Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.aus Sibirien. Ehe ich diesen Brief schließe, will ich noch des Obern Wir passirten, nachdem wir von unsern alten Wir- Eilfter J 5
aus Sibirien. Ehe ich dieſen Brief ſchließe, will ich noch des Obern Wir paſſirten, nachdem wir von unſern alten Wir- Eilfter J 5
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aus Sibirien.
Ehe ich dieſen Brief ſchließe, will ich noch des Obern
oder Aelteſten in der Wolloſt, wo wir eben jetzt waren,
gedenken. Er war ein Mann von 87 Jahren, Namens
Sarembet, ſeine Frau von 81 Jahren, und alle beyde
friſch und munter. Mit zwey Weibern hatte er funfzehn
Kinder gezeugt, von welchen wiederum eine Menge
Kindeskinder entſproſſen waren; ſo daß dieſe einzige
nicht kleine Wolloſt aus einer Familie beſtand. Man
konnte den Alten nicht unrecht einen zweyten Patriarchen
Abraham nennen, er war reich an Kindern, Kindeskin-
dern, großen Heerden von Kameelen, Pferden, Schaa-
fen, Ziegen, Kuͤhen und Ochſen. Es fehlte dem Sa-
rembet weiter nichts, als beſſere Augen, die anfiengen
ſchwach zu werden. Dies iſt indeß eine Schwaͤche, die
allen alten Kirgiſen eigen iſt; im Winter, wo ihre Jur-
ten genauer verſchloſſen ſind, leiden die Augen vom
Rauch, und im Sommer vom Sonnenſchein auf der of-
fenen heißen Steppe.
Wir paſſirten, nachdem wir von unſern alten Wir-
then Abſchied genommen hatten, zwey neue hoͤlzerne
Grabhaͤuschen, und ſetzten dann unſern Weg weiter
uͤber duͤrre, meiſt Schieferberge und Steppe fort. Der
Chaſil-Taß blieb uns zur Rechten, und der Tuͤoͤ-
Moinock (Kameelhals), ein langer kahler Berg, zur
Linken. Das Nachtlager nahmen wir ohnfern des Ur-
ſprungs des Fluͤßchen Bugaß, wo ich noch vor Schla-
fengehen das Vergnuͤgen genoß, ein neues Cynogloſſum
(viridiflorum) zu entdecken. Jch habe die Ehre zu
ſeyn ꝛc.
Eilfter
J 5
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