Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Das V. Capitel ne mercke du dieses wol/ wilt du dein Ambt und Gewissen rechtbewahren. Christ. Sage mir doch: ist denn dieser Irrthum des Angriffes Schuld/ daß solche schwere und gefährliche Ge- burt/ bey dieser Frauen gefolget ist. Just. Betrachte doch nur diese letzte sieben Kupffer/ nebst de- nen vorher gezeigten/ wol/ so giebet dir derselben Anschauen/ samt der beschriebenen Lehre bey gutem Nachdencken/ den Grund da- von/ und du wirst befinden/ daß der Angriff einer geübten Wehe-Mutter in Zeiten viel verhüten kan/ wie meine erste Warnungs-Kupffer dir zeigen/ wie sich die Kinder unter der Geburt/ aus vielen zuvor erklärten Ursachen meistentheils erst verwenden können. Als: da die Hand des Kindes nur bey dem Kopff allein ist/ und der Kopff scheeff dabey stehet. Siehe das Kupffer No. II. an/ da wirst du sehen/ daß ich dem Kinde die Finger kneipe oder drücke/ und ließ dieselbe Lehre/ warum ich solches gethan/ so wirst du befinden/ daß es zu dem Ende gesche- hen/ das Kind zu rechter Geburt zu behalten/ weil ich es offters glücklich probiret/ und dergleichen Gefahr damit verhütet habe. Diese Verhütung kan nur geschehen/ so lange das Wasser noch nicht gebrochen ist. Denn so bald das Wasser bricht/ da kommt die Hand oder der Ellebogen mit in die Geburt/ und der Kopff muß scheeff hinter sich oder nach der Seite weichen/ durch den Zwang der Wehen/ wenn das Wasser gebrochen ist. So muß denn hernach dergleichen übele Geburt folgen/ es kan nicht anders seyn. Christ. Meinest du denn/ daß es bey dieser Geburt auch so zugegangen ist? Die Wehe-Mutter kan doch nicht dafür/ weil sie erst geruffen worden/ da das Wasser schon gebrochen gewesen? Wenn es hernach nicht zu verhüten möglich/ so ist ja die Gefahr schon da gewesen/ als die We- he-Mutter gekommen. Was kan sie denn dafür/ daß du sie des Irrthums mit beschuldigest? Just.
Das V. Capitel ne mercke du dieſes wol/ wilt du dein Ambt und Gewiſſen rechtbewahren. Chriſt. Sage mir doch: iſt denn dieſer Irrthum des Angriffes Schuld/ daß ſolche ſchwere und gefaͤhrliche Ge- burt/ bey dieſer Frauen gefolget iſt. Juſt. Betrachte doch nur dieſe letzte ſieben Kupffer/ nebſt de- nen vorher gezeigten/ wol/ ſo giebet dir derſelben Anſchauen/ ſamt der beſchriebenen Lehre bey gutem Nachdencken/ den Grund da- von/ und du wirſt befinden/ daß der Angriff einer geuͤbten Wehe-Mutter in Zeiten viel verhuͤten kan/ wie meine erſte Warnungs-Kupffer dir zeigen/ wie ſich die Kinder unter der Geburt/ aus vielen zuvor erklaͤrten Urſachen meiſtentheils erſt verwenden koͤnnen. Als: da die Hand des Kindes nur bey dem Kopff allein iſt/ und der Kopff ſcheeff dabey ſtehet. Siehe das Kupffer No. II. an/ da wirſt du ſehen/ daß ich dem Kinde die Finger kneipe oder druͤcke/ und ließ dieſelbe Lehre/ warum ich ſolches gethan/ ſo wirſt du befinden/ daß es zu dem Ende geſche- hen/ das Kind zu rechter Geburt zu behalten/ weil ich es offters gluͤcklich probiret/ und dergleichen Gefahr damit verhuͤtet habe. Dieſe Verhuͤtung kan nur geſchehen/ ſo lange das Waſſer noch nicht gebrochen iſt. Denn ſo bald das Waſſer bricht/ da kom̃t die Hand oder der Ellebogen mit in die Geburt/ und der Kopff muß ſcheeff hinter ſich oder nach der Seite weichen/ durch den Zwang der Wehen/ wenn das Waſſer gebrochen iſt. So muß denn hernach dergleichen uͤbele Geburt folgen/ es kan nicht anders ſeyn. Chriſt. Meineſt du denn/ daß es bey dieſer Geburt auch ſo zugegangen iſt? Die Wehe-Mutter kan doch nicht dafuͤr/ weil ſie erſt geruffen worden/ da das Waſſer ſchon gebrochen geweſen? Wenn es hernach nicht zu verhuͤten moͤglich/ ſo iſt ja die Gefahr ſchon da geweſen/ als die We- he-Mutter gekommen. Was kan ſie denn dafuͤr/ daß du ſie des Irrthums mit beſchuldigeſt? Juſt.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#just"> <p><pb facs="#f0223" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Das</hi><hi rendition="#aq">V.</hi><hi rendition="#fr">Capitel</hi></fw><lb/> ne mercke du dieſes wol/ wilt du dein Ambt und Gewiſſen recht<lb/> bewahren.</p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Sage mir doch: iſt denn dieſer Irrthum des<lb/> Angriffes Schuld/ daß ſolche ſchwere und gefaͤhrliche Ge-<lb/> burt/ bey dieſer Frauen gefolget iſt.</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p>Betrachte doch nur dieſe letzte ſieben Kupffer/ nebſt de-<lb/> nen vorher gezeigten/ wol/ ſo giebet dir derſelben Anſchauen/ ſamt<lb/> der beſchriebenen Lehre bey gutem Nachdencken/ den Grund da-<lb/> von/ und du wirſt befinden/ <hi rendition="#fr">daß der Angriff einer geuͤbten<lb/> Wehe-Mutter in Zeiten viel verhuͤten kan/</hi> wie meine erſte<lb/> Warnungs-Kupffer dir zeigen/ wie ſich die Kinder unter der<lb/> Geburt/ aus vielen zuvor erklaͤrten Urſachen meiſtentheils erſt<lb/> verwenden koͤnnen. Als: da die Hand des Kindes nur bey dem<lb/> Kopff allein iſt/ und der Kopff ſcheeff dabey ſtehet. Siehe das<lb/> Kupffer <hi rendition="#aq">No. II.</hi> an/ da wirſt du ſehen/ daß ich dem Kinde die<lb/> Finger kneipe oder druͤcke/ und ließ dieſelbe Lehre/ warum ich<lb/> ſolches gethan/ ſo wirſt du befinden/ daß es zu dem Ende geſche-<lb/> hen/ das Kind zu rechter Geburt zu behalten/ weil ich es offters<lb/> gluͤcklich <hi rendition="#aq">probir</hi>et/ und dergleichen Gefahr damit verhuͤtet habe.<lb/> Dieſe Verhuͤtung kan nur geſchehen/ ſo lange das Waſſer<lb/> noch nicht gebrochen iſt. Denn ſo bald das Waſſer bricht/ da<lb/> kom̃t die Hand oder der Ellebogen mit in die Geburt/ und der<lb/> Kopff muß ſcheeff hinter ſich oder nach der Seite weichen/ durch<lb/> den Zwang der Wehen/ wenn das Waſſer gebrochen iſt. So<lb/> muß denn hernach dergleichen uͤbele Geburt folgen/ es kan nicht<lb/> anders ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Meineſt du denn/ daß es bey dieſer Geburt<lb/> auch ſo zugegangen iſt? Die Wehe-Mutter kan doch nicht<lb/> dafuͤr/ weil ſie erſt geruffen worden/ da das Waſſer ſchon<lb/> gebrochen geweſen? Wenn es hernach nicht zu verhuͤten<lb/> moͤglich/ ſo iſt ja die Gefahr ſchon da geweſen/ als die We-<lb/> he-Mutter gekommen. Was kan ſie denn dafuͤr/ daß du ſie<lb/> des Irrthums mit beſchuldigeſt?</hi> </p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0223]
Das V. Capitel
ne mercke du dieſes wol/ wilt du dein Ambt und Gewiſſen recht
bewahren.
Chriſt. Sage mir doch: iſt denn dieſer Irrthum des
Angriffes Schuld/ daß ſolche ſchwere und gefaͤhrliche Ge-
burt/ bey dieſer Frauen gefolget iſt.
Juſt. Betrachte doch nur dieſe letzte ſieben Kupffer/ nebſt de-
nen vorher gezeigten/ wol/ ſo giebet dir derſelben Anſchauen/ ſamt
der beſchriebenen Lehre bey gutem Nachdencken/ den Grund da-
von/ und du wirſt befinden/ daß der Angriff einer geuͤbten
Wehe-Mutter in Zeiten viel verhuͤten kan/ wie meine erſte
Warnungs-Kupffer dir zeigen/ wie ſich die Kinder unter der
Geburt/ aus vielen zuvor erklaͤrten Urſachen meiſtentheils erſt
verwenden koͤnnen. Als: da die Hand des Kindes nur bey dem
Kopff allein iſt/ und der Kopff ſcheeff dabey ſtehet. Siehe das
Kupffer No. II. an/ da wirſt du ſehen/ daß ich dem Kinde die
Finger kneipe oder druͤcke/ und ließ dieſelbe Lehre/ warum ich
ſolches gethan/ ſo wirſt du befinden/ daß es zu dem Ende geſche-
hen/ das Kind zu rechter Geburt zu behalten/ weil ich es offters
gluͤcklich probiret/ und dergleichen Gefahr damit verhuͤtet habe.
Dieſe Verhuͤtung kan nur geſchehen/ ſo lange das Waſſer
noch nicht gebrochen iſt. Denn ſo bald das Waſſer bricht/ da
kom̃t die Hand oder der Ellebogen mit in die Geburt/ und der
Kopff muß ſcheeff hinter ſich oder nach der Seite weichen/ durch
den Zwang der Wehen/ wenn das Waſſer gebrochen iſt. So
muß denn hernach dergleichen uͤbele Geburt folgen/ es kan nicht
anders ſeyn.
Chriſt. Meineſt du denn/ daß es bey dieſer Geburt
auch ſo zugegangen iſt? Die Wehe-Mutter kan doch nicht
dafuͤr/ weil ſie erſt geruffen worden/ da das Waſſer ſchon
gebrochen geweſen? Wenn es hernach nicht zu verhuͤten
moͤglich/ ſo iſt ja die Gefahr ſchon da geweſen/ als die We-
he-Mutter gekommen. Was kan ſie denn dafuͤr/ daß du ſie
des Irrthums mit beſchuldigeſt?
Juſt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/223 |
Zitationshilfe: | Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/223>, abgerufen am 26.06.2024. |