Gewinn, ist namentlich immer ein Ruhmestitel der deutschen Wissenschaft gewesen und wird es hoffentlich auch ferner blei- ben! Ob eine ganz unscheinbare Vermehrung unserer Kenntniss nicht früher oder später einmal eine grosse Bedeutung erhält, ist nie vorauszusehen. Wer konnte seiner Zeit eine Ahnung davon haben, dass die so unscheinbare Beobachtung Galvani's, dass ein Froschschenkel unter gewissen Umständen bei der Berührung mit einem eisernen Gitter zuckte, der Ausgangspunkt für die Entdeckung einer mächtigen Naturkraft sein würde, die nach kurzer Zeit gewaltsam umgestaltend in das Leben der Mensch- heit eingreifen und die Grenzen ihrer Macht und ihrer Herr- schaft über die Kräfte der Natur in noch gar nicht übersehbarer Weise hinausrücken würde! Unsere Väter waren zum Theil noch Zeitgenossen Galvani's und Volta's, haben also noch an der Wiege des Galvanismus gestanden, und heute schon giebt es kaum ein grösseres Gebiet des Lebens, in welches der elek- trische Strom nicht umgestaltend oder wenigstens helfend und belebend eingriffe!
Ich will Sie weder mit der Beschreibung aller Anwendungen des elektrischen Stromes zu praktischen Zwecken ermüden, noch Ihnen eine Geschichte dieser Anwendungen vorführen; aber ein kurzer Hinweis auf die Vielseitigkeit derselben, sowie auf die in den verschiedenen Perioden der Entwickelung angestrebten und erreichten Ziele wird am Platze sein, da man das, was man lange Zeit immer vor Augen hat, leicht als selbstverständlich betrachtet und sich kaum noch der Zeiten erinnert, wo es fehlte. Wer findet es heute noch überraschend, dass der Telegraph ihm in wenigen Minuten oder doch Stunden ersehnte Nachricht von weit entfernten Freunden bringt, dass er täglich in den Zeitun- gen eine Zusammenstellung aller am gleichen oder vorhergegan- genen Tage vorgekommenen wichtigen Ereignisse aus allen Län- dern der Erde findet? Wem scheint es noch auffallend, dass der elektrische Strom die Metalle aus ihren Lösungen in fester Form niederschlägt? Und doch erinnern sich die Aelteren unter Ihnen wohl noch ihres ehrfurchtsvollen Anstaunens des geheim- nissvollen Waltens der Naturkräfte, als sie zum ersten Mal einer telegraphischen Correspondenz mit einem entfernten Orte bei- wohnten, oder als sie zum ersten Mal beobachteten, wie sich
Gewinn, ist namentlich immer ein Ruhmestitel der deutschen Wissenschaft gewesen und wird es hoffentlich auch ferner blei- ben! Ob eine ganz unscheinbare Vermehrung unserer Kenntniss nicht früher oder später einmal eine grosse Bedeutung erhält, ist nie vorauszusehen. Wer konnte seiner Zeit eine Ahnung davon haben, dass die so unscheinbare Beobachtung Galvani’s, dass ein Froschschenkel unter gewissen Umständen bei der Berührung mit einem eisernen Gitter zuckte, der Ausgangspunkt für die Entdeckung einer mächtigen Naturkraft sein würde, die nach kurzer Zeit gewaltsam umgestaltend in das Leben der Mensch- heit eingreifen und die Grenzen ihrer Macht und ihrer Herr- schaft über die Kräfte der Natur in noch gar nicht übersehbarer Weise hinausrücken würde! Unsere Väter waren zum Theil noch Zeitgenossen Galvani’s und Volta’s, haben also noch an der Wiege des Galvanismus gestanden, und heute schon giebt es kaum ein grösseres Gebiet des Lebens, in welches der elek- trische Strom nicht umgestaltend oder wenigstens helfend und belebend eingriffe!
Ich will Sie weder mit der Beschreibung aller Anwendungen des elektrischen Stromes zu praktischen Zwecken ermüden, noch Ihnen eine Geschichte dieser Anwendungen vorführen; aber ein kurzer Hinweis auf die Vielseitigkeit derselben, sowie auf die in den verschiedenen Perioden der Entwickelung angestrebten und erreichten Ziele wird am Platze sein, da man das, was man lange Zeit immer vor Augen hat, leicht als selbstverständlich betrachtet und sich kaum noch der Zeiten erinnert, wo es fehlte. Wer findet es heute noch überraschend, dass der Telegraph ihm in wenigen Minuten oder doch Stunden ersehnte Nachricht von weit entfernten Freunden bringt, dass er täglich in den Zeitun- gen eine Zusammenstellung aller am gleichen oder vorhergegan- genen Tage vorgekommenen wichtigen Ereignisse aus allen Län- dern der Erde findet? Wem scheint es noch auffallend, dass der elektrische Strom die Metalle aus ihren Lösungen in fester Form niederschlägt? Und doch erinnern sich die Aelteren unter Ihnen wohl noch ihres ehrfurchtsvollen Anstaunens des geheim- nissvollen Waltens der Naturkräfte, als sie zum ersten Mal einer telegraphischen Correspondenz mit einem entfernten Orte bei- wohnten, oder als sie zum ersten Mal beobachteten, wie sich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0492"n="470"/>
Gewinn, ist namentlich immer ein Ruhmestitel der deutschen<lb/>
Wissenschaft gewesen und wird es hoffentlich auch ferner blei-<lb/>
ben! Ob eine ganz unscheinbare Vermehrung unserer Kenntniss<lb/>
nicht früher oder später einmal eine grosse Bedeutung erhält, ist<lb/>
nie vorauszusehen. Wer konnte seiner Zeit eine Ahnung davon<lb/>
haben, dass die so unscheinbare Beobachtung Galvani’s, dass ein<lb/>
Froschschenkel unter gewissen Umständen bei der Berührung<lb/>
mit einem eisernen Gitter zuckte, der Ausgangspunkt für die<lb/>
Entdeckung einer mächtigen Naturkraft sein würde, die nach<lb/>
kurzer Zeit gewaltsam umgestaltend in das Leben der Mensch-<lb/>
heit eingreifen und die Grenzen ihrer Macht und ihrer Herr-<lb/>
schaft über die Kräfte der Natur in noch gar nicht übersehbarer<lb/>
Weise hinausrücken würde! Unsere Väter waren zum Theil<lb/>
noch Zeitgenossen Galvani’s und Volta’s, haben also noch an<lb/>
der Wiege des Galvanismus gestanden, und heute schon giebt es<lb/>
kaum ein grösseres Gebiet des Lebens, in welches der elek-<lb/>
trische Strom nicht umgestaltend oder wenigstens helfend und<lb/>
belebend eingriffe!</p><lb/><p>Ich will Sie weder mit der Beschreibung aller Anwendungen<lb/>
des elektrischen Stromes zu praktischen Zwecken ermüden, noch<lb/>
Ihnen eine Geschichte dieser Anwendungen vorführen; aber ein<lb/>
kurzer Hinweis auf die Vielseitigkeit derselben, sowie auf die<lb/>
in den verschiedenen Perioden der Entwickelung angestrebten<lb/>
und erreichten Ziele wird am Platze sein, da man das, was man<lb/>
lange Zeit immer vor Augen hat, leicht als selbstverständlich<lb/>
betrachtet und sich kaum noch der Zeiten erinnert, wo es fehlte.<lb/>
Wer findet es heute noch überraschend, dass der Telegraph ihm<lb/>
in wenigen Minuten oder doch Stunden ersehnte Nachricht von<lb/>
weit entfernten Freunden bringt, dass er täglich in den Zeitun-<lb/>
gen eine Zusammenstellung aller am gleichen oder vorhergegan-<lb/>
genen Tage vorgekommenen wichtigen Ereignisse aus allen Län-<lb/>
dern der Erde findet? Wem scheint es noch auffallend, dass der<lb/>
elektrische Strom die Metalle aus ihren Lösungen in fester<lb/>
Form niederschlägt? Und doch erinnern sich die Aelteren unter<lb/>
Ihnen wohl noch ihres ehrfurchtsvollen Anstaunens des geheim-<lb/>
nissvollen Waltens der Naturkräfte, als sie zum ersten Mal einer<lb/>
telegraphischen Correspondenz mit einem entfernten Orte bei-<lb/>
wohnten, oder als sie zum ersten Mal beobachteten, wie sich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[470/0492]
Gewinn, ist namentlich immer ein Ruhmestitel der deutschen
Wissenschaft gewesen und wird es hoffentlich auch ferner blei-
ben! Ob eine ganz unscheinbare Vermehrung unserer Kenntniss
nicht früher oder später einmal eine grosse Bedeutung erhält, ist
nie vorauszusehen. Wer konnte seiner Zeit eine Ahnung davon
haben, dass die so unscheinbare Beobachtung Galvani’s, dass ein
Froschschenkel unter gewissen Umständen bei der Berührung
mit einem eisernen Gitter zuckte, der Ausgangspunkt für die
Entdeckung einer mächtigen Naturkraft sein würde, die nach
kurzer Zeit gewaltsam umgestaltend in das Leben der Mensch-
heit eingreifen und die Grenzen ihrer Macht und ihrer Herr-
schaft über die Kräfte der Natur in noch gar nicht übersehbarer
Weise hinausrücken würde! Unsere Väter waren zum Theil
noch Zeitgenossen Galvani’s und Volta’s, haben also noch an
der Wiege des Galvanismus gestanden, und heute schon giebt es
kaum ein grösseres Gebiet des Lebens, in welches der elek-
trische Strom nicht umgestaltend oder wenigstens helfend und
belebend eingriffe!
Ich will Sie weder mit der Beschreibung aller Anwendungen
des elektrischen Stromes zu praktischen Zwecken ermüden, noch
Ihnen eine Geschichte dieser Anwendungen vorführen; aber ein
kurzer Hinweis auf die Vielseitigkeit derselben, sowie auf die
in den verschiedenen Perioden der Entwickelung angestrebten
und erreichten Ziele wird am Platze sein, da man das, was man
lange Zeit immer vor Augen hat, leicht als selbstverständlich
betrachtet und sich kaum noch der Zeiten erinnert, wo es fehlte.
Wer findet es heute noch überraschend, dass der Telegraph ihm
in wenigen Minuten oder doch Stunden ersehnte Nachricht von
weit entfernten Freunden bringt, dass er täglich in den Zeitun-
gen eine Zusammenstellung aller am gleichen oder vorhergegan-
genen Tage vorgekommenen wichtigen Ereignisse aus allen Län-
dern der Erde findet? Wem scheint es noch auffallend, dass der
elektrische Strom die Metalle aus ihren Lösungen in fester
Form niederschlägt? Und doch erinnern sich die Aelteren unter
Ihnen wohl noch ihres ehrfurchtsvollen Anstaunens des geheim-
nissvollen Waltens der Naturkräfte, als sie zum ersten Mal einer
telegraphischen Correspondenz mit einem entfernten Orte bei-
wohnten, oder als sie zum ersten Mal beobachteten, wie sich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/492>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.