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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Von denen verharreten Geburten.
Haakens besser gewohnet seyd/ als ich. Und dahero fand sich
meine Unschuld in Beyseyn aller Anwesenden/ daß ihm eben
kein ander Mittel bey solcher Geburt wissend wäre/ als mit
einem Haaken oder Zänglein ein Loch in des Kindes Kopff
zu machen/ damit er es fassen und ziehen könte. War nun
seine Wissenschafft hierbey was anders/ als die meine? Ja
ein Beweißthum meiner Unschuld.
Christ. Man höret aber gleichwol in großen Häu-
sern/ du hättest nicht helffen können/ dieser Frantzose aber
hätte bald ohne Haaken geholffen?
Just. Du mußt wissen/ daß dieses von Feinden und Ver-
läumdern herkomme/ die es in die Häuser getragen. Solte
ich es hören/ ich wolte ihnen gar ein anders beweisen/ durch die
Personen/ so dabey gewesen/ und die es an Eydes statt aussa-
gen würden/ daß es nicht anders/ als wie ich berichtet habe. Ja
dieser Frantzösische Balbierer kan anders nicht sagen/ wofern er
so aufrichtig und gewissenhafft ist/ als ich ihn dafür erkenne.
Christ. Es ist aber doch wahr/ und du gestehest es selbst/
daß kein Haaken gebraucht worden/ und daß du das Loch
mit deinen Fingern in des Kindes Kopff gemacht hast?
Just. Es ist wahr/ daß kein Haaken ist angelegt worden;
Aber es war ein sonderbahr Glücke/ daß es eine so starcke Frau
betraff/ da die Kräffte so lange aushielten/ die zehende auch wol
zwantzigste hätte so lange unter solcher Probe nicht ausdauren
können/ wie diese Frau. Sie war schon zwey Tage und zwey
Nachte in Nöthen gewesen/ wie ich bey sie kam/ das Kind auch
schon todt/ wie die erste Wehe-Mutter und die beyseyende Frau-
en dafür hielten. Zu dem hielt ich auch dieselbe gantze Nacht/
wie ich hinkahm/ mit allem Fleiß und Hülffe an/ weil noch star-
cke Wehen waren; Dennoch wich das Kind nicht ein Haar breit
von der Stelle/ weder hinter noch vor sich/ und ich betrog mich
dieselbe gantze Nacht mit guter Hoffnung/ eben wie offtgedach-
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L 3
Von denen verharreten Geburten.
Haakens beſſer gewohnet ſeyd/ als ich. Und dahero fand ſich
meine Unſchuld in Beyſeyn aller Anweſenden/ daß ihm eben
kein ander Mittel bey ſolcher Geburt wiſſend waͤre/ als mit
einem Haaken oder Zaͤnglein ein Loch in des Kindes Kopff
zu machen/ damit er es faſſen und ziehen koͤnte. War nun
ſeine Wiſſenſchafft hierbey was anders/ als die meine? Ja
ein Beweißthum meiner Unſchuld.
Chriſt. Man hoͤret aber gleichwol in großen Haͤu-
ſern/ du haͤtteſt nicht helffen koͤnnen/ dieſer Frantzoſe aber
haͤtte bald ohne Haaken geholffen?
Juſt. Du mußt wiſſen/ daß dieſes von Feinden und Ver-
laͤumdern herkomme/ die es in die Haͤuſer getragen. Solte
ich es hoͤren/ ich wolte ihnen gar ein anders beweiſen/ durch die
Perſonen/ ſo dabey geweſen/ und die es an Eydes ſtatt ausſa-
gen wuͤrden/ daß es nicht anders/ als wie ich berichtet habe. Ja
dieſer Frantzoͤſiſche Balbierer kan anders nicht ſagen/ wofern er
ſo aufrichtig und gewiſſenhafft iſt/ als ich ihn dafuͤr erkenne.
Chriſt. Es iſt aber doch wahr/ und du geſteheſt es ſelbſt/
daß kein Haaken gebraucht worden/ und daß du das Loch
mit deinen Fingern in des Kindes Kopff gemacht haſt?
Juſt. Es iſt wahr/ daß kein Haaken iſt angelegt worden;
Aber es war ein ſonderbahr Gluͤcke/ daß es eine ſo ſtarcke Frau
betraff/ da die Kraͤffte ſo lange aushielten/ die zehende auch wol
zwantzigſte haͤtte ſo lange unter ſolcher Probe nicht ausdauren
koͤnnen/ wie dieſe Frau. Sie war ſchon zwey Tage und zwey
Nachte in Noͤthen geweſen/ wie ich bey ſie kam/ das Kind auch
ſchon todt/ wie die erſte Wehe-Mutter und die beyſeyende Frau-
en dafuͤr hielten. Zu dem hielt ich auch dieſelbe gantze Nacht/
wie ich hinkahm/ mit allem Fleiß und Huͤlffe an/ weil noch ſtar-
cke Wehen waren; Dennoch wich das Kind nicht ein Haar breit
von der Stelle/ weder hinter noch vor ſich/ und ich betrog mich
dieſelbe gantze Nacht mit guter Hoffnung/ eben wie offtgedach-
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[85/0198] Von denen verharreten Geburten. Haakens beſſer gewohnet ſeyd/ als ich. Und dahero fand ſich meine Unſchuld in Beyſeyn aller Anweſenden/ daß ihm eben kein ander Mittel bey ſolcher Geburt wiſſend waͤre/ als mit einem Haaken oder Zaͤnglein ein Loch in des Kindes Kopff zu machen/ damit er es faſſen und ziehen koͤnte. War nun ſeine Wiſſenſchafft hierbey was anders/ als die meine? Ja ein Beweißthum meiner Unſchuld. Chriſt. Man hoͤret aber gleichwol in großen Haͤu- ſern/ du haͤtteſt nicht helffen koͤnnen/ dieſer Frantzoſe aber haͤtte bald ohne Haaken geholffen? Juſt. Du mußt wiſſen/ daß dieſes von Feinden und Ver- laͤumdern herkomme/ die es in die Haͤuſer getragen. Solte ich es hoͤren/ ich wolte ihnen gar ein anders beweiſen/ durch die Perſonen/ ſo dabey geweſen/ und die es an Eydes ſtatt ausſa- gen wuͤrden/ daß es nicht anders/ als wie ich berichtet habe. Ja dieſer Frantzoͤſiſche Balbierer kan anders nicht ſagen/ wofern er ſo aufrichtig und gewiſſenhafft iſt/ als ich ihn dafuͤr erkenne. Chriſt. Es iſt aber doch wahr/ und du geſteheſt es ſelbſt/ daß kein Haaken gebraucht worden/ und daß du das Loch mit deinen Fingern in des Kindes Kopff gemacht haſt? Juſt. Es iſt wahr/ daß kein Haaken iſt angelegt worden; Aber es war ein ſonderbahr Gluͤcke/ daß es eine ſo ſtarcke Frau betraff/ da die Kraͤffte ſo lange aushielten/ die zehende auch wol zwantzigſte haͤtte ſo lange unter ſolcher Probe nicht ausdauren koͤnnen/ wie dieſe Frau. Sie war ſchon zwey Tage und zwey Nachte in Noͤthen geweſen/ wie ich bey ſie kam/ das Kind auch ſchon todt/ wie die erſte Wehe-Mutter und die beyſeyende Frau- en dafuͤr hielten. Zu dem hielt ich auch dieſelbe gantze Nacht/ wie ich hinkahm/ mit allem Fleiß und Huͤlffe an/ weil noch ſtar- cke Wehen waren; Dennoch wich das Kind nicht ein Haar breit von der Stelle/ weder hinter noch vor ſich/ und ich betrog mich dieſelbe gantze Nacht mit guter Hoffnung/ eben wie offtgedach- ter L 3

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/198>, abgerufen am 21.11.2024.