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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidei.
und das Vorkommen der letzteren in der Schweiz bezweifelt. Die Seiten-
flüsse des Niederrheins dagegen steigt die Meerforelle ziemlich weit hinauf,
denn Holandre (Nr. 56 a: pag. 325) meldet in seiner Moselfauna von der
Meerforelle, dass sie in der Umgegend von Metz sehr selten sei, während
Schaefer (Nr. 59: pag. 319) mittheilt, dass die Meerforelle (Salmo Trutta) in
der Mosel bei Trier oft gefangen werde. In der Weser und Elbe scheint die
Meerforelle nicht so weit wie der Lachs hinaufzuwandern, da dieser Fisch in
den Quellen-Gebieten der Fulda, Werra und Elbe nicht gekannt ist, die Meer-
forelle der Ostsee soll dagegen nach den Mittheilungen Heinrich's (Nr. 89:
pag. 23) mit dem Lachs bis zu den oberen Gewässern der Oder und Weichsel
hinaufsteigen.

Die Meerforelle verlässt, um zu laichen, etwas später als der gemeine
Lachs das Meer, indem ihre Brunstzeit auch etwas später eintritt. Es hat die
Meerforelle, wie der Lachs, zur Reifung der Fortpflanzungsorgane eines län-
geren Aufenthalts im fliessenden süssen Wasser nöthig, daher dieselbe eben-
falls mehrere Monate vom Sommer bis zum Spätherbst in den Flüssen
verweilt.

Nach den verschiedenen Formen von Meerforellen zu urtheilen, die ich
aus dem Oder- und Frischen Haff, aus der Ostsee, von Schleswig und Island
erhalten habe, ist in mir die Vermuthung rege geworden, dass auch unter
den Meerforellen sterile Individuen vorkommen. Schon die Angabe Bloch's
(a. a. O. pag. 157), dass der Silberlachs (Salmo Schiffermülleri) sowohl in der
Ostsee als auch in verschiedenen Landseen Oestreichs vorkommen soll, erregt
den Verdacht, dass die von Goeden unter dem Namen "Silberlachs" aus der
Ostsee an Bloch eingesendeten Salmoneer sterile Meerforellen waren, welche
durch ihre silberhelle Farbe, durch ihre tief ausgeschnittene Schwanzflosse
und durch ihre leicht abfallenden Schuppen mit dem östreichischen Mailachs
eine gewisse Aehnlichkeit gehabt haben und deshalb von Bloch mit letzterem
zu einer Art vereinigt worden sind. Eine Mittheilung Home's1), nach welcher
kleine Meerforellen, welche in England "Silver-Whites" genannt werden, un-
gemein leicht ihre silberglänzenden Schuppen bei der Berührung fahren las-
sen, erinnert ebenfalls an eine sterile Form der Trutta Trutta. Noch eine an-
dere Mittheilung, die mir von verschiedenen Seiten bei meinem Aufenthalte
an der preussischen Ostseeküste gemacht wurde, weist auf das Vorhanden-
sein von sterilen Meerforellen hin. Es soll nämlich in der Ostsee eine Art
Seelachs oder Silberlachs geben, welcher "unechter Lachs" oder "Strandlachs"
genannt wird, und weder in die Haffe noch in die Weichsel oder Memel
eintritt, derselbe soll im ersten Frühjahre (im Mai) am Strande erscheinen und
längs der Küste hinziehen. Von diesem Strandlachse behaupten die Fischer,

1) Vergl. Yarrell's History of british fishes. II. pag. 81.

Familie: Salmonoidei.
und das Vorkommen der letzteren in der Schweiz bezweifelt. Die Seiten-
flüsse des Niederrheins dagegen steigt die Meerforelle ziemlich weit hinauf,
denn Holandre (Nr. 56 a: pag. 325) meldet in seiner Moselfauna von der
Meerforelle, dass sie in der Umgegend von Metz sehr selten sei, während
Schaefer (Nr. 59: pag. 319) mittheilt, dass die Meerforelle (Salmo Trutta) in
der Mosel bei Trier oft gefangen werde. In der Weser und Elbe scheint die
Meerforelle nicht so weit wie der Lachs hinaufzuwandern, da dieser Fisch in
den Quellen-Gebieten der Fulda, Werra und Elbe nicht gekannt ist, die Meer-
forelle der Ostsee soll dagegen nach den Mittheilungen Heinrich’s (Nr. 89:
pag. 23) mit dem Lachs bis zu den oberen Gewässern der Oder und Weichsel
hinaufsteigen.

Die Meerforelle verlässt, um zu laichen, etwas später als der gemeine
Lachs das Meer, indem ihre Brunstzeit auch etwas später eintritt. Es hat die
Meerforelle, wie der Lachs, zur Reifung der Fortpflanzungsorgane eines län-
geren Aufenthalts im fliessenden süssen Wasser nöthig, daher dieselbe eben-
falls mehrere Monate vom Sommer bis zum Spätherbst in den Flüssen
verweilt.

Nach den verschiedenen Formen von Meerforellen zu urtheilen, die ich
aus dem Oder- und Frischen Haff, aus der Ostsee, von Schleswig und Island
erhalten habe, ist in mir die Vermuthung rege geworden, dass auch unter
den Meerforellen sterile Individuen vorkommen. Schon die Angabe Bloch’s
(a. a. O. pag. 157), dass der Silberlachs (Salmo Schiffermülleri) sowohl in der
Ostsee als auch in verschiedenen Landseen Oestreichs vorkommen soll, erregt
den Verdacht, dass die von Goeden unter dem Namen »Silberlachs« aus der
Ostsee an Bloch eingesendeten Salmoneer sterile Meerforellen waren, welche
durch ihre silberhelle Farbe, durch ihre tief ausgeschnittene Schwanzflosse
und durch ihre leicht abfallenden Schuppen mit dem östreichischen Mailachs
eine gewisse Aehnlichkeit gehabt haben und deshalb von Bloch mit letzterem
zu einer Art vereinigt worden sind. Eine Mittheilung Home’s1), nach welcher
kleine Meerforellen, welche in England »Silver-Whites« genannt werden, un-
gemein leicht ihre silberglänzenden Schuppen bei der Berührung fahren las-
sen, erinnert ebenfalls an eine sterile Form der Trutta Trutta. Noch eine an-
dere Mittheilung, die mir von verschiedenen Seiten bei meinem Aufenthalte
an der preussischen Ostseeküste gemacht wurde, weist auf das Vorhanden-
sein von sterilen Meerforellen hin. Es soll nämlich in der Ostsee eine Art
Seelachs oder Silberlachs geben, welcher »unechter Lachs« oder »Strandlachs«
genannt wird, und weder in die Haffe noch in die Weichsel oder Memel
eintritt, derselbe soll im ersten Frühjahre (im Mai) am Strande erscheinen und
längs der Küste hinziehen. Von diesem Strandlachse behaupten die Fischer,

1) Vergl. Yarrell’s History of british fishes. II. pag. 81.
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[318/0331] Familie: Salmonoidei. und das Vorkommen der letzteren in der Schweiz bezweifelt. Die Seiten- flüsse des Niederrheins dagegen steigt die Meerforelle ziemlich weit hinauf, denn Holandre (Nr. 56 a: pag. 325) meldet in seiner Moselfauna von der Meerforelle, dass sie in der Umgegend von Metz sehr selten sei, während Schaefer (Nr. 59: pag. 319) mittheilt, dass die Meerforelle (Salmo Trutta) in der Mosel bei Trier oft gefangen werde. In der Weser und Elbe scheint die Meerforelle nicht so weit wie der Lachs hinaufzuwandern, da dieser Fisch in den Quellen-Gebieten der Fulda, Werra und Elbe nicht gekannt ist, die Meer- forelle der Ostsee soll dagegen nach den Mittheilungen Heinrich’s (Nr. 89: pag. 23) mit dem Lachs bis zu den oberen Gewässern der Oder und Weichsel hinaufsteigen. Die Meerforelle verlässt, um zu laichen, etwas später als der gemeine Lachs das Meer, indem ihre Brunstzeit auch etwas später eintritt. Es hat die Meerforelle, wie der Lachs, zur Reifung der Fortpflanzungsorgane eines län- geren Aufenthalts im fliessenden süssen Wasser nöthig, daher dieselbe eben- falls mehrere Monate vom Sommer bis zum Spätherbst in den Flüssen verweilt. Nach den verschiedenen Formen von Meerforellen zu urtheilen, die ich aus dem Oder- und Frischen Haff, aus der Ostsee, von Schleswig und Island erhalten habe, ist in mir die Vermuthung rege geworden, dass auch unter den Meerforellen sterile Individuen vorkommen. Schon die Angabe Bloch’s (a. a. O. pag. 157), dass der Silberlachs (Salmo Schiffermülleri) sowohl in der Ostsee als auch in verschiedenen Landseen Oestreichs vorkommen soll, erregt den Verdacht, dass die von Goeden unter dem Namen »Silberlachs« aus der Ostsee an Bloch eingesendeten Salmoneer sterile Meerforellen waren, welche durch ihre silberhelle Farbe, durch ihre tief ausgeschnittene Schwanzflosse und durch ihre leicht abfallenden Schuppen mit dem östreichischen Mailachs eine gewisse Aehnlichkeit gehabt haben und deshalb von Bloch mit letzterem zu einer Art vereinigt worden sind. Eine Mittheilung Home’s 1), nach welcher kleine Meerforellen, welche in England »Silver-Whites« genannt werden, un- gemein leicht ihre silberglänzenden Schuppen bei der Berührung fahren las- sen, erinnert ebenfalls an eine sterile Form der Trutta Trutta. Noch eine an- dere Mittheilung, die mir von verschiedenen Seiten bei meinem Aufenthalte an der preussischen Ostseeküste gemacht wurde, weist auf das Vorhanden- sein von sterilen Meerforellen hin. Es soll nämlich in der Ostsee eine Art Seelachs oder Silberlachs geben, welcher »unechter Lachs« oder »Strandlachs« genannt wird, und weder in die Haffe noch in die Weichsel oder Memel eintritt, derselbe soll im ersten Frühjahre (im Mai) am Strande erscheinen und längs der Küste hinziehen. Von diesem Strandlachse behaupten die Fischer, 1) Vergl. Yarrell’s History of british fishes. II. pag. 81.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/331>, abgerufen am 24.11.2024.