Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.Sievers Briefe Fichten und Tannen ausgenommen. Auf und an diesemschönen Berge prangten besonders und machten ein herr- liches Colorit Aquilegia (alpina) grandiflora, Viola al- taica, Trollius asiaticus, Cnicus asiaticus, Sophora lu- pinoidi affinis, Bupleurum ranunculoides, ein ganz blaurothes Allium Schoenoprasum? Bartsia gymnandra, die wohl ein eigenes Geschlecht auszumachen verdient, und in den Felsritzen wächst; Lepidium alpinum, Saxi- fraga petraea, Cucubalus. Oben auf dem Gipfel, wo hin und wieder der Granit in verwitternden Aggregaten wie Ruinen aussehend, zu Tage auskeilte, hatte ich eine über alle Beschreibung gehende, vortrefliche Uebersicht der ganzen Gegend. Nur in Nord und Nord Osten be- gränzte sie der vorher gedachte höchste, ganz nackte Berg- rücken des eigentlichen Altai. Dieser war höher noch wie mein stolzer abgerundeter Saratau. Jene hohe, mit Schnee bedeckte Felsenmauer, dampfte an vielen Stellen und gebahr, bey dem hellesten Wetter, vor mei- nen Augen hellscheinendes Gewölke. Der Altai geht östlich fort, indem er dem von Süden herkommenden Tarabagatai ein Ende macht. Der Kurtschum entsprang zu meinen Füßen und rann schnellfließend vor- bey. Jn Osten sahe ich den nicht großen Marchaküll, aus welchem der Hauptquell des Galdschirwasch kömmt. Wandte ich von diesem See mein Gesicht wei- ter Südöstlich, so sch ich die fünf Flüsse aus welchen der obere Jrtisch entsteht, nemlich der Kurtisch, Kar- tisch, Buurtshun, Chawa, und Galdschirwasch. Noch einer, der Jsultshuck, fällt schon unterhalb jener Vevei-
Sievers Briefe Fichten und Tannen ausgenommen. Auf und an dieſemſchoͤnen Berge prangten beſonders und machten ein herr- liches Colorit Aquilegia (alpina) grandiflora, Viola al- taica, Trollius aſiaticus, Cnicus aſiaticus, Sophora lu- pinoidi affinis, Bupleurum ranunculoides, ein ganz blaurothes Allium Schoenopraſum? Bartſia gymnandra, die wohl ein eigenes Geſchlecht auszumachen verdient, und in den Felsritzen waͤchſt; Lepidium alpinum, Saxi- fraga petraea, Cucubalus. Oben auf dem Gipfel, wo hin und wieder der Granit in verwitternden Aggregaten wie Ruinen ausſehend, zu Tage auskeilte, hatte ich eine uͤber alle Beſchreibung gehende, vortrefliche Ueberſicht der ganzen Gegend. Nur in Nord und Nord Oſten be- graͤnzte ſie der vorher gedachte hoͤchſte, ganz nackte Berg- ruͤcken des eigentlichen Altai. Dieſer war hoͤher noch wie mein ſtolzer abgerundeter Saratau. Jene hohe, mit Schnee bedeckte Felſenmauer, dampfte an vielen Stellen und gebahr, bey dem helleſten Wetter, vor mei- nen Augen hellſcheinendes Gewoͤlke. Der Altai geht oͤſtlich fort, indem er dem von Suͤden herkommenden Tarabagatai ein Ende macht. Der Kurtſchum entſprang zu meinen Fuͤßen und rann ſchnellfließend vor- bey. Jn Oſten ſahe ich den nicht großen Marchakuͤll, aus welchem der Hauptquell des Galdſchirwaſch koͤmmt. Wandte ich von dieſem See mein Geſicht wei- ter Suͤdoͤſtlich, ſo ſch ich die fuͤnf Fluͤſſe aus welchen der obere Jrtiſch entſteht, nemlich der Kurtiſch, Kar- tiſch, Buurtſhun, Chawa, und Galdſchirwaſch. Noch einer, der Jſultſhuck, faͤllt ſchon unterhalb jener Vevei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="206"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sievers Briefe</hi></fw><lb/> Fichten und Tannen ausgenommen. Auf und an dieſem<lb/> ſchoͤnen Berge prangten beſonders und machten ein herr-<lb/> liches Colorit <hi rendition="#aq">Aquilegia (alpina) grandiflora, Viola al-<lb/> taica, Trollius aſiaticus, Cnicus aſiaticus, Sophora lu-<lb/> pinoidi affinis, Bupleurum ranunculoides,</hi> ein ganz<lb/> blaurothes <hi rendition="#aq">Allium Schoenopraſum? Bartſia gymnandra,</hi><lb/> die wohl ein eigenes Geſchlecht auszumachen verdient,<lb/> und in den Felsritzen waͤchſt; <hi rendition="#aq">Lepidium alpinum, Saxi-<lb/> fraga petraea, Cucubalus.</hi> Oben auf dem Gipfel, wo<lb/> hin und wieder der Granit in verwitternden Aggregaten<lb/> wie Ruinen ausſehend, zu Tage auskeilte, hatte ich eine<lb/> uͤber alle Beſchreibung gehende, vortrefliche Ueberſicht<lb/> der ganzen Gegend. Nur in Nord und Nord Oſten be-<lb/> graͤnzte ſie der vorher gedachte hoͤchſte, ganz nackte Berg-<lb/> ruͤcken des eigentlichen Altai. Dieſer war hoͤher noch<lb/> wie mein ſtolzer abgerundeter <hi rendition="#fr">Saratau.</hi> Jene hohe,<lb/> mit Schnee bedeckte Felſenmauer, dampfte an vielen<lb/> Stellen und gebahr, bey dem helleſten Wetter, vor mei-<lb/> nen Augen hellſcheinendes Gewoͤlke. Der Altai geht<lb/> oͤſtlich fort, indem er dem von Suͤden herkommenden<lb/><hi rendition="#fr">Tarabagatai</hi> ein Ende macht. Der <hi rendition="#fr">Kurtſchum</hi><lb/> entſprang zu meinen Fuͤßen und rann ſchnellfließend vor-<lb/> bey. Jn Oſten ſahe ich den nicht großen <hi rendition="#fr">Marchakuͤll,</hi><lb/> aus welchem der Hauptquell des <hi rendition="#fr">Galdſchirwaſch</hi><lb/> koͤmmt. Wandte ich von dieſem See mein Geſicht wei-<lb/> ter Suͤdoͤſtlich, ſo ſch ich die fuͤnf Fluͤſſe aus welchen der<lb/> obere Jrtiſch entſteht, nemlich der <hi rendition="#fr">Kurtiſch, Kar-<lb/> tiſch, Buurtſhun, Chawa,</hi> und <hi rendition="#fr">Galdſchirwaſch.</hi><lb/> Noch einer, der <hi rendition="#fr">Jſultſhuck,</hi> faͤllt ſchon unterhalb jener<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Vevei-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0214]
Sievers Briefe
Fichten und Tannen ausgenommen. Auf und an dieſem
ſchoͤnen Berge prangten beſonders und machten ein herr-
liches Colorit Aquilegia (alpina) grandiflora, Viola al-
taica, Trollius aſiaticus, Cnicus aſiaticus, Sophora lu-
pinoidi affinis, Bupleurum ranunculoides, ein ganz
blaurothes Allium Schoenopraſum? Bartſia gymnandra,
die wohl ein eigenes Geſchlecht auszumachen verdient,
und in den Felsritzen waͤchſt; Lepidium alpinum, Saxi-
fraga petraea, Cucubalus. Oben auf dem Gipfel, wo
hin und wieder der Granit in verwitternden Aggregaten
wie Ruinen ausſehend, zu Tage auskeilte, hatte ich eine
uͤber alle Beſchreibung gehende, vortrefliche Ueberſicht
der ganzen Gegend. Nur in Nord und Nord Oſten be-
graͤnzte ſie der vorher gedachte hoͤchſte, ganz nackte Berg-
ruͤcken des eigentlichen Altai. Dieſer war hoͤher noch
wie mein ſtolzer abgerundeter Saratau. Jene hohe,
mit Schnee bedeckte Felſenmauer, dampfte an vielen
Stellen und gebahr, bey dem helleſten Wetter, vor mei-
nen Augen hellſcheinendes Gewoͤlke. Der Altai geht
oͤſtlich fort, indem er dem von Suͤden herkommenden
Tarabagatai ein Ende macht. Der Kurtſchum
entſprang zu meinen Fuͤßen und rann ſchnellfließend vor-
bey. Jn Oſten ſahe ich den nicht großen Marchakuͤll,
aus welchem der Hauptquell des Galdſchirwaſch
koͤmmt. Wandte ich von dieſem See mein Geſicht wei-
ter Suͤdoͤſtlich, ſo ſch ich die fuͤnf Fluͤſſe aus welchen der
obere Jrtiſch entſteht, nemlich der Kurtiſch, Kar-
tiſch, Buurtſhun, Chawa, und Galdſchirwaſch.
Noch einer, der Jſultſhuck, faͤllt ſchon unterhalb jener
Vevei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |