Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Das V. Capitel die Wehe-Mutter der Frauen nicht widersprechen wollen/ undblieb also drey Tage und Nacht ohne den Angriff bey ihr sitzen/ um die rechte dringende Wehen und die rechte Stunde der Ge- burt zu erwarten. Weil sie denn beyderseits dafür hielten/ daß offters das Wasser drey und mehr Tage vor der rechten Ge- burts-Stunde/ ohne allen Schaden zu springen pflege; Als mei- neten sie/ es würde diesesmahl eben so seyn. Aber diese ihre Meinung war unrecht/ und betrogen sich also allebeyde/ daß Mutter und Kind in Lebens-Gefahr kamen. Wahr ist es/ daß offters das Wasser ohne Wehen springet/ und folget in etlichen Tagen erst eine glückliche Geburt/ diesen Unterscheid aber muß die Wehe-Mutter durch den Angriff in Zeiten zu unterscheiden wissen/ ob bey dergleichen Wasserspringen das Kind zu rechter Geburt stehe/ und ob die Mutter-Oeffnung verhanden/ weil manche Frauen gar leichte gebähren/ und vom Tragen und klei- nen Wehen die Oeffnung ohne sonderliche Schmertzen bekom- men/ welches eine grosse Hülffe der Frauen bey der Geburt ist/ gegen andere/ so harte gebähren. Und dieses kan eine Wehe- Mutter von bloßen Ansehen nicht wissen. Stehet denn nun das Kind recht zur Geburt/ und ist schon Mutter-Oeffnung da/ a- ber noch keine oder kleine Wehen/ und ob auch gleich schlechte Mutter-Oeffnung und keine oder kleine Wehen verhanden wä- ren/ wenn das Kind nur recht zur Geburt stehet/ so kan man die rechte durchdringende Wehen wol erwarten/ ehe die Wehe- Mutter die Frau zur Arbeit vermahnet/ sonsten würde sie vor der Zeit abgemattet/ ehe es nöthig wäre. Muß also der Wehe-Mut- ter Angriff nothwendig in Zeiten geschehen/ und den Grund des Zustandes geben/ sol die schwangere Frau nicht in Gefahr ge- rathen. Dieses soll dir und dergleichen Frauen zur Warnung dienen/ so sollen es auch die Wehe-Mütter wol mercken/ daß sie in solcher Zeit sich nicht sollen durch solche unwissende Frauen ab- schrecken lassen/ sondern sagen/ was zu sagen ihnen nöthig ist. Denn
Das V. Capitel die Wehe-Mutter der Frauen nicht widerſprechen wollen/ undblieb alſo drey Tage und Nacht ohne den Angriff bey ihr ſitzen/ um die rechte dringende Wehen und die rechte Stunde der Ge- burt zu erwarten. Weil ſie denn beyderſeits dafuͤr hielten/ daß offters das Waſſer drey und mehr Tage vor der rechten Ge- burts-Stunde/ ohne allen Schaden zu ſpringen pflege; Als mei- neten ſie/ es wuͤrde dieſesmahl eben ſo ſeyn. Aber dieſe ihre Meinung war unrecht/ und betrogen ſich alſo allebeyde/ daß Mutter und Kind in Lebens-Gefahr kamen. Wahr iſt es/ daß offters das Waſſer ohne Wehen ſpringet/ und folget in etlichen Tagen erſt eine gluͤckliche Geburt/ dieſen Unterſcheid aber muß die Wehe-Mutter durch den Angriff in Zeiten zu unterſcheiden wiſſen/ ob bey dergleichen Waſſerſpringen das Kind zu rechter Geburt ſtehe/ und ob die Mutter-Oeffnung verhanden/ weil manche Frauen gar leichte gebaͤhren/ und vom Tragen und klei- nen Wehen die Oeffnung ohne ſonderliche Schmertzen bekom- men/ welches eine groſſe Huͤlffe der Frauen bey der Geburt iſt/ gegen andere/ ſo harte gebaͤhren. Und dieſes kan eine Wehe- Mutter von bloßen Anſehen nicht wiſſen. Stehet denn nun das Kind recht zur Geburt/ und iſt ſchon Mutter-Oeffnung da/ a- ber noch keine oder kleine Wehen/ und ob auch gleich ſchlechte Mutter-Oeffnung und keine oder kleine Wehen verhanden waͤ- ren/ wenn das Kind nur recht zur Geburt ſtehet/ ſo kan man die rechte durchdringende Wehen wol erwarten/ ehe die Wehe- Mutter die Frau zur Arbeit vermahnet/ ſonſten wuͤrde ſie vor der Zeit abgemattet/ ehe es noͤthig waͤre. Muß alſo der Wehe-Mut- ter Angriff nothwendig in Zeiten geſchehen/ und den Grund des Zuſtandes geben/ ſol die ſchwangere Frau nicht in Gefahr ge- rathen. Dieſes ſoll dir und dergleichen Frauen zur Warnung dienen/ ſo ſollen es auch die Wehe-Muͤtter wol mercken/ daß ſie in ſolcher Zeit ſich nicht ſollen durch ſolche unwiſſende Frauen ab- ſchrecken laſſen/ ſondern ſagen/ was zu ſagen ihnen noͤthig iſt. Denn
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Das V. Capitel
die Wehe-Mutter der Frauen nicht widerſprechen wollen/ und
blieb alſo drey Tage und Nacht ohne den Angriff bey ihr ſitzen/
um die rechte dringende Wehen und die rechte Stunde der Ge-
burt zu erwarten. Weil ſie denn beyderſeits dafuͤr hielten/ daß
offters das Waſſer drey und mehr Tage vor der rechten Ge-
burts-Stunde/ ohne allen Schaden zu ſpringen pflege; Als mei-
neten ſie/ es wuͤrde dieſesmahl eben ſo ſeyn. Aber dieſe ihre
Meinung war unrecht/ und betrogen ſich alſo allebeyde/ daß
Mutter und Kind in Lebens-Gefahr kamen. Wahr iſt es/ daß
offters das Waſſer ohne Wehen ſpringet/ und folget in etlichen
Tagen erſt eine gluͤckliche Geburt/ dieſen Unterſcheid aber muß
die Wehe-Mutter durch den Angriff in Zeiten zu unterſcheiden
wiſſen/ ob bey dergleichen Waſſerſpringen das Kind zu rechter
Geburt ſtehe/ und ob die Mutter-Oeffnung verhanden/ weil
manche Frauen gar leichte gebaͤhren/ und vom Tragen und klei-
nen Wehen die Oeffnung ohne ſonderliche Schmertzen bekom-
men/ welches eine groſſe Huͤlffe der Frauen bey der Geburt iſt/
gegen andere/ ſo harte gebaͤhren. Und dieſes kan eine Wehe-
Mutter von bloßen Anſehen nicht wiſſen. Stehet denn nun das
Kind recht zur Geburt/ und iſt ſchon Mutter-Oeffnung da/ a-
ber noch keine oder kleine Wehen/ und ob auch gleich ſchlechte
Mutter-Oeffnung und keine oder kleine Wehen verhanden waͤ-
ren/ wenn das Kind nur recht zur Geburt ſtehet/ ſo kan man
die rechte durchdringende Wehen wol erwarten/ ehe die Wehe-
Mutter die Frau zur Arbeit vermahnet/ ſonſten wuͤrde ſie vor der
Zeit abgemattet/ ehe es noͤthig waͤre. Muß alſo der Wehe-Mut-
ter Angriff nothwendig in Zeiten geſchehen/ und den Grund des
Zuſtandes geben/ ſol die ſchwangere Frau nicht in Gefahr ge-
rathen. Dieſes ſoll dir und dergleichen Frauen zur Warnung
dienen/ ſo ſollen es auch die Wehe-Muͤtter wol mercken/ daß ſie
in ſolcher Zeit ſich nicht ſollen durch ſolche unwiſſende Frauen ab-
ſchrecken laſſen/ ſondern ſagen/ was zu ſagen ihnen noͤthig iſt.
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