:

[Tabelle]
[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 45.


Schlundknochen mit der Zahnformel 1. 6.

Bringt man nun noch die von den Schlundknochen der übrigen Chondro-
stoma
-Arten so sehr abweichende Form der Schlundknochen des Ch. Rysela
in Anschlag, welche in der That den Umrissen der Schlundknochen von Te-
lestes Agassizii
sehr ähnlich sehen, und erinnert man sich dabei, dass Ch. Ry-
sela
und Tel. Agassizii auch in Färbung und Zeichnung einander gleich sehen,
so möchte man wirklich der Vermuthung Raum geben, es sei Ch. Rysela aus
der Vermengung von Ch. Nasus und Tel. Agassizii als Bastardform hervor-
gegangen.

Heckel konnte auf eine solche Vermuthung nicht kommen, da er nur
nach einem einzigen Individuum seine erste Beschreibung des Ch. Rysela ent-
worfen hatte. Dieses Individuum hatte ein Paar Schlundknochen bei sich,
deren Flügel, wie ich mich durch eigene Anschauung in Wien überzeugt habe,
keine Ausschnitte besassen, sondern wie bei den übrigen Chondrostoma-Arten,

1) Vergl. Heckel Nr. 11 g: pag. 377, sowie dessen Nachtrag zur Charakteristik und
Classification der Cyprinen-Gattungen (aus Russegger's Reisen) pag. 186 (288).

Familie: Cyprinoidei.
bemerkte ganz richtig, dass Agassiz seine schöne neue Nasen-Art dadurch
unkenntlich gemacht, dass er (a. a. O.) Ch. Rysela mit Gesner’s »Ryserle« aus
der Sihl vermengte, welcher Fisch, wie Heckel 1) ebenfalls nachgewiesen hat
(s. oben pag. 218), gar kein Chondrostoma, sondern ein Telestes ist. Es ist
nur zu bedauern, dass durch Heckel von neuem die Geschichte dieses Fisches
getrübt worden ist, indem er später (Nr. 13: pag. 220) denselben wieder mit
Ch. Genei zu einer Art vereinigt hat.

Ich selbst habe zwar auch angedeutet, dass es mir schwer fällt, den
Näsling als besondere Art festzustellen; bei meinen deshalb angestellten Un-
tersuchungen haben mich aber ganz andere Motive geleitet, die mich zu ganz
anderen Resultaten, als sie Heckel erhalten, geführt haben.

Nach Aussage verschiedener Fischer soll sich der Näsling gern in Ge-
sellschaft der Strömer aufhalten, weshalb man von ihm glaubt, er sei ein
Bastard des Strömers und der gemeinen Nase.

Ich muss nun gestehen, dass die Aeusserung hiesiger Fischer, der Näsling
sei ein Bastard, mich ganz stutzig gemacht hat, weil ich unter den von mir
untersuchten 18 Exemplaren dieses Fisches sechs Individuen angetroffen habe,
deren Zahnformel mich in grosse Verlegenheit setzte. Es zeigte sich nämlich
bei derselben folgende Abweichung:

[Tabelle]
[Abbildung]
[Abbildung] Fig. 45.


Schlundknochen mit der Zahnformel 1. 6.

Bringt man nun noch die von den Schlundknochen der übrigen Chondro-
stoma
-Arten so sehr abweichende Form der Schlundknochen des Ch. Rysela
in Anschlag, welche in der That den Umrissen der Schlundknochen von Te-
lestes Agassizii
sehr ähnlich sehen, und erinnert man sich dabei, dass Ch. Ry-
sela
und Tel. Agassizii auch in Färbung und Zeichnung einander gleich sehen,
so möchte man wirklich der Vermuthung Raum geben, es sei Ch. Rysela aus
der Vermengung von Ch. Nasus und Tel. Agassizii als Bastardform hervor-
gegangen.

Heckel konnte auf eine solche Vermuthung nicht kommen, da er nur
nach einem einzigen Individuum seine erste Beschreibung des Ch. Rysela ent-
worfen hatte. Dieses Individuum hatte ein Paar Schlundknochen bei sich,
deren Flügel, wie ich mich durch eigene Anschauung in Wien überzeugt habe,
keine Ausschnitte besassen, sondern wie bei den übrigen Chondrostoma-Arten,

1) Vergl. Heckel Nr. 11 g: pag. 377, sowie dessen Nachtrag zur Charakteristik und
Classification der Cyprinen-Gattungen (aus Russegger’s Reisen) pag. 186 (288).
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[236/0249] Familie: Cyprinoidei. bemerkte ganz richtig, dass Agassiz seine schöne neue Nasen-Art dadurch unkenntlich gemacht, dass er (a. a. O.) Ch. Rysela mit Gesner’s »Ryserle« aus der Sihl vermengte, welcher Fisch, wie Heckel 1) ebenfalls nachgewiesen hat (s. oben pag. 218), gar kein Chondrostoma, sondern ein Telestes ist. Es ist nur zu bedauern, dass durch Heckel von neuem die Geschichte dieses Fisches getrübt worden ist, indem er später (Nr. 13: pag. 220) denselben wieder mit Ch. Genei zu einer Art vereinigt hat. Ich selbst habe zwar auch angedeutet, dass es mir schwer fällt, den Näsling als besondere Art festzustellen; bei meinen deshalb angestellten Un- tersuchungen haben mich aber ganz andere Motive geleitet, die mich zu ganz anderen Resultaten, als sie Heckel erhalten, geführt haben. Nach Aussage verschiedener Fischer soll sich der Näsling gern in Ge- sellschaft der Strömer aufhalten, weshalb man von ihm glaubt, er sei ein Bastard des Strömers und der gemeinen Nase. Ich muss nun gestehen, dass die Aeusserung hiesiger Fischer, der Näsling sei ein Bastard, mich ganz stutzig gemacht hat, weil ich unter den von mir untersuchten 18 Exemplaren dieses Fisches sechs Individuen angetroffen habe, deren Zahnformel mich in grosse Verlegenheit setzte. Es zeigte sich nämlich bei derselben folgende Abweichung: [Abbildung] [Abbildung Fig. 45. Schlundknochen mit der Zahnformel 1. 6. ] Bringt man nun noch die von den Schlundknochen der übrigen Chondro- stoma-Arten so sehr abweichende Form der Schlundknochen des Ch. Rysela in Anschlag, welche in der That den Umrissen der Schlundknochen von Te- lestes Agassizii sehr ähnlich sehen, und erinnert man sich dabei, dass Ch. Ry- sela und Tel. Agassizii auch in Färbung und Zeichnung einander gleich sehen, so möchte man wirklich der Vermuthung Raum geben, es sei Ch. Rysela aus der Vermengung von Ch. Nasus und Tel. Agassizii als Bastardform hervor- gegangen. Heckel konnte auf eine solche Vermuthung nicht kommen, da er nur nach einem einzigen Individuum seine erste Beschreibung des Ch. Rysela ent- worfen hatte. Dieses Individuum hatte ein Paar Schlundknochen bei sich, deren Flügel, wie ich mich durch eigene Anschauung in Wien überzeugt habe, keine Ausschnitte besassen, sondern wie bei den übrigen Chondrostoma-Arten, 1) Vergl. Heckel Nr. 11 g: pag. 377, sowie dessen Nachtrag zur Charakteristik und Classification der Cyprinen-Gattungen (aus Russegger’s Reisen) pag. 186 (288).

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/249>, abgerufen am 24.11.2024.