Die schlagenden Wetter bestehen bekanntlich aus Gruben- oder Sumpfgas, einer Verbindung von 4 Aequivalenten Wasser- stoff und 2 Aequivalenten Kohle. Es scheint, als wenn bei seiner Bildung ein besonderes chemisches Agens, die Zeit, die wesent- lichste Rolle spielte. Im Laufe langer Zeitabschnitte finden che- mische Actionen statt, die wir in der kurzen Spanne Zeit, die uns im Laboratorium zu Gebote steht, nicht nachmachen können. Die Braunkohle, die Steinkohle, der Anthracit sind in dieser Reihenfolge aus Holzablagerungen entstanden, die im Laufe der Zeit verkohlt sind, nicht durch Hitze, sondern durch den Einfluss der Zeit. Im Laufe der Zeit hat sich anscheinend Wasser aus der Holz- substanz ausgeschieden. Dieses hat sich im Augenblick des Frei- werdens zerlegt, der Sauerstoff hat sich mit Kohle zu Kohlensäure, und der Wasserstoff mit weiterer Kohle aus dem grossen Kohlen- vorrathe zu Kohlenwasserstoffgas verbunden, und es entstehen so die beiden Arten schädlicher Grubengase, die nur erstickend wir- kende Kohlensäure und das brennbare Kohlenwasserstoffgas, wel- ches, mit atmosphärischer Luft gemischt, die sogenannten schlagen- den Wetter bildet. Aus dieser Entstehungsweise folgt schon, dass kein Kohlenlager von ihnen ganz frei sein kann. Es ist sogar anzu- nehmen, dass der grösste Theil der gebildeten Gase im Laufe der Zeit -- die wahrscheinlich nach Millionen von Jahren zu rechnen ist -- durch die überlagernden Stein- und Erdschichten nach und nach entwichen ist, und dass wir es nur mit einem zurückgebliebenen Reste zu thun haben. Ganz frei von ihnen wird wohl kaum irgend ein Kohlenlager sein. Wenn nun ein solches Lager durch einen Schacht oder Stollen aufgeschlossen und dadurch in Verbindung mit der Atmosphäre gebracht wird, so muss das Gas, welches sich zum Theil auf der Oberfläche der Kohlenstücke condensirt, zum Theil gasförmig in den vorhandenen Poren desselben be- findet, sich mit der atmosphärischen Luft ins Gleichgewicht setzen und ein entsprechendes Ausströmen desselben stattfinden. Diese Entwickelung des brennbaren Gases muss um so stärker sein, je geringer der Luftdruck ist. Die grossen unheilvollen Explo- sionen schlagender Wetter sollen daher auch meistens nach einem starken Fallen des Barometers eingetreten sein. Das leichte Gruben- gas sammelt sich zunächst an der Grubendecke und mischt sich dann allmählich durch Diffusion mit der atmosphärischen Luft, was
Die schlagenden Wetter bestehen bekanntlich aus Gruben- oder Sumpfgas, einer Verbindung von 4 Aequivalenten Wasser- stoff und 2 Aequivalenten Kohle. Es scheint, als wenn bei seiner Bildung ein besonderes chemisches Agens, die Zeit, die wesent- lichste Rolle spielte. Im Laufe langer Zeitabschnitte finden che- mische Actionen statt, die wir in der kurzen Spanne Zeit, die uns im Laboratorium zu Gebote steht, nicht nachmachen können. Die Braunkohle, die Steinkohle, der Anthracit sind in dieser Reihenfolge aus Holzablagerungen entstanden, die im Laufe der Zeit verkohlt sind, nicht durch Hitze, sondern durch den Einfluss der Zeit. Im Laufe der Zeit hat sich anscheinend Wasser aus der Holz- substanz ausgeschieden. Dieses hat sich im Augenblick des Frei- werdens zerlegt, der Sauerstoff hat sich mit Kohle zu Kohlensäure, und der Wasserstoff mit weiterer Kohle aus dem grossen Kohlen- vorrathe zu Kohlenwasserstoffgas verbunden, und es entstehen so die beiden Arten schädlicher Grubengase, die nur erstickend wir- kende Kohlensäure und das brennbare Kohlenwasserstoffgas, wel- ches, mit atmosphärischer Luft gemischt, die sogenannten schlagen- den Wetter bildet. Aus dieser Entstehungsweise folgt schon, dass kein Kohlenlager von ihnen ganz frei sein kann. Es ist sogar anzu- nehmen, dass der grösste Theil der gebildeten Gase im Laufe der Zeit — die wahrscheinlich nach Millionen von Jahren zu rechnen ist — durch die überlagernden Stein- und Erdschichten nach und nach entwichen ist, und dass wir es nur mit einem zurückgebliebenen Reste zu thun haben. Ganz frei von ihnen wird wohl kaum irgend ein Kohlenlager sein. Wenn nun ein solches Lager durch einen Schacht oder Stollen aufgeschlossen und dadurch in Verbindung mit der Atmosphäre gebracht wird, so muss das Gas, welches sich zum Theil auf der Oberfläche der Kohlenstücke condensirt, zum Theil gasförmig in den vorhandenen Poren desselben be- findet, sich mit der atmosphärischen Luft ins Gleichgewicht setzen und ein entsprechendes Ausströmen desselben stattfinden. Diese Entwickelung des brennbaren Gases muss um so stärker sein, je geringer der Luftdruck ist. Die grossen unheilvollen Explo- sionen schlagender Wetter sollen daher auch meistens nach einem starken Fallen des Barometers eingetreten sein. Das leichte Gruben- gas sammelt sich zunächst an der Grubendecke und mischt sich dann allmählich durch Diffusion mit der atmosphärischen Luft, was
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0552"n="526"/><p>Die schlagenden Wetter bestehen bekanntlich aus Gruben-<lb/>
oder Sumpfgas, einer Verbindung von 4 Aequivalenten Wasser-<lb/>
stoff und 2 Aequivalenten Kohle. Es scheint, als wenn bei seiner<lb/>
Bildung ein besonderes chemisches Agens, die Zeit, die wesent-<lb/>
lichste Rolle spielte. Im Laufe langer Zeitabschnitte finden che-<lb/>
mische Actionen statt, die wir in der kurzen Spanne Zeit, die<lb/>
uns im Laboratorium zu Gebote steht, nicht nachmachen können.<lb/>
Die Braunkohle, die Steinkohle, der Anthracit sind in dieser<lb/>
Reihenfolge aus Holzablagerungen entstanden, die im Laufe der<lb/>
Zeit verkohlt sind, nicht durch Hitze, sondern durch den Einfluss der<lb/>
Zeit. Im Laufe der Zeit hat sich anscheinend Wasser aus der Holz-<lb/>
substanz ausgeschieden. Dieses hat sich im Augenblick des Frei-<lb/>
werdens zerlegt, der Sauerstoff hat sich mit Kohle zu Kohlensäure,<lb/>
und der Wasserstoff mit weiterer Kohle aus dem grossen Kohlen-<lb/>
vorrathe zu Kohlenwasserstoffgas verbunden, und es entstehen so<lb/>
die beiden Arten schädlicher Grubengase, die nur erstickend wir-<lb/>
kende Kohlensäure und das brennbare Kohlenwasserstoffgas, wel-<lb/>
ches, mit atmosphärischer Luft gemischt, die sogenannten schlagen-<lb/>
den Wetter bildet. Aus dieser Entstehungsweise folgt schon, dass<lb/>
kein Kohlenlager von ihnen ganz frei sein kann. Es ist sogar anzu-<lb/>
nehmen, dass der grösste Theil der gebildeten Gase im Laufe der Zeit<lb/>— die wahrscheinlich nach Millionen von Jahren zu rechnen ist —<lb/>
durch die überlagernden Stein- und Erdschichten nach und nach<lb/>
entwichen ist, und dass wir es nur mit einem zurückgebliebenen<lb/>
Reste zu thun haben. Ganz frei von ihnen wird wohl kaum irgend<lb/>
ein Kohlenlager sein. Wenn nun ein solches Lager durch einen<lb/>
Schacht oder Stollen aufgeschlossen und dadurch in Verbindung<lb/>
mit der Atmosphäre gebracht wird, so muss das Gas, welches<lb/>
sich zum Theil auf der Oberfläche der Kohlenstücke condensirt,<lb/>
zum Theil gasförmig in den vorhandenen Poren desselben be-<lb/>
findet, sich mit der atmosphärischen Luft ins Gleichgewicht setzen<lb/>
und ein entsprechendes Ausströmen desselben stattfinden. Diese<lb/>
Entwickelung des brennbaren Gases muss um so stärker sein,<lb/>
je geringer der Luftdruck ist. Die grossen unheilvollen Explo-<lb/>
sionen schlagender Wetter sollen daher auch meistens nach einem<lb/>
starken Fallen des Barometers eingetreten sein. Das leichte Gruben-<lb/>
gas sammelt sich zunächst an der Grubendecke und mischt sich<lb/>
dann allmählich durch Diffusion mit der atmosphärischen Luft, was<lb/></p></div></body></text></TEI>
[526/0552]
Die schlagenden Wetter bestehen bekanntlich aus Gruben-
oder Sumpfgas, einer Verbindung von 4 Aequivalenten Wasser-
stoff und 2 Aequivalenten Kohle. Es scheint, als wenn bei seiner
Bildung ein besonderes chemisches Agens, die Zeit, die wesent-
lichste Rolle spielte. Im Laufe langer Zeitabschnitte finden che-
mische Actionen statt, die wir in der kurzen Spanne Zeit, die
uns im Laboratorium zu Gebote steht, nicht nachmachen können.
Die Braunkohle, die Steinkohle, der Anthracit sind in dieser
Reihenfolge aus Holzablagerungen entstanden, die im Laufe der
Zeit verkohlt sind, nicht durch Hitze, sondern durch den Einfluss der
Zeit. Im Laufe der Zeit hat sich anscheinend Wasser aus der Holz-
substanz ausgeschieden. Dieses hat sich im Augenblick des Frei-
werdens zerlegt, der Sauerstoff hat sich mit Kohle zu Kohlensäure,
und der Wasserstoff mit weiterer Kohle aus dem grossen Kohlen-
vorrathe zu Kohlenwasserstoffgas verbunden, und es entstehen so
die beiden Arten schädlicher Grubengase, die nur erstickend wir-
kende Kohlensäure und das brennbare Kohlenwasserstoffgas, wel-
ches, mit atmosphärischer Luft gemischt, die sogenannten schlagen-
den Wetter bildet. Aus dieser Entstehungsweise folgt schon, dass
kein Kohlenlager von ihnen ganz frei sein kann. Es ist sogar anzu-
nehmen, dass der grösste Theil der gebildeten Gase im Laufe der Zeit
— die wahrscheinlich nach Millionen von Jahren zu rechnen ist —
durch die überlagernden Stein- und Erdschichten nach und nach
entwichen ist, und dass wir es nur mit einem zurückgebliebenen
Reste zu thun haben. Ganz frei von ihnen wird wohl kaum irgend
ein Kohlenlager sein. Wenn nun ein solches Lager durch einen
Schacht oder Stollen aufgeschlossen und dadurch in Verbindung
mit der Atmosphäre gebracht wird, so muss das Gas, welches
sich zum Theil auf der Oberfläche der Kohlenstücke condensirt,
zum Theil gasförmig in den vorhandenen Poren desselben be-
findet, sich mit der atmosphärischen Luft ins Gleichgewicht setzen
und ein entsprechendes Ausströmen desselben stattfinden. Diese
Entwickelung des brennbaren Gases muss um so stärker sein,
je geringer der Luftdruck ist. Die grossen unheilvollen Explo-
sionen schlagender Wetter sollen daher auch meistens nach einem
starken Fallen des Barometers eingetreten sein. Das leichte Gruben-
gas sammelt sich zunächst an der Grubendecke und mischt sich
dann allmählich durch Diffusion mit der atmosphärischen Luft, was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/552>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.