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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.

Die aus der Ostsee in die Oder eintretenden Lachse steigen gleich-
falls bis zu den Quellen dieses Stroms hinauf, so dass sogar in Mähren und
Oestreich-Schlesien ein Lachsfang betrieben werden kann 1). Die Ostsee-
Lachse erreichen ferner bei ihren Durchwanderungen des Weichsel-Ge-
biets die in Galizien fliessenden Nebenflüsse der Weichsel, den Dunajec
und San, wo sie noch jetzt häufig gefangen werden 2). Ein von den Ostsee-
Lachsen fortwährend sehr besuchter Strom ist die Memel, in welche diese
Wanderfische von dem Kurischen Haff aus alljährlich in grosser Anzahl ein-
treten. Sie benutzen zur Einwanderung hauptsächlich denjenigen Arm der
Memel, welcher bei Russ vorbeiströmt und Skirwick genannt wird. Ich war
über die Grossartigkeit erstaunt, mit welcher dort auf der Skirwick der
Lachsfang mittelst eines quergestellten Sperrnetzes betrieben wird, welches
den ganzen ziemlich breiten Strom absperrt. Im Jahre 1826 und 1827 wur-
den an dieser Stelle die Lachse in solchen Massen gefangen, nämlich an einem
Tage oft mehr als 1000 Stück, dass sie als ungenützt und werthlos vergraben
werden mussten. Da das Stellnetz zum Durchlassen der Flösse täglich zwei
Stunden lang geöffnet werden muss, so finden auf diese Weise doch viele
Lachse Gelegenheit, an dieser für sie so gefährlichen Stelle unangefochten
vorbeizuwandern, manche durchbrechen auch das Stellnetz am Grunde oder
überspringen dasselbe an der Oberfläche, und gelangen so zu ihrem ersehn-
ten, weit hinter Grodno gelegenen Ziel. In dem Jahre meines Besuchs, im
September 1860 wurde der Lachsfang bei Russ ohngefähr auf 3500 Stücke
geschätzt, von denen im Durchschnitt das Stück 30 Pfund wiegt, doch kom-
men auch 75 bis 93 Pfund schwere Individuen vor. Der Fang beginnt nach
Ablauf des Frühjahrs-Wassers gegen Ende Mai und hört mit dem ersten
October auf. Nach Aussage der mit diesem Lachsfang beschäftigten Fischer
treten die weiblichen Individuen zuerst in den Fluss ein, später folgen erst
die Männchen, auch kommen die kleineren Individuen früher als die grösseren.
Die kleinsten Individuen, welche sich in den Netzen fangen lassen, sind 3 bis
4 Pfund schwer.

Indem die Lachse nicht gleichzeitig innerhalb einer bestimmten kürzeren
Frist Reise und Laichgeschäft abzumachen haben, sondern je nach ihrem ver-
schiedenen Alter zu sehr verschiedenen Zeiten ihre Wanderungen aus dem
Meere in die Flüsse antreten, und dabei ziemlich langsam reisen, kommen
fast das ganze Jahr hindurch im Rhein Lachse vor, von welchen ein Theil auf
der Hinreise, ein anderer Theil auf der Rückreise begriffen ist. Es scheint,
als wenn in diesen Fischen nur erst nach einem längeren Aufenthalte im
süssen Wasser die Fortpflanzungswerkzeuge sich gehörig entwickeln und zur

1) Vergl. Heinrich Nr. 89: pag. 23.
2) Vergl. Zawadzki Nr. 91: pag. 170 und Heckel und Kner Nr. 13: pag. 275.
Familie: Salmonoidei.

Die aus der Ostsee in die Oder eintretenden Lachse steigen gleich-
falls bis zu den Quellen dieses Stroms hinauf, so dass sogar in Mähren und
Oestreich-Schlesien ein Lachsfang betrieben werden kann 1). Die Ostsee-
Lachse erreichen ferner bei ihren Durchwanderungen des Weichsel-Ge-
biets die in Galizien fliessenden Nebenflüsse der Weichsel, den Dunajec
und San, wo sie noch jetzt häufig gefangen werden 2). Ein von den Ostsee-
Lachsen fortwährend sehr besuchter Strom ist die Memel, in welche diese
Wanderfische von dem Kurischen Haff aus alljährlich in grosser Anzahl ein-
treten. Sie benutzen zur Einwanderung hauptsächlich denjenigen Arm der
Memel, welcher bei Russ vorbeiströmt und Skirwick genannt wird. Ich war
über die Grossartigkeit erstaunt, mit welcher dort auf der Skirwick der
Lachsfang mittelst eines quergestellten Sperrnetzes betrieben wird, welches
den ganzen ziemlich breiten Strom absperrt. Im Jahre 1826 und 1827 wur-
den an dieser Stelle die Lachse in solchen Massen gefangen, nämlich an einem
Tage oft mehr als 1000 Stück, dass sie als ungenützt und werthlos vergraben
werden mussten. Da das Stellnetz zum Durchlassen der Flösse täglich zwei
Stunden lang geöffnet werden muss, so finden auf diese Weise doch viele
Lachse Gelegenheit, an dieser für sie so gefährlichen Stelle unangefochten
vorbeizuwandern, manche durchbrechen auch das Stellnetz am Grunde oder
überspringen dasselbe an der Oberfläche, und gelangen so zu ihrem ersehn-
ten, weit hinter Grodno gelegenen Ziel. In dem Jahre meines Besuchs, im
September 1860 wurde der Lachsfang bei Russ ohngefähr auf 3500 Stücke
geschätzt, von denen im Durchschnitt das Stück 30 Pfund wiegt, doch kom-
men auch 75 bis 93 Pfund schwere Individuen vor. Der Fang beginnt nach
Ablauf des Frühjahrs-Wassers gegen Ende Mai und hört mit dem ersten
October auf. Nach Aussage der mit diesem Lachsfang beschäftigten Fischer
treten die weiblichen Individuen zuerst in den Fluss ein, später folgen erst
die Männchen, auch kommen die kleineren Individuen früher als die grösseren.
Die kleinsten Individuen, welche sich in den Netzen fangen lassen, sind 3 bis
4 Pfund schwer.

Indem die Lachse nicht gleichzeitig innerhalb einer bestimmten kürzeren
Frist Reise und Laichgeschäft abzumachen haben, sondern je nach ihrem ver-
schiedenen Alter zu sehr verschiedenen Zeiten ihre Wanderungen aus dem
Meere in die Flüsse antreten, und dabei ziemlich langsam reisen, kommen
fast das ganze Jahr hindurch im Rhein Lachse vor, von welchen ein Theil auf
der Hinreise, ein anderer Theil auf der Rückreise begriffen ist. Es scheint,
als wenn in diesen Fischen nur erst nach einem längeren Aufenthalte im
süssen Wasser die Fortpflanzungswerkzeuge sich gehörig entwickeln und zur

1) Vergl. Heinrich Nr. 89: pag. 23.
2) Vergl. Zawadzki Nr. 91: pag. 170 und Heckel und Kner Nr. 13: pag. 275.
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[298/0311] Familie: Salmonoidei. Die aus der Ostsee in die Oder eintretenden Lachse steigen gleich- falls bis zu den Quellen dieses Stroms hinauf, so dass sogar in Mähren und Oestreich-Schlesien ein Lachsfang betrieben werden kann 1). Die Ostsee- Lachse erreichen ferner bei ihren Durchwanderungen des Weichsel-Ge- biets die in Galizien fliessenden Nebenflüsse der Weichsel, den Dunajec und San, wo sie noch jetzt häufig gefangen werden 2). Ein von den Ostsee- Lachsen fortwährend sehr besuchter Strom ist die Memel, in welche diese Wanderfische von dem Kurischen Haff aus alljährlich in grosser Anzahl ein- treten. Sie benutzen zur Einwanderung hauptsächlich denjenigen Arm der Memel, welcher bei Russ vorbeiströmt und Skirwick genannt wird. Ich war über die Grossartigkeit erstaunt, mit welcher dort auf der Skirwick der Lachsfang mittelst eines quergestellten Sperrnetzes betrieben wird, welches den ganzen ziemlich breiten Strom absperrt. Im Jahre 1826 und 1827 wur- den an dieser Stelle die Lachse in solchen Massen gefangen, nämlich an einem Tage oft mehr als 1000 Stück, dass sie als ungenützt und werthlos vergraben werden mussten. Da das Stellnetz zum Durchlassen der Flösse täglich zwei Stunden lang geöffnet werden muss, so finden auf diese Weise doch viele Lachse Gelegenheit, an dieser für sie so gefährlichen Stelle unangefochten vorbeizuwandern, manche durchbrechen auch das Stellnetz am Grunde oder überspringen dasselbe an der Oberfläche, und gelangen so zu ihrem ersehn- ten, weit hinter Grodno gelegenen Ziel. In dem Jahre meines Besuchs, im September 1860 wurde der Lachsfang bei Russ ohngefähr auf 3500 Stücke geschätzt, von denen im Durchschnitt das Stück 30 Pfund wiegt, doch kom- men auch 75 bis 93 Pfund schwere Individuen vor. Der Fang beginnt nach Ablauf des Frühjahrs-Wassers gegen Ende Mai und hört mit dem ersten October auf. Nach Aussage der mit diesem Lachsfang beschäftigten Fischer treten die weiblichen Individuen zuerst in den Fluss ein, später folgen erst die Männchen, auch kommen die kleineren Individuen früher als die grösseren. Die kleinsten Individuen, welche sich in den Netzen fangen lassen, sind 3 bis 4 Pfund schwer. Indem die Lachse nicht gleichzeitig innerhalb einer bestimmten kürzeren Frist Reise und Laichgeschäft abzumachen haben, sondern je nach ihrem ver- schiedenen Alter zu sehr verschiedenen Zeiten ihre Wanderungen aus dem Meere in die Flüsse antreten, und dabei ziemlich langsam reisen, kommen fast das ganze Jahr hindurch im Rhein Lachse vor, von welchen ein Theil auf der Hinreise, ein anderer Theil auf der Rückreise begriffen ist. Es scheint, als wenn in diesen Fischen nur erst nach einem längeren Aufenthalte im süssen Wasser die Fortpflanzungswerkzeuge sich gehörig entwickeln und zur 1) Vergl. Heinrich Nr. 89: pag. 23. 2) Vergl. Zawadzki Nr. 91: pag. 170 und Heckel und Kner Nr. 13: pag. 275.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/311>, abgerufen am 24.11.2024.