Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.
Sievers Briefe Pfähle befestiget, die ohngefähr 4 Faden von einanderentfernt standen. Jn der Mitte dieser Entfernung befan- den sich drey oben zusammengebundene Prügel an welchen das Weberblatt oder Kamm angebunden herabhieng, durch welches die Faden durchliefen: Uebrigens war der Weberstuhl die ganze Welt, ohne einen Webertritt zu haben. Auf dem schon gewebten Zeuge saß die Frau, indem sie mit der Spuhle arbeitete, und um diese durch- werfen zu können hatte sie zwey Brettchen vor und hinter den Kamm durch die Faden gesteckt um sie so von einan- der zu theilen. Das Zeug ist ohngefähr einer Spannen breit. Ueberhaupt sind die Kirgisinnen sehr geschickt in allerley Flechtwerk. So verfertigen sie, von wollenem Garn Bänder, Zäume, Gurten, Leitstränge, Binden u. s. w. auch verstehen sie sich auf Stickerey in ihrer Art ganz vortreflich. Funfzehnter Brief. Am Fuß des hohen Berges Sarratanden 1. August. Um die Flüsse zu sehen aus deren Vereinigung der den 29sten Jul. mit dem Lehrling, dem Dollmet- Som-
Sievers Briefe Pfaͤhle befeſtiget, die ohngefaͤhr 4 Faden von einanderentfernt ſtanden. Jn der Mitte dieſer Entfernung befan- den ſich drey oben zuſammengebundene Pruͤgel an welchen das Weberblatt oder Kamm angebunden herabhieng, durch welches die Faden durchliefen: Uebrigens war der Weberſtuhl die ganze Welt, ohne einen Webertritt zu haben. Auf dem ſchon gewebten Zeuge ſaß die Frau, indem ſie mit der Spuhle arbeitete, und um dieſe durch- werfen zu koͤnnen hatte ſie zwey Brettchen vor und hinter den Kamm durch die Faden geſteckt um ſie ſo von einan- der zu theilen. Das Zeug iſt ohngefaͤhr einer Spannen breit. Ueberhaupt ſind die Kirgiſinnen ſehr geſchickt in allerley Flechtwerk. So verfertigen ſie, von wollenem Garn Baͤnder, Zaͤume, Gurten, Leitſtraͤnge, Binden u. ſ. w. auch verſtehen ſie ſich auf Stickerey in ihrer Art ganz vortreflich. Funfzehnter Brief. Am Fuß des hohen Berges Sarratanden 1. Auguſt. Um die Fluͤſſe zu ſehen aus deren Vereinigung der den 29ſten Jul. mit dem Lehrling, dem Dollmet- Som-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sievers Briefe</hi></fw><lb/> Pfaͤhle befeſtiget, die ohngefaͤhr 4 Faden von einander<lb/> entfernt ſtanden. Jn der Mitte dieſer Entfernung befan-<lb/> den ſich drey oben zuſammengebundene Pruͤgel an welchen<lb/> das Weberblatt oder Kamm angebunden herabhieng,<lb/> durch welches die Faden durchliefen: Uebrigens war der<lb/> Weberſtuhl die ganze Welt, ohne einen Webertritt zu<lb/> haben. Auf dem ſchon gewebten Zeuge ſaß die Frau,<lb/> indem ſie mit der Spuhle arbeitete, und um dieſe durch-<lb/> werfen zu koͤnnen hatte ſie zwey Brettchen vor und hinter<lb/> den Kamm durch die Faden geſteckt um ſie ſo von einan-<lb/> der zu theilen. Das Zeug iſt ohngefaͤhr einer Spannen<lb/> breit. Ueberhaupt ſind die Kirgiſinnen ſehr geſchickt in<lb/> allerley Flechtwerk. So verfertigen ſie, von wollenem<lb/> Garn Baͤnder, Zaͤume, Gurten, Leitſtraͤnge, Binden<lb/> u. ſ. w. auch verſtehen ſie ſich auf Stickerey in ihrer Art<lb/> ganz vortreflich.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#fr">Funfzehnter Brief.</hi> </head><lb/> <dateline> <hi rendition="#et">Am Fuß des hohen Berges Sarratan<lb/> den 1. Auguſt.</hi> </dateline><lb/> <p>Um die Fluͤſſe zu ſehen aus deren Vereinigung der<lb/> Jrtiſch entſteht und die in jenen Gebirgen wachſende<lb/> Rhabarber zu unterſuchen, machte ich mich heute</p><lb/> <p>den 29ſten Jul. mit dem Lehrling, dem Dollmet-<lb/> ſcher, dem Kaufmann und einem Anverwandten des<lb/><hi rendition="#fr">Sanduͤck</hi> auf die Reiſe nach NO. zu. Wir verfolgten<lb/> einige Zeit den Weg, den die Chineſen paſſiren, wenn<lb/> ſie im Herbſt von den vorhin erwaͤhnten ſogenannten<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Som-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0208]
Sievers Briefe
Pfaͤhle befeſtiget, die ohngefaͤhr 4 Faden von einander
entfernt ſtanden. Jn der Mitte dieſer Entfernung befan-
den ſich drey oben zuſammengebundene Pruͤgel an welchen
das Weberblatt oder Kamm angebunden herabhieng,
durch welches die Faden durchliefen: Uebrigens war der
Weberſtuhl die ganze Welt, ohne einen Webertritt zu
haben. Auf dem ſchon gewebten Zeuge ſaß die Frau,
indem ſie mit der Spuhle arbeitete, und um dieſe durch-
werfen zu koͤnnen hatte ſie zwey Brettchen vor und hinter
den Kamm durch die Faden geſteckt um ſie ſo von einan-
der zu theilen. Das Zeug iſt ohngefaͤhr einer Spannen
breit. Ueberhaupt ſind die Kirgiſinnen ſehr geſchickt in
allerley Flechtwerk. So verfertigen ſie, von wollenem
Garn Baͤnder, Zaͤume, Gurten, Leitſtraͤnge, Binden
u. ſ. w. auch verſtehen ſie ſich auf Stickerey in ihrer Art
ganz vortreflich.
Funfzehnter Brief.
Am Fuß des hohen Berges Sarratan
den 1. Auguſt.
Um die Fluͤſſe zu ſehen aus deren Vereinigung der
Jrtiſch entſteht und die in jenen Gebirgen wachſende
Rhabarber zu unterſuchen, machte ich mich heute
den 29ſten Jul. mit dem Lehrling, dem Dollmet-
ſcher, dem Kaufmann und einem Anverwandten des
Sanduͤck auf die Reiſe nach NO. zu. Wir verfolgten
einige Zeit den Weg, den die Chineſen paſſiren, wenn
ſie im Herbſt von den vorhin erwaͤhnten ſogenannten
Som-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/208 |
| Zitationshilfe: | Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/208>, abgerufen am 24.11.2024. |
