Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Nachgeburt.
dem gewöhnlichen Fingern in der rechten Hand bey
der Nabelschnure durch/ und schälete so lang/ als der
Finger langen konte/ zwischen der Nach-Geburt und
der Mutter rund umb/ sachte loß. Hernach nahm ich
den andern Finger zu Hülffe/ machte das Loch größer/
und schälete es durch und durch ab. Also ward diese Frau
gerettet.
Sie lag aber lange kranck/ ehe sie sich wieder erholen kon-
te. Was aber die Ursache war/ daß sie so lange liegen mußte/
weiß ich nicht. Jedoch halte ich dafür/ weil diese Abschälung
sehr empfündlich war/ und sich auch so gantz glatt nicht loßschä-
len ließ/ in dem viel Stürtzel als Borsten stehen blieben/ welche
sich aus dem dicken Leber-Kuchen/ bey der Abschälung auszo-
gen/ daß sie also in der Mutter stecken blieben/ zwar nicht groß
oder lang/ sondern kurtz und scharff/ wie ein zart Reib Eisen
anzufühlen. Als glaube ich wol/ daß diese zurück-bleibende
Fäserlein/ eine Fäulung machten/ daß diese Frau es langsam
verwinden konte. Doch brachte sie ihr Leben davon/ und war
hernach frisch und gesund. Ob es sich nun mehr so practiciren
möchte laßen/ stehet bey GOtt. Darum vermeine ich/ daß bey
diesem Zustande oder dergleichen Hülffe allezeit große Gefahr
ist/ wenn es auch auf das beste gehet. Es schläget auch leichtlich
keine Artzney an/ sie kan auch nicht/ aus der Ursache/ weil es an-
gewachsen ist. Treibende Dinge lösen es nicht/ es folget eher
Blutstürtzung/ und gehet doch nicht weg. Es kommt gar leichte
ohne alles Treiben/ Blutstürtzung/ und lässet sich nicht stillen/
bis die Frauen todt seyn/ welches ich mit meinen Augen gesehen.
Derohalben ist es auf alle Weise gefährlich/ bey dergleichen Zu-
stande/ so viel mir davon ist bekant worden.
Christ. Sage mir doch/ wie es sich mit den Zwillin-
gen verhält/ ob sie allezeit in einer Nachgeburt liegen/ oder/
ob ein jedes Kind seine eigene Nachgeburt habe/ und wenn sie
in einer liegen/ ob auch das Wasser zweymal springet; wie

ver-
Von der Nachgeburt.
dem gewoͤhnlichen Fingern in der rechten Hand bey
der Nabelſchnure durch/ und ſchaͤlete ſo lang/ als der
Finger langen konte/ zwiſchen der Nach-Geburt und
der Mutter rund umb/ ſachte loß. Hernach nahm ich
den andern Finger zu Huͤlffe/ machte das Loch groͤßer/
und ſchaͤlete es durch und durch ab. Alſo ward dieſe Frau
gerettet.
Sie lag aber lange kranck/ ehe ſie ſich wieder erholen kon-
te. Was aber die Urſache war/ daß ſie ſo lange liegen mußte/
weiß ich nicht. Jedoch halte ich dafuͤr/ weil dieſe Abſchaͤlung
ſehr empfuͤndlich war/ und ſich auch ſo gantz glatt nicht loßſchaͤ-
len ließ/ in dem viel Stuͤrtzel als Borſten ſtehen blieben/ welche
ſich aus dem dicken Leber-Kuchen/ bey der Abſchaͤlung auszo-
gen/ daß ſie alſo in der Mutter ſtecken blieben/ zwar nicht groß
oder lang/ ſondern kurtz und ſcharff/ wie ein zart Reib Eiſen
anzufuͤhlen. Als glaube ich wol/ daß dieſe zuruͤck-bleibende
Faͤſerlein/ eine Faͤulung machten/ daß dieſe Frau es langſam
verwinden konte. Doch brachte ſie ihr Leben davon/ und war
hernach friſch und geſund. Ob es ſich nun mehr ſo practiciren
moͤchte laßen/ ſtehet bey GOtt. Darum vermeine ich/ daß bey
dieſem Zuſtande oder dergleichen Huͤlffe allezeit große Gefahr
iſt/ wenn es auch auf das beſte gehet. Es ſchlaͤget auch leichtlich
keine Artzney an/ ſie kan auch nicht/ aus der Urſache/ weil es an-
gewachſen iſt. Treibende Dinge loͤſen es nicht/ es folget eher
Blutſtuͤrtzung/ und gehet doch nicht weg. Es kommt gar leichte
ohne alles Treiben/ Blutſtuͤrtzung/ und laͤſſet ſich nicht ſtillen/
bis die Frauen todt ſeyn/ welches ich mit meinen Augen geſehen.
Derohalben iſt es auf alle Weiſe gefaͤhrlich/ bey dergleichen Zu-
ſtande/ ſo viel mir davon iſt bekant worden.
Chriſt. Sage mir doch/ wie es ſich mit den Zwillin-
gen verhaͤlt/ ob ſie allezeit in einer Nachgeburt liegen/ oder/
ob ein jedes Kind ſeine eigene Nachgeburt habe/ und wenn ſie
in einer liegen/ ob auch das Waſſer zweymal ſpringet; wie

ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#just">
            <p><pb facs="#f0246" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Von der Nachgeburt.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">dem gewo&#x0364;hnlichen Fingern in der rechten Hand bey<lb/>
der Nabel&#x017F;chnure durch/ und &#x017F;cha&#x0364;lete &#x017F;o lang/ als der<lb/>
Finger langen konte/ zwi&#x017F;chen der Nach-Geburt und<lb/>
der Mutter rund umb/ &#x017F;achte loß. Hernach nahm ich<lb/>
den andern Finger zu Hu&#x0364;lffe/ machte das Loch gro&#x0364;ßer/<lb/>
und &#x017F;cha&#x0364;lete es durch und durch ab. Al&#x017F;o ward die&#x017F;e Frau<lb/>
gerettet.</hi> Sie lag aber lange kranck/ ehe &#x017F;ie &#x017F;ich wieder erholen kon-<lb/>
te. Was aber die Ur&#x017F;ache war/ daß &#x017F;ie &#x017F;o lange liegen mußte/<lb/>
weiß ich nicht. Jedoch halte ich dafu&#x0364;r/ weil die&#x017F;e Ab&#x017F;cha&#x0364;lung<lb/>
&#x017F;ehr empfu&#x0364;ndlich war/ und &#x017F;ich auch &#x017F;o gantz glatt nicht loß&#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
len ließ/ in dem viel Stu&#x0364;rtzel als Bor&#x017F;ten &#x017F;tehen blieben/ welche<lb/>
&#x017F;ich aus dem dicken Leber-Kuchen/ bey der Ab&#x017F;cha&#x0364;lung auszo-<lb/>
gen/ daß &#x017F;ie al&#x017F;o in der Mutter &#x017F;tecken blieben/ zwar nicht groß<lb/>
oder lang/ &#x017F;ondern kurtz und &#x017F;charff/ wie ein zart Reib Ei&#x017F;en<lb/>
anzufu&#x0364;hlen. Als glaube ich wol/ daß die&#x017F;e zuru&#x0364;ck-bleibende<lb/>
Fa&#x0364;&#x017F;erlein/ eine Fa&#x0364;ulung machten/ daß die&#x017F;e Frau es lang&#x017F;am<lb/>
verwinden konte. Doch brachte &#x017F;ie ihr Leben davon/ und war<lb/>
hernach fri&#x017F;ch und ge&#x017F;und. Ob es &#x017F;ich nun mehr &#x017F;o <hi rendition="#aq">practicir</hi>en<lb/>
mo&#x0364;chte laßen/ &#x017F;tehet bey GOtt. Darum vermeine ich/ daß bey<lb/>
die&#x017F;em Zu&#x017F;tande oder dergleichen Hu&#x0364;lffe allezeit große Gefahr<lb/>
i&#x017F;t/ wenn es auch auf das be&#x017F;te gehet. Es &#x017F;chla&#x0364;get auch leichtlich<lb/>
keine Artzney an/ &#x017F;ie kan auch nicht/ aus der Ur&#x017F;ache/ weil es an-<lb/>
gewach&#x017F;en i&#x017F;t. Treibende Dinge lo&#x0364;&#x017F;en es nicht/ es folget eher<lb/>
Blut&#x017F;tu&#x0364;rtzung/ und gehet doch nicht weg. Es kommt gar leichte<lb/>
ohne alles Treiben/ Blut&#x017F;tu&#x0364;rtzung/ und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich nicht &#x017F;tillen/<lb/>
bis die Frauen todt &#x017F;eyn/ welches ich mit meinen Augen ge&#x017F;ehen.<lb/>
Derohalben i&#x017F;t es auf alle Wei&#x017F;e gefa&#x0364;hrlich/ bey dergleichen Zu-<lb/>
&#x017F;tande/ &#x017F;o viel mir davon i&#x017F;t bekant worden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#christ">
            <speaker> <hi rendition="#aq">Chri&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p> <hi rendition="#fr">Sage mir doch/ wie es &#x017F;ich mit den Zwillin-<lb/>
gen verha&#x0364;lt/ ob &#x017F;ie allezeit in einer Nachgeburt liegen/ oder/<lb/>
ob ein jedes Kind &#x017F;eine eigene Nachgeburt habe/ und wenn &#x017F;ie<lb/>
in einer liegen/ ob auch das Wa&#x017F;&#x017F;er zweymal &#x017F;pringet; wie</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">ver-</hi> </fw><lb/>
            </p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0246] Von der Nachgeburt. dem gewoͤhnlichen Fingern in der rechten Hand bey der Nabelſchnure durch/ und ſchaͤlete ſo lang/ als der Finger langen konte/ zwiſchen der Nach-Geburt und der Mutter rund umb/ ſachte loß. Hernach nahm ich den andern Finger zu Huͤlffe/ machte das Loch groͤßer/ und ſchaͤlete es durch und durch ab. Alſo ward dieſe Frau gerettet. Sie lag aber lange kranck/ ehe ſie ſich wieder erholen kon- te. Was aber die Urſache war/ daß ſie ſo lange liegen mußte/ weiß ich nicht. Jedoch halte ich dafuͤr/ weil dieſe Abſchaͤlung ſehr empfuͤndlich war/ und ſich auch ſo gantz glatt nicht loßſchaͤ- len ließ/ in dem viel Stuͤrtzel als Borſten ſtehen blieben/ welche ſich aus dem dicken Leber-Kuchen/ bey der Abſchaͤlung auszo- gen/ daß ſie alſo in der Mutter ſtecken blieben/ zwar nicht groß oder lang/ ſondern kurtz und ſcharff/ wie ein zart Reib Eiſen anzufuͤhlen. Als glaube ich wol/ daß dieſe zuruͤck-bleibende Faͤſerlein/ eine Faͤulung machten/ daß dieſe Frau es langſam verwinden konte. Doch brachte ſie ihr Leben davon/ und war hernach friſch und geſund. Ob es ſich nun mehr ſo practiciren moͤchte laßen/ ſtehet bey GOtt. Darum vermeine ich/ daß bey dieſem Zuſtande oder dergleichen Huͤlffe allezeit große Gefahr iſt/ wenn es auch auf das beſte gehet. Es ſchlaͤget auch leichtlich keine Artzney an/ ſie kan auch nicht/ aus der Urſache/ weil es an- gewachſen iſt. Treibende Dinge loͤſen es nicht/ es folget eher Blutſtuͤrtzung/ und gehet doch nicht weg. Es kommt gar leichte ohne alles Treiben/ Blutſtuͤrtzung/ und laͤſſet ſich nicht ſtillen/ bis die Frauen todt ſeyn/ welches ich mit meinen Augen geſehen. Derohalben iſt es auf alle Weiſe gefaͤhrlich/ bey dergleichen Zu- ſtande/ ſo viel mir davon iſt bekant worden. Chriſt. Sage mir doch/ wie es ſich mit den Zwillin- gen verhaͤlt/ ob ſie allezeit in einer Nachgeburt liegen/ oder/ ob ein jedes Kind ſeine eigene Nachgeburt habe/ und wenn ſie in einer liegen/ ob auch das Waſſer zweymal ſpringet; wie ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/246
Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/246>, abgerufen am 23.11.2024.