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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Cyprinus.

Durch alle diese Bemühungen, welche man auf die Eintheilung der Cy-
prinoiden
verwendet hat, ist nur eine Erleichterung in der Unterscheidung
der Gattungen gewonnen worden, in Bezug auf die Art-Unterscheidung stösst
man bei den verschiedenen Karpfen-Gattungen noch auf dieselben Schwierig-
keiten wie früher. Es hängt dies zum Theil mit dem Umstande zusammen,
dass mehrere Karpfen-Arten in verschiedene Wassergebiete, in welchen sie
ursprünglich nicht einheimisch, künstlich verpflanzt, und dass gewisse
Karpfen-Arten aus fliessenden Gewässern in stehendes Wasser und in Teiche
versetzt worden sind, wodurch diese Thiere genöthigt wurden, sich in Be-
treff des Wassers und der Nahrung unter sehr verschiedenen Einflüssen fort-
zupflanzen, was allmählich bei den aufeinander folgenden Generationen dieser
Fische eine Veränderung erzeugte, die sich sowohl in der Körperform wie in
den Eigenschaften derselben kund giebt. Es sind durch solche künstliche
Züchtungen gewisse Karpfenarten, wie unsere übrigen Hausthiere, ausgeartet,
wobei dieselben, wie diese, nach und nach bestimmte Rassenformen angenom-
men haben, die man nicht für Artformen nehmen darf. Es ist zu bedauern, dass
die Ichthyologen bisher auf solche Rassenbildungen bei den Fischen nur sehr
wenig Rücksicht genommen haben, gewiss würde mancher dadurch von der
Aufstellung sogenannter schlechter Arten abgehalten worden sein.

Wie schwer die Arten gewisser Karpfen-Gattungen herauszufinden sind,
geht auch daraus hervor, dass selbst die Fischer mit ihrem praktischen Blicke
nicht immer die nächst verwandten Artformen dieser Fische zu unterscheiden
im Stande sind und leicht Verwechslungen begehen, wobei sie sich zuweilen
mit der Annahme von Bastardbildung zu helfen suchen. Obgleich von den
Fischern eine Bastardirung zwischen verschiedenen Cyprinoiden-Arten nur
vermuthungsweise ausgesprochen wird, so habe ich bei genauerer Unter-
suchung gewisser zweifelhafter Cyprinoiden-Formen die Ueberzeugung gewon-
nen, dass die Fischer die Entstehung solcher aus der Kreutzung zweier ver-
schiedener Arten hervorgegangenen Zwischenformen mit richtigem Tacte
herausgefühlt haben.

Die männlichen Individuen der meisten Karpfenarten erhalten zur Brunst-
zeit ein ganz eigenthümliches Ansehen, in welchem Zustande solche Fische
besondere Namen erhalten haben. Es ist dieser Zustand ein merkwürdiger
Hautausschlag, der aus einer warzenförmigen Verdichtung der Oberhaut be-
steht und nach den verschiedenen Gattungen und Arten der Cyprinoiden
in verschiedener Form, Zahl und Vertheilung zum Vorschein kömmt. Zur
Laichzeit suchen die meisten Cyprinoiden seichte Stellen der Gewässer auf,
wo die Weibchen von männlichen Individuen umgeben ihren Laich entweder
an Steine oder an Kräuter und Gesträuch festkleben.


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Gattung: Cyprinus.

Durch alle diese Bemühungen, welche man auf die Eintheilung der Cy-
prinoiden
verwendet hat, ist nur eine Erleichterung in der Unterscheidung
der Gattungen gewonnen worden, in Bezug auf die Art-Unterscheidung stösst
man bei den verschiedenen Karpfen-Gattungen noch auf dieselben Schwierig-
keiten wie früher. Es hängt dies zum Theil mit dem Umstande zusammen,
dass mehrere Karpfen-Arten in verschiedene Wassergebiete, in welchen sie
ursprünglich nicht einheimisch, künstlich verpflanzt, und dass gewisse
Karpfen-Arten aus fliessenden Gewässern in stehendes Wasser und in Teiche
versetzt worden sind, wodurch diese Thiere genöthigt wurden, sich in Be-
treff des Wassers und der Nahrung unter sehr verschiedenen Einflüssen fort-
zupflanzen, was allmählich bei den aufeinander folgenden Generationen dieser
Fische eine Veränderung erzeugte, die sich sowohl in der Körperform wie in
den Eigenschaften derselben kund giebt. Es sind durch solche künstliche
Züchtungen gewisse Karpfenarten, wie unsere übrigen Hausthiere, ausgeartet,
wobei dieselben, wie diese, nach und nach bestimmte Rassenformen angenom-
men haben, die man nicht für Artformen nehmen darf. Es ist zu bedauern, dass
die Ichthyologen bisher auf solche Rassenbildungen bei den Fischen nur sehr
wenig Rücksicht genommen haben, gewiss würde mancher dadurch von der
Aufstellung sogenannter schlechter Arten abgehalten worden sein.

Wie schwer die Arten gewisser Karpfen-Gattungen herauszufinden sind,
geht auch daraus hervor, dass selbst die Fischer mit ihrem praktischen Blicke
nicht immer die nächst verwandten Artformen dieser Fische zu unterscheiden
im Stande sind und leicht Verwechslungen begehen, wobei sie sich zuweilen
mit der Annahme von Bastardbildung zu helfen suchen. Obgleich von den
Fischern eine Bastardirung zwischen verschiedenen Cyprinoiden-Arten nur
vermuthungsweise ausgesprochen wird, so habe ich bei genauerer Unter-
suchung gewisser zweifelhafter Cyprinoiden-Formen die Ueberzeugung gewon-
nen, dass die Fischer die Entstehung solcher aus der Kreutzung zweier ver-
schiedener Arten hervorgegangenen Zwischenformen mit richtigem Tacte
herausgefühlt haben.

Die männlichen Individuen der meisten Karpfenarten erhalten zur Brunst-
zeit ein ganz eigenthümliches Ansehen, in welchem Zustande solche Fische
besondere Namen erhalten haben. Es ist dieser Zustand ein merkwürdiger
Hautausschlag, der aus einer warzenförmigen Verdichtung der Oberhaut be-
steht und nach den verschiedenen Gattungen und Arten der Cyprinoiden
in verschiedener Form, Zahl und Vertheilung zum Vorschein kömmt. Zur
Laichzeit suchen die meisten Cyprinoiden seichte Stellen der Gewässer auf,
wo die Weibchen von männlichen Individuen umgeben ihren Laich entweder
an Steine oder an Kräuter und Gesträuch festkleben.


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[83/0096] Gattung: Cyprinus. Durch alle diese Bemühungen, welche man auf die Eintheilung der Cy- prinoiden verwendet hat, ist nur eine Erleichterung in der Unterscheidung der Gattungen gewonnen worden, in Bezug auf die Art-Unterscheidung stösst man bei den verschiedenen Karpfen-Gattungen noch auf dieselben Schwierig- keiten wie früher. Es hängt dies zum Theil mit dem Umstande zusammen, dass mehrere Karpfen-Arten in verschiedene Wassergebiete, in welchen sie ursprünglich nicht einheimisch, künstlich verpflanzt, und dass gewisse Karpfen-Arten aus fliessenden Gewässern in stehendes Wasser und in Teiche versetzt worden sind, wodurch diese Thiere genöthigt wurden, sich in Be- treff des Wassers und der Nahrung unter sehr verschiedenen Einflüssen fort- zupflanzen, was allmählich bei den aufeinander folgenden Generationen dieser Fische eine Veränderung erzeugte, die sich sowohl in der Körperform wie in den Eigenschaften derselben kund giebt. Es sind durch solche künstliche Züchtungen gewisse Karpfenarten, wie unsere übrigen Hausthiere, ausgeartet, wobei dieselben, wie diese, nach und nach bestimmte Rassenformen angenom- men haben, die man nicht für Artformen nehmen darf. Es ist zu bedauern, dass die Ichthyologen bisher auf solche Rassenbildungen bei den Fischen nur sehr wenig Rücksicht genommen haben, gewiss würde mancher dadurch von der Aufstellung sogenannter schlechter Arten abgehalten worden sein. Wie schwer die Arten gewisser Karpfen-Gattungen herauszufinden sind, geht auch daraus hervor, dass selbst die Fischer mit ihrem praktischen Blicke nicht immer die nächst verwandten Artformen dieser Fische zu unterscheiden im Stande sind und leicht Verwechslungen begehen, wobei sie sich zuweilen mit der Annahme von Bastardbildung zu helfen suchen. Obgleich von den Fischern eine Bastardirung zwischen verschiedenen Cyprinoiden-Arten nur vermuthungsweise ausgesprochen wird, so habe ich bei genauerer Unter- suchung gewisser zweifelhafter Cyprinoiden-Formen die Ueberzeugung gewon- nen, dass die Fischer die Entstehung solcher aus der Kreutzung zweier ver- schiedener Arten hervorgegangenen Zwischenformen mit richtigem Tacte herausgefühlt haben. Die männlichen Individuen der meisten Karpfenarten erhalten zur Brunst- zeit ein ganz eigenthümliches Ansehen, in welchem Zustande solche Fische besondere Namen erhalten haben. Es ist dieser Zustand ein merkwürdiger Hautausschlag, der aus einer warzenförmigen Verdichtung der Oberhaut be- steht und nach den verschiedenen Gattungen und Arten der Cyprinoiden in verschiedener Form, Zahl und Vertheilung zum Vorschein kömmt. Zur Laichzeit suchen die meisten Cyprinoiden seichte Stellen der Gewässer auf, wo die Weibchen von männlichen Individuen umgeben ihren Laich entweder an Steine oder an Kräuter und Gesträuch festkleben. 6*

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/96>, abgerufen am 21.11.2024.