Es giebt außer der Fuge; in welcher die Nachahmung den wichtigsten Theil der Melodie ausmacht, einen großen Theil Musikstücke, deren Melodien einzig und allein aus Nachahmungen bestehen.
Die Nachahmungen können in allen Tönen einer Tonart geschehen, als in der Secunde, Terz, Quarte etc. das heißt: wenn eine Melodie auf der Prime angefangen hat, so kann die Nachahmung auf der Sekunde geschehen. So fängt z. B. die vorher- gehende Melodie auf der Terz der Tonart C dur an, und der Anfang der Nachahmung geschieht auf der Quarte. Die Nachahmung ist von der Versetzung dadurch unterschie- den, daß sie in einer andern Stimme geschieht.
Fünftes Kapitel. Ueber den Satz und Gegensatz bei Erfindung der Melodie.
So wie in vorhergehenden Capitel die Nachahmung und nebenbei die Wiederholung und Versetzung kürzlich erklärt worden ist, so wird hier noch zweier Theile der Melodie ge- dacht, die bei der Erfindung derselben nicht weniger wichtig sind, nämlich des Satzes und Gegensatzes. Beide Theile verhalten sich zu einem Musikstücke, wie zwei Stro- phen eines Gedichts zu einander. Ein Satz für sich allein gewährt dem Ohre keine Be- friedigung; kommt aber ein schicklicher Gegensatz dazu, so kann man eine Idee schon schließen. Z. B.
[Musik]
Es giebt außer der Fuge; in welcher die Nachahmung den wichtigſten Theil der Melodie ausmacht, einen großen Theil Muſikſtuͤcke, deren Melodien einzig und allein aus Nachahmungen beſtehen.
Die Nachahmungen koͤnnen in allen Toͤnen einer Tonart geſchehen, als in der Secunde, Terz, Quarte ꝛc. das heißt: wenn eine Melodie auf der Prime angefangen hat, ſo kann die Nachahmung auf der Sekunde geſchehen. So faͤngt z. B. die vorher- gehende Melodie auf der Terz der Tonart C dur an, und der Anfang der Nachahmung geſchieht auf der Quarte. Die Nachahmung iſt von der Verſetzung dadurch unterſchie- den, daß ſie in einer andern Stimme geſchieht.
Fuͤnftes Kapitel. Ueber den Satz und Gegenſatz bei Erfindung der Melodie.
So wie in vorhergehenden Capitel die Nachahmung und nebenbei die Wiederholung und Verſetzung kuͤrzlich erklaͤrt worden iſt, ſo wird hier noch zweier Theile der Melodie ge- dacht, die bei der Erfindung derſelben nicht weniger wichtig ſind, naͤmlich des Satzes und Gegenſatzes. Beide Theile verhalten ſich zu einem Muſikſtuͤcke, wie zwei Stro- phen eines Gedichts zu einander. Ein Satz fuͤr ſich allein gewaͤhrt dem Ohre keine Be- friedigung; kommt aber ein ſchicklicher Gegenſatz dazu, ſo kann man eine Idee ſchon ſchließen. Z. B.
[Musik]
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[106/0124]
Es giebt außer der Fuge; in welcher die Nachahmung den wichtigſten Theil der
Melodie ausmacht, einen großen Theil Muſikſtuͤcke, deren Melodien einzig und allein
aus Nachahmungen beſtehen.
Die Nachahmungen koͤnnen in allen Toͤnen einer Tonart geſchehen, als in der
Secunde, Terz, Quarte ꝛc. das heißt: wenn eine Melodie auf der Prime angefangen
hat, ſo kann die Nachahmung auf der Sekunde geſchehen. So faͤngt z. B. die vorher-
gehende Melodie auf der Terz der Tonart C dur an, und der Anfang der Nachahmung
geſchieht auf der Quarte. Die Nachahmung iſt von der Verſetzung dadurch unterſchie-
den, daß ſie in einer andern Stimme geſchieht.
Fuͤnftes Kapitel.
Ueber den Satz und Gegenſatz bei Erfindung der Melodie.
So wie in vorhergehenden Capitel die Nachahmung und nebenbei die Wiederholung
und Verſetzung kuͤrzlich erklaͤrt worden iſt, ſo wird hier noch zweier Theile der Melodie ge-
dacht, die bei der Erfindung derſelben nicht weniger wichtig ſind, naͤmlich des Satzes
und Gegenſatzes. Beide Theile verhalten ſich zu einem Muſikſtuͤcke, wie zwei Stro-
phen eines Gedichts zu einander. Ein Satz fuͤr ſich allein gewaͤhrt dem Ohre keine Be-
friedigung; kommt aber ein ſchicklicher Gegenſatz dazu, ſo kann man eine Idee ſchon
ſchließen. Z. B.
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Siegmeyer, Johann Gottlieb: Theorie der Tonsetzkunst. Berlin, 1822, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegmeyer_tonsetzkunst_1822/124>, abgerufen am 16.02.2025.
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