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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Salmo.
sein; die wenigen Huchen, welche von Zeit zu Zeit in gewissen Seen Ober-
bayerns z. B. im Ammersee und Chiemsee gefangen werden, mögen ebenfalls
durch Zufall aus den grösseren Seitenflüssen der Isar und des Inn, nämlich
aus der Amper und Alz, welche die Ausflüsse der genannten Seen sind, sich
in diese verirrt haben.

Als Raubfisch zeichnet sich der Huchen durch seine ausserordentliche
Gefrässigkeit aus. Von hiesigen Fischern ist mir mitgetheilt worden, dass sie
bei dem Ausweiden grosser Huchen schon einige Male sogar eine Wasser-
Ratte in deren Magen angetroffen hätten.

Die Laichzeit des Huchen fällt merkwürdiger Weise und ganz gegen die
Gewohnheit der übrigen Salmoneer in den April, doch kann sich der Eintritt
derselben wegen günstiger oder ungünstiger Witterungsverhältnisse bis in
den März verfrühen oder bis in den Mai verspäten. Der Huchen ist nicht in
dem Sinne, wie der eigentliche Lachs, Wanderfisch, er vertauscht zu keiner
Zeit des Jahres das süsse Wasser mit dem Meerwasser, sondern verlässt nur
zur Laichzeit seinen Standort, um andere seichtere und kiesige Flussstellen
zum Absetzen des Laichs aufzusuchen, während welcher Zeit sich die Haut
der männlichen Individuen mit dem bereits erwähnten schwartenartigen Aus-
wuchs überzieht.

Von den stets zu Anfang des Winters laichenden nächsten verwandten
Salmoneern unterscheiden sich die Huchen nicht bloss durch die während des
Frühlings sich in ihnen entwickelnde Geschlechtsthätigkeit aus, sondern sie
weichen von ihnen auch dadurch ab, dass die Thätigkeit ihrer Fortpflanzungs-
organe in einem auffallend späten Lebensalter erwacht. Kein Huchen wird
geschlechtsreif, bevor er nicht ein Gewicht von vier Pfund erreicht hat. Es ist
daher in der bayrischen Landesverordnung von 15531) sowie in den übrigen
späteren bayrischen Fischordnungen die brittelmässige Grösse des Huchen
unrichtig zu klein angegeben, indem das Huchen-Maass nach der jenen Poli-
zeiverordnungen beigefügten Abbildung als 101/2 Zoll festgesetzt ist; mit die-
ser Länge hätte der Huchen, wie schon Schrank (Nr. 23 a: pag. 322) ganz
richtig bemerkt hat, kaum das Gewicht eines Pfundes. Schrank hat (a. a. O.)
für den Huchen die brittelmässige Länge von 15 Zoll vorgeschlagen, sein Vor-
schlag ist aber gänzlich unbeachtet geblieben, da auch in den erst vor kurzem
revidirten Fischordnungen für Bayern dieselben Brittelmaasse, wie sie in den
älteren bayrischen Verordnungen niedergelegt sind, in unveränderter Weise
wieder angenommen worden sind2).


1) Vergl. die 1553 in Ingolstadt gedruckte Ausgabe pag. 153.
2) Vergl. die in den amtlichen Blättern bekannt gemachte, die "Hebung der Fischzucht"
betreffende Ausschreibung der königl. Regierung von Oberbayern vom 13. Juli 1855.
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Gattung: Salmo.
sein; die wenigen Huchen, welche von Zeit zu Zeit in gewissen Seen Ober-
bayerns z. B. im Ammersee und Chiemsee gefangen werden, mögen ebenfalls
durch Zufall aus den grösseren Seitenflüssen der Isar und des Inn, nämlich
aus der Amper und Alz, welche die Ausflüsse der genannten Seen sind, sich
in diese verirrt haben.

Als Raubfisch zeichnet sich der Huchen durch seine ausserordentliche
Gefrässigkeit aus. Von hiesigen Fischern ist mir mitgetheilt worden, dass sie
bei dem Ausweiden grosser Huchen schon einige Male sogar eine Wasser-
Ratte in deren Magen angetroffen hätten.

Die Laichzeit des Huchen fällt merkwürdiger Weise und ganz gegen die
Gewohnheit der übrigen Salmoneer in den April, doch kann sich der Eintritt
derselben wegen günstiger oder ungünstiger Witterungsverhältnisse bis in
den März verfrühen oder bis in den Mai verspäten. Der Huchen ist nicht in
dem Sinne, wie der eigentliche Lachs, Wanderfisch, er vertauscht zu keiner
Zeit des Jahres das süsse Wasser mit dem Meerwasser, sondern verlässt nur
zur Laichzeit seinen Standort, um andere seichtere und kiesige Flussstellen
zum Absetzen des Laichs aufzusuchen, während welcher Zeit sich die Haut
der männlichen Individuen mit dem bereits erwähnten schwartenartigen Aus-
wuchs überzieht.

Von den stets zu Anfang des Winters laichenden nächsten verwandten
Salmoneern unterscheiden sich die Huchen nicht bloss durch die während des
Frühlings sich in ihnen entwickelnde Geschlechtsthätigkeit aus, sondern sie
weichen von ihnen auch dadurch ab, dass die Thätigkeit ihrer Fortpflanzungs-
organe in einem auffallend späten Lebensalter erwacht. Kein Huchen wird
geschlechtsreif, bevor er nicht ein Gewicht von vier Pfund erreicht hat. Es ist
daher in der bayrischen Landesverordnung von 15531) sowie in den übrigen
späteren bayrischen Fischordnungen die brittelmässige Grösse des Huchen
unrichtig zu klein angegeben, indem das Huchen-Maass nach der jenen Poli-
zeiverordnungen beigefügten Abbildung als 10½ Zoll festgesetzt ist; mit die-
ser Länge hätte der Huchen, wie schon Schrank (Nr. 23 a: pag. 322) ganz
richtig bemerkt hat, kaum das Gewicht eines Pfundes. Schrank hat (a. a. O.)
für den Huchen die brittelmässige Länge von 15 Zoll vorgeschlagen, sein Vor-
schlag ist aber gänzlich unbeachtet geblieben, da auch in den erst vor kurzem
revidirten Fischordnungen für Bayern dieselben Brittelmaasse, wie sie in den
älteren bayrischen Verordnungen niedergelegt sind, in unveränderter Weise
wieder angenommen worden sind2).


1) Vergl. die 1553 in Ingolstadt gedruckte Ausgabe pag. 153.
2) Vergl. die in den amtlichen Blättern bekannt gemachte, die »Hebung der Fischzucht«
betreffende Ausschreibung der königl. Regierung von Oberbayern vom 13. Juli 1855.
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[291/0304] Gattung: Salmo. sein; die wenigen Huchen, welche von Zeit zu Zeit in gewissen Seen Ober- bayerns z. B. im Ammersee und Chiemsee gefangen werden, mögen ebenfalls durch Zufall aus den grösseren Seitenflüssen der Isar und des Inn, nämlich aus der Amper und Alz, welche die Ausflüsse der genannten Seen sind, sich in diese verirrt haben. Als Raubfisch zeichnet sich der Huchen durch seine ausserordentliche Gefrässigkeit aus. Von hiesigen Fischern ist mir mitgetheilt worden, dass sie bei dem Ausweiden grosser Huchen schon einige Male sogar eine Wasser- Ratte in deren Magen angetroffen hätten. Die Laichzeit des Huchen fällt merkwürdiger Weise und ganz gegen die Gewohnheit der übrigen Salmoneer in den April, doch kann sich der Eintritt derselben wegen günstiger oder ungünstiger Witterungsverhältnisse bis in den März verfrühen oder bis in den Mai verspäten. Der Huchen ist nicht in dem Sinne, wie der eigentliche Lachs, Wanderfisch, er vertauscht zu keiner Zeit des Jahres das süsse Wasser mit dem Meerwasser, sondern verlässt nur zur Laichzeit seinen Standort, um andere seichtere und kiesige Flussstellen zum Absetzen des Laichs aufzusuchen, während welcher Zeit sich die Haut der männlichen Individuen mit dem bereits erwähnten schwartenartigen Aus- wuchs überzieht. Von den stets zu Anfang des Winters laichenden nächsten verwandten Salmoneern unterscheiden sich die Huchen nicht bloss durch die während des Frühlings sich in ihnen entwickelnde Geschlechtsthätigkeit aus, sondern sie weichen von ihnen auch dadurch ab, dass die Thätigkeit ihrer Fortpflanzungs- organe in einem auffallend späten Lebensalter erwacht. Kein Huchen wird geschlechtsreif, bevor er nicht ein Gewicht von vier Pfund erreicht hat. Es ist daher in der bayrischen Landesverordnung von 1553 1) sowie in den übrigen späteren bayrischen Fischordnungen die brittelmässige Grösse des Huchen unrichtig zu klein angegeben, indem das Huchen-Maass nach der jenen Poli- zeiverordnungen beigefügten Abbildung als 10½ Zoll festgesetzt ist; mit die- ser Länge hätte der Huchen, wie schon Schrank (Nr. 23 a: pag. 322) ganz richtig bemerkt hat, kaum das Gewicht eines Pfundes. Schrank hat (a. a. O.) für den Huchen die brittelmässige Länge von 15 Zoll vorgeschlagen, sein Vor- schlag ist aber gänzlich unbeachtet geblieben, da auch in den erst vor kurzem revidirten Fischordnungen für Bayern dieselben Brittelmaasse, wie sie in den älteren bayrischen Verordnungen niedergelegt sind, in unveränderter Weise wieder angenommen worden sind 2). 1) Vergl. die 1553 in Ingolstadt gedruckte Ausgabe pag. 153. 2) Vergl. die in den amtlichen Blättern bekannt gemachte, die »Hebung der Fischzucht« betreffende Ausschreibung der königl. Regierung von Oberbayern vom 13. Juli 1855. 19*

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/304>, abgerufen am 24.11.2024.