unseres heutigen Wissens begegnen. Die Kenntniss neuer That- sachen, bisher unbekannter Erscheinungen fliesst daher von hier in lebendigem Strome zur Wissenschaft zurück. Doch nicht allein im eigenen Interesse der Wissenschaft liegt es, in engere Ver- bindung mit der Anwendung ihrer Forschungsresultate im prak- tischen Leben zu treten, weil dasselbe ihr reichlich zurückbringt, was es empfängt; es ist für sie auch ein Gebot der Pflicht. Denn dadurch erhält die Wissenschaft erst ihre höhere Weihe, das giebt ihr erst ein Anrecht auf die dankbare Liebe und Ver- ehrung der Völker, dass sie nicht ihrer selbst wegen besteht, zur Befriedigung des Wissensdranges der beschränkten Zahl ihrer Bekenner, sondern dass ihre Aufgabe die ist, den Schatz des Wissens und Könnens des ganzen Menschengeschlechtes zu er- höhen und dasselbe damit einer höheren Culturstufe zuzuführen. Sie bildet gleichsam das Nervennetz, welches den Organismus menschlicher Cultur durchzieht, das auch in seinen feinsten, kaum noch bemerkbaren Verzweigungen noch neues frisches Leben in ihm erzeugt und dadurch nicht allein die idealen Güter der Menschheit vermehrt, sondern ihr auch durch Dienstbar- machung der noch unerkannt schlummernden Kräfte der Natur den schweren Kampf um das materielle Dasein erleichtert.
Diesem Endzwecke wissenschaftlichen Strebens waren auch meine Kräfte in meiner Berufsthätigkeit, der wissenschaftlichen Technik, stets zugewandt. Leider liess mir dieselbe bisher nur wenig Musse für rein wissenschaftliche Forschungen, zu denen ich mich immer besonders hingezogen fühlte. Meine Aufgaben wurden mir gewöhnlich durch meine Berufsthätigkeit vorge- schrieben, indem die Ausfüllung wissenschaftlicher Lücken, auf welche ich stiess, sich als ein technisches Bedürfniss erwies. Ich will hier nur flüchtig erwähnen meine Methode der Messung grosser Geschwindigkeiten durch den elektrischen Funken, die Auffindung der elektrostatischen Ladung telegraphischer Leitungen und ihrer Gesetze, die Aufstellung von Methoden und Formeln für die Untersuchung unterirdischer und unterseeischer Leitungen, so wie für die Bestimmung des Ortes vorhandener Isolationsfehler, meine Experimentaluntersuchung über die elektrostatische In- duction und die Verzögerung des elektrischen Stromes durch die- selbe, die Aufstellung und Darstellung eines reproducirbaren
unseres heutigen Wissens begegnen. Die Kenntniss neuer That- sachen, bisher unbekannter Erscheinungen fliesst daher von hier in lebendigem Strome zur Wissenschaft zurück. Doch nicht allein im eigenen Interesse der Wissenschaft liegt es, in engere Ver- bindung mit der Anwendung ihrer Forschungsresultate im prak- tischen Leben zu treten, weil dasselbe ihr reichlich zurückbringt, was es empfängt; es ist für sie auch ein Gebot der Pflicht. Denn dadurch erhält die Wissenschaft erst ihre höhere Weihe, das giebt ihr erst ein Anrecht auf die dankbare Liebe und Ver- ehrung der Völker, dass sie nicht ihrer selbst wegen besteht, zur Befriedigung des Wissensdranges der beschränkten Zahl ihrer Bekenner, sondern dass ihre Aufgabe die ist, den Schatz des Wissens und Könnens des ganzen Menschengeschlechtes zu er- höhen und dasselbe damit einer höheren Culturstufe zuzuführen. Sie bildet gleichsam das Nervennetz, welches den Organismus menschlicher Cultur durchzieht, das auch in seinen feinsten, kaum noch bemerkbaren Verzweigungen noch neues frisches Leben in ihm erzeugt und dadurch nicht allein die idealen Güter der Menschheit vermehrt, sondern ihr auch durch Dienstbar- machung der noch unerkannt schlummernden Kräfte der Natur den schweren Kampf um das materielle Dasein erleichtert.
Diesem Endzwecke wissenschaftlichen Strebens waren auch meine Kräfte in meiner Berufsthätigkeit, der wissenschaftlichen Technik, stets zugewandt. Leider liess mir dieselbe bisher nur wenig Musse für rein wissenschaftliche Forschungen, zu denen ich mich immer besonders hingezogen fühlte. Meine Aufgaben wurden mir gewöhnlich durch meine Berufsthätigkeit vorge- schrieben, indem die Ausfüllung wissenschaftlicher Lücken, auf welche ich stiess, sich als ein technisches Bedürfniss erwies. Ich will hier nur flüchtig erwähnen meine Methode der Messung grosser Geschwindigkeiten durch den elektrischen Funken, die Auffindung der elektrostatischen Ladung telegraphischer Leitungen und ihrer Gesetze, die Aufstellung von Methoden und Formeln für die Untersuchung unterirdischer und unterseeischer Leitungen, so wie für die Bestimmung des Ortes vorhandener Isolationsfehler, meine Experimentaluntersuchung über die elektrostatische In- duction und die Verzögerung des elektrischen Stromes durch die- selbe, die Aufstellung und Darstellung eines reproducirbaren
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[327/0345]
unseres heutigen Wissens begegnen. Die Kenntniss neuer That-
sachen, bisher unbekannter Erscheinungen fliesst daher von hier
in lebendigem Strome zur Wissenschaft zurück. Doch nicht allein
im eigenen Interesse der Wissenschaft liegt es, in engere Ver-
bindung mit der Anwendung ihrer Forschungsresultate im prak-
tischen Leben zu treten, weil dasselbe ihr reichlich zurückbringt,
was es empfängt; es ist für sie auch ein Gebot der Pflicht.
Denn dadurch erhält die Wissenschaft erst ihre höhere Weihe,
das giebt ihr erst ein Anrecht auf die dankbare Liebe und Ver-
ehrung der Völker, dass sie nicht ihrer selbst wegen besteht,
zur Befriedigung des Wissensdranges der beschränkten Zahl ihrer
Bekenner, sondern dass ihre Aufgabe die ist, den Schatz des
Wissens und Könnens des ganzen Menschengeschlechtes zu er-
höhen und dasselbe damit einer höheren Culturstufe zuzuführen.
Sie bildet gleichsam das Nervennetz, welches den Organismus
menschlicher Cultur durchzieht, das auch in seinen feinsten,
kaum noch bemerkbaren Verzweigungen noch neues frisches
Leben in ihm erzeugt und dadurch nicht allein die idealen Güter
der Menschheit vermehrt, sondern ihr auch durch Dienstbar-
machung der noch unerkannt schlummernden Kräfte der Natur
den schweren Kampf um das materielle Dasein erleichtert.
Diesem Endzwecke wissenschaftlichen Strebens waren auch
meine Kräfte in meiner Berufsthätigkeit, der wissenschaftlichen
Technik, stets zugewandt. Leider liess mir dieselbe bisher nur
wenig Musse für rein wissenschaftliche Forschungen, zu denen
ich mich immer besonders hingezogen fühlte. Meine Aufgaben
wurden mir gewöhnlich durch meine Berufsthätigkeit vorge-
schrieben, indem die Ausfüllung wissenschaftlicher Lücken, auf
welche ich stiess, sich als ein technisches Bedürfniss erwies.
Ich will hier nur flüchtig erwähnen meine Methode der Messung
grosser Geschwindigkeiten durch den elektrischen Funken, die
Auffindung der elektrostatischen Ladung telegraphischer Leitungen
und ihrer Gesetze, die Aufstellung von Methoden und Formeln
für die Untersuchung unterirdischer und unterseeischer Leitungen,
so wie für die Bestimmung des Ortes vorhandener Isolationsfehler,
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/345>, abgerufen am 27.11.2024.
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