sondern man soll sie abwechselnd fest ver- halten, dann aber langsam und fast unmerk- lich wieder nachlassen und auf diese Art verhüten, dass das Gefühl in den Kinn- laden ganz erstirbt. Selten wird ein Pferd von Natur aus stark in die Hand gehen; es gibt solche von besonders feurigem Tem- perament und welche daher, besonders wenn sie in Gesellschaft mit anderen Pferden gehen, hart in die Zügel drängen, aber ge- wöhnlich ist dies doch nur eine Folge der schlechten Zügelführung, der sie beim Ein- fahren ausgesetzt waren.
Ein Pferd darf sich durch Geschirr und Zäumung nicht im mindesten beengt und ge- hindert fühlen, wenn es seine beste Leistung zu Wege bringen soll. Wird es irgendwie ge- drückt oder genirt, so geht es unter genau so ungünstigen Bedingungen zum Start, als wäre es krank oder steif. Man sieht manch- mal Pferde aus dem Stalle auf die Renn- bahn bringen, welche einerseits einen fest- angezogenen Aufsatzzügel haben, um ihren Kopf hoch zu halten und andererseits wieder einen eben so fest angezogenen Martingal, um den Kopf herunterzuziehen. Ein so ge- schirrtes Pferd hat nicht den mindesten Spielraum für seine Bewegung und geht
sondern man soll sie abwechselnd fest ver- halten, dann aber langsam und fast unmerk- lich wieder nachlassen und auf diese Art verhüten, dass das Gefühl in den Kinn- laden ganz erstirbt. Selten wird ein Pferd von Natur aus stark in die Hand gehen; es gibt solche von besonders feurigem Tem- perament und welche daher, besonders wenn sie in Gesellschaft mit anderen Pferden gehen, hart in die Zügel drängen, aber ge- wöhnlich ist dies doch nur eine Folge der schlechten Zügelführung, der sie beim Ein- fahren ausgesetzt waren.
Ein Pferd darf sich durch Geschirr und Zäumung nicht im mindesten beengt und ge- hindert fühlen, wenn es seine beste Leistung zu Wege bringen soll. Wird es irgendwie ge- drückt oder genirt, so geht es unter genau so ungünstigen Bedingungen zum Start, als wäre es krank oder steif. Man sieht manch- mal Pferde aus dem Stalle auf die Renn- bahn bringen, welche einerseits einen fest- angezogenen Aufsatzzügel haben, um ihren Kopf hoch zu halten und andererseits wieder einen eben so fest angezogenen Martingal, um den Kopf herunterzuziehen. Ein so ge- schirrtes Pferd hat nicht den mindesten Spielraum für seine Bewegung und geht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0159"n="143"/>
sondern man soll sie abwechselnd fest ver-<lb/>
halten, dann aber langsam und fast unmerk-<lb/>
lich wieder nachlassen und auf diese Art<lb/>
verhüten, dass das Gefühl in den Kinn-<lb/>
laden ganz erstirbt. Selten wird ein Pferd<lb/>
von Natur aus stark in die Hand gehen;<lb/>
es gibt solche von besonders feurigem Tem-<lb/>
perament und welche daher, besonders wenn<lb/>
sie in Gesellschaft mit anderen Pferden<lb/>
gehen, hart in die Zügel drängen, aber ge-<lb/>
wöhnlich ist dies doch nur eine Folge der<lb/>
schlechten Zügelführung, der sie beim Ein-<lb/>
fahren ausgesetzt waren.</p><lb/><p>Ein Pferd darf sich durch Geschirr und<lb/>
Zäumung nicht im mindesten beengt und ge-<lb/>
hindert fühlen, wenn es seine beste Leistung zu<lb/>
Wege bringen soll. Wird es irgendwie ge-<lb/>
drückt oder genirt, so geht es unter genau<lb/>
so ungünstigen Bedingungen zum Start, als<lb/>
wäre es krank oder steif. Man sieht manch-<lb/>
mal Pferde aus dem Stalle auf die Renn-<lb/>
bahn bringen, welche einerseits einen fest-<lb/>
angezogenen Aufsatzzügel haben, um ihren<lb/>
Kopf hoch zu halten und andererseits wieder<lb/>
einen eben so fest angezogenen Martingal,<lb/>
um den Kopf herunterzuziehen. Ein so ge-<lb/>
schirrtes Pferd hat nicht den mindesten<lb/>
Spielraum für seine Bewegung und geht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[143/0159]
sondern man soll sie abwechselnd fest ver-
halten, dann aber langsam und fast unmerk-
lich wieder nachlassen und auf diese Art
verhüten, dass das Gefühl in den Kinn-
laden ganz erstirbt. Selten wird ein Pferd
von Natur aus stark in die Hand gehen;
es gibt solche von besonders feurigem Tem-
perament und welche daher, besonders wenn
sie in Gesellschaft mit anderen Pferden
gehen, hart in die Zügel drängen, aber ge-
wöhnlich ist dies doch nur eine Folge der
schlechten Zügelführung, der sie beim Ein-
fahren ausgesetzt waren.
Ein Pferd darf sich durch Geschirr und
Zäumung nicht im mindesten beengt und ge-
hindert fühlen, wenn es seine beste Leistung zu
Wege bringen soll. Wird es irgendwie ge-
drückt oder genirt, so geht es unter genau
so ungünstigen Bedingungen zum Start, als
wäre es krank oder steif. Man sieht manch-
mal Pferde aus dem Stalle auf die Renn-
bahn bringen, welche einerseits einen fest-
angezogenen Aufsatzzügel haben, um ihren
Kopf hoch zu halten und andererseits wieder
einen eben so fest angezogenen Martingal,
um den Kopf herunterzuziehen. Ein so ge-
schirrtes Pferd hat nicht den mindesten
Spielraum für seine Bewegung und geht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ernst, George: Das Training des Trabers. Wien, 1883, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silberer_traber_1883/159>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.