trolyten, indem seine Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur zunimmt. In der Nähe des Schmelzpunktes ist diese Leitungs- fähigkeit im Verhältniss zu seiner Leitungsfähigkeit bei der Luft- temperatur sehr bedeutend. Wird die Schmelztemperatur über- schritten, so sinkt die Leitungsfähigkeit mit Aufnahme der laten- ten Wärme beträchtlich, doch leitet es auch im geschmolzenen Zustande die Elektricität.
Durch die Beobachtung des Superintendent May der Valentia- Kabelstation, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuch- tung vergrössert wird, eine Beobachtung, die von Willoughby Smith publicirt und darauf vom Lieutenant Sale constatirt1) und näher untersucht wurde, ist die Aufmerksamkeit der Physiker neuerdings in hohem Grade auf das Selen gelenkt.
Sale fand, dass Licht aller Farben die Leitungsfähigkeit des Selens erhöht, dass die dunklen, actinischen Strahlen des Spe- ctrums keinen Einfluss auf dasselbe ausüben, und von hier aus die Lichtwirkung bis zum Roth zunimmt, dass sie beim Ultraroth abnimmt und die Wirkung der jenseits desselben liegenden dunk- len Wärmestrahlen nur gering ist.
Ich habe in einer der Akademie im Mai vorigen Jahres ge- machten vorläufigen Mittheilung2) diese Angaben Sale's bestätigt. Es war mir gelungen, das amorphe Selen durch eine mehrere Stunden anhaltende Erhitzung auf eine Temperatur von 200 bis 210° in eine Modification überzuführen, welche bei der Lufttem- peratur eine 20 bis 30 mal grössere Leitungsfähigkeit und eine entsprechend grössere Lichtempfindlichkeit hat, als das durch Er- hitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachte Selen zeigt. Diese Modification hat ferner die Eigenschaft, die Elektricität wie ein Metall, d. i. in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig- keit mit steigender Temperatur abnimmt. Ich fand ferner, dass der Einfluss des Lichtes sich nicht auf die ganze Masse des Selens ertreckt, sondern wesentlich eine Oberflächenwirkung ist. Hierdurch geleitet, gelang es mir, durch Einschmelzen des Selens zwischen die Windungen zweier flacher, in einander liegender Drahtspiralen ein äusserst lichtempfindliches Präparat herzustellen,
1) Pogg. Ann. 150, pag. 333.
2) Diese Berichte, S. 280.
trolyten, indem seine Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur zunimmt. In der Nähe des Schmelzpunktes ist diese Leitungs- fähigkeit im Verhältniss zu seiner Leitungsfähigkeit bei der Luft- temperatur sehr bedeutend. Wird die Schmelztemperatur über- schritten, so sinkt die Leitungsfähigkeit mit Aufnahme der laten- ten Wärme beträchtlich, doch leitet es auch im geschmolzenen Zustande die Elektricität.
Durch die Beobachtung des Superintendent May der Valentia- Kabelstation, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuch- tung vergrössert wird, eine Beobachtung, die von Willoughby Smith publicirt und darauf vom Lieutenant Sale constatirt1) und näher untersucht wurde, ist die Aufmerksamkeit der Physiker neuerdings in hohem Grade auf das Selen gelenkt.
Sale fand, dass Licht aller Farben die Leitungsfähigkeit des Selens erhöht, dass die dunklen, actinischen Strahlen des Spe- ctrums keinen Einfluss auf dasselbe ausüben, und von hier aus die Lichtwirkung bis zum Roth zunimmt, dass sie beim Ultraroth abnimmt und die Wirkung der jenseits desselben liegenden dunk- len Wärmestrahlen nur gering ist.
Ich habe in einer der Akademie im Mai vorigen Jahres ge- machten vorläufigen Mittheilung2) diese Angaben Sale’s bestätigt. Es war mir gelungen, das amorphe Selen durch eine mehrere Stunden anhaltende Erhitzung auf eine Temperatur von 200 bis 210° in eine Modification überzuführen, welche bei der Lufttem- peratur eine 20 bis 30 mal grössere Leitungsfähigkeit und eine entsprechend grössere Lichtempfindlichkeit hat, als das durch Er- hitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachte Selen zeigt. Diese Modification hat ferner die Eigenschaft, die Elektricität wie ein Metall, d. i. in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig- keit mit steigender Temperatur abnimmt. Ich fand ferner, dass der Einfluss des Lichtes sich nicht auf die ganze Masse des Selens ertreckt, sondern wesentlich eine Oberflächenwirkung ist. Hierdurch geleitet, gelang es mir, durch Einschmelzen des Selens zwischen die Windungen zweier flacher, in einander liegender Drahtspiralen ein äusserst lichtempfindliches Präparat herzustellen,
1) Pogg. Ann. 150, pag. 333.
2) Diese Berichte, S. 280.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0396"n="378"/>
trolyten, indem seine Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur<lb/>
zunimmt. In der Nähe des Schmelzpunktes ist diese Leitungs-<lb/>
fähigkeit im Verhältniss zu seiner Leitungsfähigkeit bei der Luft-<lb/>
temperatur sehr bedeutend. Wird die Schmelztemperatur über-<lb/>
schritten, so sinkt die Leitungsfähigkeit mit Aufnahme der laten-<lb/>
ten Wärme beträchtlich, doch leitet es auch im geschmolzenen<lb/>
Zustande die Elektricität.</p><lb/><p>Durch die Beobachtung des Superintendent May der Valentia-<lb/>
Kabelstation, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuch-<lb/>
tung vergrössert wird, eine Beobachtung, die von Willoughby<lb/>
Smith publicirt und darauf vom Lieutenant Sale constatirt<noteplace="foot"n="1)">Pogg. Ann. 150, pag. 333.</note> und<lb/>
näher untersucht wurde, ist die Aufmerksamkeit der Physiker<lb/>
neuerdings in hohem Grade auf das Selen gelenkt.</p><lb/><p>Sale fand, dass Licht aller Farben die Leitungsfähigkeit des<lb/>
Selens erhöht, dass die dunklen, actinischen Strahlen des Spe-<lb/>
ctrums keinen Einfluss auf dasselbe ausüben, und von hier aus<lb/>
die Lichtwirkung bis zum Roth zunimmt, dass sie beim Ultraroth<lb/>
abnimmt und die Wirkung der jenseits desselben liegenden dunk-<lb/>
len Wärmestrahlen nur gering ist.</p><lb/><p>Ich habe in einer der Akademie im Mai vorigen Jahres ge-<lb/>
machten vorläufigen Mittheilung<noteplace="foot"n="2)">Diese Berichte, S. 280.</note> diese Angaben Sale’s bestätigt.<lb/>
Es war mir gelungen, das amorphe Selen durch eine mehrere<lb/>
Stunden anhaltende Erhitzung auf eine Temperatur von 200 bis<lb/>
210° in eine Modification überzuführen, welche bei der Lufttem-<lb/>
peratur eine 20 bis 30 mal grössere Leitungsfähigkeit und eine<lb/>
entsprechend grössere Lichtempfindlichkeit hat, als das durch Er-<lb/>
hitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachte Selen zeigt.<lb/>
Diese Modification hat ferner die Eigenschaft, die Elektricität wie<lb/>
ein Metall, d. i. in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig-<lb/>
keit mit steigender Temperatur abnimmt. Ich fand ferner, dass<lb/>
der Einfluss des Lichtes sich nicht auf die ganze Masse des<lb/>
Selens ertreckt, sondern wesentlich eine Oberflächenwirkung ist.<lb/>
Hierdurch geleitet, gelang es mir, durch Einschmelzen des Selens<lb/>
zwischen die Windungen zweier flacher, in einander liegender<lb/>
Drahtspiralen ein äusserst lichtempfindliches Präparat herzustellen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[378/0396]
trolyten, indem seine Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur
zunimmt. In der Nähe des Schmelzpunktes ist diese Leitungs-
fähigkeit im Verhältniss zu seiner Leitungsfähigkeit bei der Luft-
temperatur sehr bedeutend. Wird die Schmelztemperatur über-
schritten, so sinkt die Leitungsfähigkeit mit Aufnahme der laten-
ten Wärme beträchtlich, doch leitet es auch im geschmolzenen
Zustande die Elektricität.
Durch die Beobachtung des Superintendent May der Valentia-
Kabelstation, dass die Leitungsfähigkeit des Selens durch Beleuch-
tung vergrössert wird, eine Beobachtung, die von Willoughby
Smith publicirt und darauf vom Lieutenant Sale constatirt 1) und
näher untersucht wurde, ist die Aufmerksamkeit der Physiker
neuerdings in hohem Grade auf das Selen gelenkt.
Sale fand, dass Licht aller Farben die Leitungsfähigkeit des
Selens erhöht, dass die dunklen, actinischen Strahlen des Spe-
ctrums keinen Einfluss auf dasselbe ausüben, und von hier aus
die Lichtwirkung bis zum Roth zunimmt, dass sie beim Ultraroth
abnimmt und die Wirkung der jenseits desselben liegenden dunk-
len Wärmestrahlen nur gering ist.
Ich habe in einer der Akademie im Mai vorigen Jahres ge-
machten vorläufigen Mittheilung 2) diese Angaben Sale’s bestätigt.
Es war mir gelungen, das amorphe Selen durch eine mehrere
Stunden anhaltende Erhitzung auf eine Temperatur von 200 bis
210° in eine Modification überzuführen, welche bei der Lufttem-
peratur eine 20 bis 30 mal grössere Leitungsfähigkeit und eine
entsprechend grössere Lichtempfindlichkeit hat, als das durch Er-
hitzung auf 100 bis 150° krystallinisch gemachte Selen zeigt.
Diese Modification hat ferner die Eigenschaft, die Elektricität wie
ein Metall, d. i. in der Weise zu leiten, dass die Leitungsfähig-
keit mit steigender Temperatur abnimmt. Ich fand ferner, dass
der Einfluss des Lichtes sich nicht auf die ganze Masse des
Selens ertreckt, sondern wesentlich eine Oberflächenwirkung ist.
Hierdurch geleitet, gelang es mir, durch Einschmelzen des Selens
zwischen die Windungen zweier flacher, in einander liegender
Drahtspiralen ein äusserst lichtempfindliches Präparat herzustellen,
1) Pogg. Ann. 150, pag. 333.
2) Diese Berichte, S. 280.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/396>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.