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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Das VI. Capitel
daß keine Wehe-Mutter mehr dabey thun könne/ weil es ihnen
verborgen ist. Eben dieser unbilliche Streit und die viele Ge-
fahr/ welcher eine kreistende Frau mit ihrem Kinde unter der
Geburts-Stunde unterworffen ist/ hat mich bewogen/ meine/
durch viele Müh und Ubung zusammen gebrachte/ und durch
Gottes Gnade verliehene Anmerckungen/ allen Menschen zur
Nachricht und zu ihrem Besten zu zeigen. Es ist wol war/ daß der
liebe GOtt täglich ohne aller Menschen Vernunfft hilffet und helf-
fen kan/ und also der natürlichen Mittel nicht nöthig hat/ wenn
er helffen wil; Jedoch hat er in allen Dingen den Menschen
ordentliche Mittel und Wege geordnet/ die sie auch nicht verwerf-
fen sollen/ in dem offters der liebe GOtt/ manche fromme Frau
in schwere Kindes-Nöthen kommen läßt/ vielleicht um ihrer Se-
ligkeit wegen; so giebet er diese natürliche Mittel ihnen sichtbar-
lich zu helffen/ sintemahl unsere Vernunfft die unsichtbaren
Mittel selten erkennet/ und GOtt wenig dafür gedancket wird;
Läßt uns derohalben die Gefahr offters sehen/ damit wir die
natürliche Hülffe mit Danck erkennen und annehmen sollen/ und
nicht verwerffen/ wie offters geschiehet/ ob wol auch die natür-
liche Mittel ohne GOttes Segen nichts sind. Darum heißet
es: Bete und Arbeite/ so wird dich der HErr segnen; denn an
Gottes Segen ist alles gelegen.
Christ. Sage mir doch deine Meinung/ wegen der
Ablösung der Kinder von der Nabelschnure? Welches ist
denn am besten/ die Nabelschnure lang oder kurtz zu lösen?
Etliche Wehe-Mütter lösen die Kinder nicht eher ab/ bis
sie die Nachgeburt von der Frauen haben. Ist denn das
recht oder unrecht/ und warum geschiehet es denn?
Just. Wegen des Ablösens der Kinder von der Nabelschnu-
re/ sind unterschiedene Meinungen. Einige sagen/ wenn die
Nabelschnure zu kurtz abgelöset würde/ so bekämen die Kinder
kurtzen Athem. Andere sagen/ wenn die Nabelschnure zu lang
gelö-
Das VI. Capitel
daß keine Wehe-Mutter mehr dabey thun koͤnne/ weil es ihnen
verborgen iſt. Eben dieſer unbilliche Streit und die viele Ge-
fahr/ welcher eine kreiſtende Frau mit ihrem Kinde unter der
Geburts-Stunde unterworffen iſt/ hat mich bewogen/ meine/
durch viele Muͤh und Ubung zuſammen gebrachte/ und durch
Gottes Gnade verliehene Anmerckungen/ allen Menſchen zur
Nachricht und zu ihrem Beſten zu zeigen. Es iſt wol war/ daß der
liebe GOtt taͤglich ohne aller Menſchen Vernunfft hilffet und helf-
fen kan/ und alſo der natuͤrlichen Mittel nicht noͤthig hat/ wenn
er helffen wil; Jedoch hat er in allen Dingen den Menſchen
ordentliche Mittel und Wege geordnet/ die ſie auch nicht verwerf-
fen ſollen/ in dem offters der liebe GOtt/ manche fromme Frau
in ſchwere Kindes-Noͤthen kommen laͤßt/ vielleicht um ihrer Se-
ligkeit wegen; ſo giebet er dieſe natuͤrliche Mittel ihnen ſichtbar-
lich zu helffen/ ſintemahl unſere Vernunfft die unſichtbaren
Mittel ſelten erkennet/ und GOtt wenig dafuͤr gedancket wird;
Laͤßt uns derohalben die Gefahr offters ſehen/ damit wir die
natuͤrliche Huͤlffe mit Danck erkennen und annehmen ſollen/ und
nicht verwerffen/ wie offters geſchiehet/ ob wol auch die natuͤr-
liche Mittel ohne GOttes Segen nichts ſind. Darum heißet
es: Bete und Arbeite/ ſo wird dich der HErr ſegnen; denn an
Gottes Segen iſt alles gelegen.
Chriſt. Sage mir doch deine Meinung/ wegen der
Abloͤſung der Kinder von der Nabelſchnure? Welches iſt
denn am beſten/ die Nabelſchnure lang oder kurtz zu loͤſen?
Etliche Wehe-Muͤtter loͤſen die Kinder nicht eher ab/ bis
ſie die Nachgeburt von der Frauen haben. Iſt denn das
recht oder unrecht/ und warum geſchiehet es denn?
Juſt. Wegen des Abloͤſens der Kinder von der Nabelſchnu-
re/ ſind unterſchiedene Meinungen. Einige ſagen/ wenn die
Nabelſchnure zu kurtz abgeloͤſet wuͤrde/ ſo bekaͤmen die Kinder
kurtzen Athem. Andere ſagen/ wenn die Nabelſchnure zu lang
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[126/0253] Das VI. Capitel daß keine Wehe-Mutter mehr dabey thun koͤnne/ weil es ihnen verborgen iſt. Eben dieſer unbilliche Streit und die viele Ge- fahr/ welcher eine kreiſtende Frau mit ihrem Kinde unter der Geburts-Stunde unterworffen iſt/ hat mich bewogen/ meine/ durch viele Muͤh und Ubung zuſammen gebrachte/ und durch Gottes Gnade verliehene Anmerckungen/ allen Menſchen zur Nachricht und zu ihrem Beſten zu zeigen. Es iſt wol war/ daß der liebe GOtt taͤglich ohne aller Menſchen Vernunfft hilffet und helf- fen kan/ und alſo der natuͤrlichen Mittel nicht noͤthig hat/ wenn er helffen wil; Jedoch hat er in allen Dingen den Menſchen ordentliche Mittel und Wege geordnet/ die ſie auch nicht verwerf- fen ſollen/ in dem offters der liebe GOtt/ manche fromme Frau in ſchwere Kindes-Noͤthen kommen laͤßt/ vielleicht um ihrer Se- ligkeit wegen; ſo giebet er dieſe natuͤrliche Mittel ihnen ſichtbar- lich zu helffen/ ſintemahl unſere Vernunfft die unſichtbaren Mittel ſelten erkennet/ und GOtt wenig dafuͤr gedancket wird; Laͤßt uns derohalben die Gefahr offters ſehen/ damit wir die natuͤrliche Huͤlffe mit Danck erkennen und annehmen ſollen/ und nicht verwerffen/ wie offters geſchiehet/ ob wol auch die natuͤr- liche Mittel ohne GOttes Segen nichts ſind. Darum heißet es: Bete und Arbeite/ ſo wird dich der HErr ſegnen; denn an Gottes Segen iſt alles gelegen. Chriſt. Sage mir doch deine Meinung/ wegen der Abloͤſung der Kinder von der Nabelſchnure? Welches iſt denn am beſten/ die Nabelſchnure lang oder kurtz zu loͤſen? Etliche Wehe-Muͤtter loͤſen die Kinder nicht eher ab/ bis ſie die Nachgeburt von der Frauen haben. Iſt denn das recht oder unrecht/ und warum geſchiehet es denn? Juſt. Wegen des Abloͤſens der Kinder von der Nabelſchnu- re/ ſind unterſchiedene Meinungen. Einige ſagen/ wenn die Nabelſchnure zu kurtz abgeloͤſet wuͤrde/ ſo bekaͤmen die Kinder kurtzen Athem. Andere ſagen/ wenn die Nabelſchnure zu lang geloͤ-

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/253>, abgerufen am 22.11.2024.