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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Von der Nachgeburt.
Willen ließ/ weil sie nicht gemeinet/ daß das Kind so kommen
solte/ sintemahl sie noch wenig davon mercken können/ nach ihrer
Wissenschafft; so waren sie alle sicher dabey/ und ließen die Frau
gehen. Ehe sie sich aber versehen/ kommet ein Wehen/ und
stürtzet das Kind auf die Erde/ welches zwar nicht bald todt blieb/
doch starb es in etlichen Stunden darauf/ und erlangte also noch
die Tauffe. Der andern Frauen aber gieng es fast unglücklicher.
Diese war allezeit leichte zum Gebähren/ und hatte eine berühm-
te gute Wehe-Mutter bey sich/ welche sie schon zuvor bey sechs
Kindern bedienet. Weil sie denn allezeit gewohnet gewesen ge-
kochte heiße Kräuter unter sich zu setzen/ zum Bähen; Als hat
sie es diesesmahl eben so gethan. Wie sie aber die Kräuter kaum
untersetzen kan/ oder gleich untersetzen wil/ so kommet ein Wehe.
Die Frau schreyet auf die Wehe-Mutter/ greiffet zu/ das Kind
kommet! Als sie darnach greiffet oder greiffen wil/ lieget das Kind
schon in dem heissen Kräuter Bade/ welches sich so verbrennet/
daß es in etlichen Tagen sterben müßen. Dieses melde ich dir
zur Nachricht/ daß auch bey geschwinden und leichten Geburten
gute Vorsichtigkeit vonnöthen sey. Und kan wohl die beste
Wehe-Mutter unglücklich seyn/ wenn sie ihr zu viel zutrau-
et/ oder der liebe GOtt Hand abzeucht. Darum ist an
Gottes Segen alles gelegen.
Christ. Ich wil diese deine Erinnerung zu Danck an-
nehmen. Erkläre mir doch auch vollends deine Meinung
recht/ wegen Ablösung der Kinder/ von der Nabelschnure/
wie ich es von dir verlanget habe?
Just. Meine Meinung ist über das Lösen der Kinder/
am besten/ wenn sie im Mittel gelöset werden/ nicht gar
zu lang/ auch nicht zu kurtz. Doch kan dem langen Lö-
sen besser geholffen werden/ als dem zu kurtzen. Die Na-
bel stincken zwar sehr/ welche fett seyn/ ihnen ist aber nicht
zu helffen/ es sey denn/ daß viel Blut darinnen wäre/ so

muß
R
Von der Nachgeburt.
Willen ließ/ weil ſie nicht gemeinet/ daß das Kind ſo kommen
ſolte/ ſintemahl ſie noch wenig davon mercken koͤnnen/ nach ihrer
Wiſſenſchafft; ſo waren ſie alle ſicher dabey/ und ließen die Frau
gehen. Ehe ſie ſich aber verſehen/ kommet ein Wehen/ und
ſtuͤrtzet das Kind auf die Erde/ welches zwar nicht bald todt blieb/
doch ſtarb es in etlichen Stunden darauf/ und erlangte alſo noch
die Tauffe. Der andern Frauen aber gieng es faſt ungluͤcklicher.
Dieſe war allezeit leichte zum Gebaͤhren/ und hatte eine beruͤhm-
te gute Wehe-Mutter bey ſich/ welche ſie ſchon zuvor bey ſechs
Kindern bedienet. Weil ſie denn allezeit gewohnet geweſen ge-
kochte heiße Kraͤuter unter ſich zu ſetzen/ zum Baͤhen; Als hat
ſie es dieſesmahl eben ſo gethan. Wie ſie aber die Kraͤuter kaum
unterſetzen kan/ oder gleich unterſetzen wil/ ſo kommet ein Wehe.
Die Frau ſchreyet auf die Wehe-Mutter/ greiffet zu/ das Kind
kommet! Als ſie darnach greiffet oder greiffen wil/ lieget das Kind
ſchon in dem heiſſen Kraͤuter Bade/ welches ſich ſo verbrennet/
daß es in etlichen Tagen ſterben muͤßen. Dieſes melde ich dir
zur Nachricht/ daß auch bey geſchwinden und leichten Geburten
gute Vorſichtigkeit vonnoͤthen ſey. Und kan wohl die beſte
Wehe-Mutter ungluͤcklich ſeyn/ wenn ſie ihr zu viel zutrau-
et/ oder der liebe GOtt Hand abzeucht. Darum iſt an
Gottes Segen alles gelegen.
Chriſt. Ich wil dieſe deine Erinnerung zu Danck an-
nehmen. Erklaͤre mir doch auch vollends deine Meinung
recht/ wegen Abloͤſung der Kinder/ von der Nabelſchnure/
wie ich es von dir verlanget habe?
Juſt. Meine Meinung iſt uͤber das Loͤſen der Kinder/
am beſten/ wenn ſie im Mittel geloͤſet werden/ nicht gar
zu lang/ auch nicht zu kurtz. Doch kan dem langen Loͤ-
ſen beſſer geholffen werden/ als dem zu kurtzen. Die Na-
bel ſtincken zwar ſehr/ welche fett ſeyn/ ihnen iſt aber nicht
zu helffen/ es ſey denn/ daß viel Blut darinnen waͤre/ ſo

muß
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[129/0256] Von der Nachgeburt. Willen ließ/ weil ſie nicht gemeinet/ daß das Kind ſo kommen ſolte/ ſintemahl ſie noch wenig davon mercken koͤnnen/ nach ihrer Wiſſenſchafft; ſo waren ſie alle ſicher dabey/ und ließen die Frau gehen. Ehe ſie ſich aber verſehen/ kommet ein Wehen/ und ſtuͤrtzet das Kind auf die Erde/ welches zwar nicht bald todt blieb/ doch ſtarb es in etlichen Stunden darauf/ und erlangte alſo noch die Tauffe. Der andern Frauen aber gieng es faſt ungluͤcklicher. Dieſe war allezeit leichte zum Gebaͤhren/ und hatte eine beruͤhm- te gute Wehe-Mutter bey ſich/ welche ſie ſchon zuvor bey ſechs Kindern bedienet. Weil ſie denn allezeit gewohnet geweſen ge- kochte heiße Kraͤuter unter ſich zu ſetzen/ zum Baͤhen; Als hat ſie es dieſesmahl eben ſo gethan. Wie ſie aber die Kraͤuter kaum unterſetzen kan/ oder gleich unterſetzen wil/ ſo kommet ein Wehe. Die Frau ſchreyet auf die Wehe-Mutter/ greiffet zu/ das Kind kommet! Als ſie darnach greiffet oder greiffen wil/ lieget das Kind ſchon in dem heiſſen Kraͤuter Bade/ welches ſich ſo verbrennet/ daß es in etlichen Tagen ſterben muͤßen. Dieſes melde ich dir zur Nachricht/ daß auch bey geſchwinden und leichten Geburten gute Vorſichtigkeit vonnoͤthen ſey. Und kan wohl die beſte Wehe-Mutter ungluͤcklich ſeyn/ wenn ſie ihr zu viel zutrau- et/ oder der liebe GOtt Hand abzeucht. Darum iſt an Gottes Segen alles gelegen. Chriſt. Ich wil dieſe deine Erinnerung zu Danck an- nehmen. Erklaͤre mir doch auch vollends deine Meinung recht/ wegen Abloͤſung der Kinder/ von der Nabelſchnure/ wie ich es von dir verlanget habe? Juſt. Meine Meinung iſt uͤber das Loͤſen der Kinder/ am beſten/ wenn ſie im Mittel geloͤſet werden/ nicht gar zu lang/ auch nicht zu kurtz. Doch kan dem langen Loͤ- ſen beſſer geholffen werden/ als dem zu kurtzen. Die Na- bel ſtincken zwar ſehr/ welche fett ſeyn/ ihnen iſt aber nicht zu helffen/ es ſey denn/ daß viel Blut darinnen waͤre/ ſo muß R

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/256>, abgerufen am 22.11.2024.