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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Das VI. Capitel
Ursache GOtt zu dancken/ daß solche schwere Fälle nicht gemein
seyn. Ich habe wol dreyßig und mehr rechte Geburten gehabt/
ehe dergleichen eine darunter gewesen ist. So trifft es auch
wol unter hunderten kaum einmahl/ daß es so zugehet. Daß
ich aber so offte darzu kommen und geholet worden/ kommt da-
her/ daß ich im Ruff gewesen/ ich könte bey solchen Geburten
helffen/ bin also offters auf etliche Meilweges dazu geholet wor-
den/ wenn ich nur möglich zu bekommen gewesen/ dahero ich
auch immer mehr/ bis ietzo/ bekant worden bin.
Christ. Wie kommt es aber/ daß bey manchen Frau-
en/ die Nachgeburt nach dem Gebähren/ so langsam fort
wil/ bey mancher Frau auch gar nicht fort kömmt/ bis sie
todt darüber bleiben muß. Was ist wol die Ursache?
Just. Hiervon wil ich dir gar gerne meine Wissenschafft
zeigen/ weil ich gar vielmahl in Lebens-Gefahr dazu geruffen
und geholet worden bin/ da sie nach der Geburt zu rück geblie-
ben ist. Ich habe viel Jahre keine andere Ursache als den Vor-
fall des Mutter-Mundes gefunden/ welchem mit zwey Fingern
bald zu helffen gewesen. Es muß nur vorsichtig und gelin-
de geschehen/ nehmlich: Wenn die Nachgeburt/ nicht wie
gewöhnlich fort wil/ so lasse ich den hangenden Bauch
wol in die Höhe heben/ und gleiche halten/ und fasse die
Nabel-Schnure mit der lincken Hand/ daß ich mit zwey
Fingern an der rechten Hand der Nabel-Schnure nach-
folgen kan bis an den Mutter-Mund, Dann hebe ich ihn/
wie zuvor bey der Geburt/ in die Höhe auff/ so bekommt
die Nachgeburt Lufft/ und sencket sich. Es ist nöthig die
Frau zu etwas Husten zu vermahnen. Doch bey einer ist
es nöthiger/ als bey der andern. Man fühlet es bald an
der Nabelschnure und Nachgeburt/ wo es nöthig oder un-
nöthig ist. Ist es nöthig und gut/ so sencket sich die Nach-
geburt und Nabelschnure; Ziehet sie sich aber von solchem

Hu-
Das VI. Capitel
Urſache GOtt zu dancken/ daß ſolche ſchwere Faͤlle nicht gemein
ſeyn. Ich habe wol dreyßig und mehr rechte Geburten gehabt/
ehe dergleichen eine darunter geweſen iſt. So trifft es auch
wol unter hunderten kaum einmahl/ daß es ſo zugehet. Daß
ich aber ſo offte darzu kommen und geholet worden/ kommt da-
her/ daß ich im Ruff geweſen/ ich koͤnte bey ſolchen Geburten
helffen/ bin alſo offters auf etliche Meilweges dazu geholet wor-
den/ wenn ich nur moͤglich zu bekommen geweſen/ dahero ich
auch immer mehr/ bis ietzo/ bekant worden bin.
Chriſt. Wie kommt es aber/ daß bey manchen Frau-
en/ die Nachgeburt nach dem Gebaͤhren/ ſo langſam fort
wil/ bey mancher Frau auch gar nicht fort koͤmmt/ bis ſie
todt daruͤber bleiben muß. Was iſt wol die Urſache?
Juſt. Hiervon wil ich dir gar gerne meine Wiſſenſchafft
zeigen/ weil ich gar vielmahl in Lebens-Gefahr dazu geruffen
und geholet worden bin/ da ſie nach der Geburt zu ruͤck geblie-
ben iſt. Ich habe viel Jahre keine andere Urſache als den Vor-
fall des Mutter-Mundes gefunden/ welchem mit zwey Fingern
bald zu helffen geweſen. Es muß nur vorſichtig und gelin-
de geſchehen/ nehmlich: Wenn die Nachgeburt/ nicht wie
gewoͤhnlich fort wil/ ſo laſſe ich den hangenden Bauch
wol in die Hoͤhe heben/ und gleiche halten/ und faſſe die
Nabel-Schnure mit der lincken Hand/ daß ich mit zwey
Fingern an der rechten Hand der Nabel-Schnure nach-
folgen kan bis an den Mutter-Mund, Dann hebe ich ihn/
wie zuvor bey der Geburt/ in die Hoͤhe auff/ ſo bekommt
die Nachgeburt Lufft/ und ſencket ſich. Es iſt noͤthig die
Frau zu etwas Huſten zu vermahnen. Doch bey einer iſt
es noͤthiger/ als bey der andern. Man fuͤhlet es bald an
der Nabelſchnure und Nachgeburt/ wo es noͤthig oder un-
noͤthig iſt. Iſt es noͤthig und gut/ ſo ſencket ſich die Nach-
geburt und Nabelſchnure; Ziehet ſie ſich aber von ſolchem

Hu-
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[114/0241] Das VI. Capitel Urſache GOtt zu dancken/ daß ſolche ſchwere Faͤlle nicht gemein ſeyn. Ich habe wol dreyßig und mehr rechte Geburten gehabt/ ehe dergleichen eine darunter geweſen iſt. So trifft es auch wol unter hunderten kaum einmahl/ daß es ſo zugehet. Daß ich aber ſo offte darzu kommen und geholet worden/ kommt da- her/ daß ich im Ruff geweſen/ ich koͤnte bey ſolchen Geburten helffen/ bin alſo offters auf etliche Meilweges dazu geholet wor- den/ wenn ich nur moͤglich zu bekommen geweſen/ dahero ich auch immer mehr/ bis ietzo/ bekant worden bin. Chriſt. Wie kommt es aber/ daß bey manchen Frau- en/ die Nachgeburt nach dem Gebaͤhren/ ſo langſam fort wil/ bey mancher Frau auch gar nicht fort koͤmmt/ bis ſie todt daruͤber bleiben muß. Was iſt wol die Urſache? Juſt. Hiervon wil ich dir gar gerne meine Wiſſenſchafft zeigen/ weil ich gar vielmahl in Lebens-Gefahr dazu geruffen und geholet worden bin/ da ſie nach der Geburt zu ruͤck geblie- ben iſt. Ich habe viel Jahre keine andere Urſache als den Vor- fall des Mutter-Mundes gefunden/ welchem mit zwey Fingern bald zu helffen geweſen. Es muß nur vorſichtig und gelin- de geſchehen/ nehmlich: Wenn die Nachgeburt/ nicht wie gewoͤhnlich fort wil/ ſo laſſe ich den hangenden Bauch wol in die Hoͤhe heben/ und gleiche halten/ und faſſe die Nabel-Schnure mit der lincken Hand/ daß ich mit zwey Fingern an der rechten Hand der Nabel-Schnure nach- folgen kan bis an den Mutter-Mund, Dann hebe ich ihn/ wie zuvor bey der Geburt/ in die Hoͤhe auff/ ſo bekommt die Nachgeburt Lufft/ und ſencket ſich. Es iſt noͤthig die Frau zu etwas Huſten zu vermahnen. Doch bey einer iſt es noͤthiger/ als bey der andern. Man fuͤhlet es bald an der Nabelſchnure und Nachgeburt/ wo es noͤthig oder un- noͤthig iſt. Iſt es noͤthig und gut/ ſo ſencket ſich die Nach- geburt und Nabelſchnure; Ziehet ſie ſich aber von ſolchem Hu-

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/241>, abgerufen am 23.11.2024.