hat in ihm die reinste Darstellung gefunden, es ist die Greifbarkeit des Abstraktesten, das Einzelgebilde, das am meisten seinen Sinn in der Übereinzelheit hat; und so der adäquate Ausdruck für das Ver- hältnis des Menschen zur Welt, die dieser immer nur in einem Kon- kreten und Singulären ergreifen kann, die er aber doch nur wirklich ergreift, wenn dieses ihm zum Körper des lebendigen, geistigen Prozesses wird, der alles Einzelne ineinander verwebt und so erst aus ihm die Wirklichkeit schafft. Diese Bedeutung seiner würde sich nicht ändern, auch wenn die Gegenstände der Wirtschaft die Relativität ihres Wertes nicht von vornherein, sondern erst als ein Entwicklungs- ziel besässen. Denn den Begriff, mit dem wir das Wesen einer Er- scheinung definieren, können wir häufig gar nicht aus ihr selbst, sondern nur aus einer vorgeschritteneren und reineren schöpfen. Das Wesen der Sprache werden wir nicht den ersten Stammellauten des Kindes ent- nehmen; an einer Definition des tierischen Lebens wird es uns nicht irre machen, wenn sie an den Übergangswesen von der Pflanze her [n]ur sehr unvollkommen verwirklicht ist; erst an den höchsten Er- scheinungen des Seelenlebens erkennen wir oft den Sinn seiner nie- deren, trotzdem wir ihn an den letzteren selbst vielleicht gar nicht nachweisen können; ja, der reine Begriff einer Erscheinungsreihe ist oft ein Ideal, das in ihr selbst nirgends restlos verwirklicht ist, aber dennoch dadurch, dass sie ihm zustrebt, ihren Sinn und Gehalt gültig deutet. So ist die Bedeutung des Geldes: die Relativität der begehrten Dinge, durch die sie zu wirtschaftlichen Werten werden, in sich darzustellen -- dadurch nicht verneint, dass es noch andere, jene herabsetzende und verundeutlichende Seiten besitzt. Insofern diese an ihm wirken, ist es eben nicht Geld. Wenn der wirtschaftliche Wert in dem Tauschverhältnis von Objekten gemäss unserer subjektiven Reaktion auf sie besteht, so entwickelt sich eben ihre wirtschaftliche Relativität erst allmählich aus ihrer anderweitigen Bedeutung und kann in ihrem Gesamtbilde, oder auch Gesamtwerte, nie völlig über diese Herr werden. Der Wert, der den Dingen durch ihre Tauschbarkeit zuwächst, bezw. diese Metamorphose ihres Wertes, durch die er zu einem wirtschaftlichen wird, tritt zwar mit der exten- siven und intensiven Steigerung der Wirtschaft immer reiner und mächtiger an den Dingen hervor -- eine Thatsache, die Marx als das Ausgeschaltetwerden des Gebrauchswertes zu Gunsten des Tauschwertes in der warenproduzierenden Gesellschaft ausdrückt -- aber diese Entwicklung scheint nie zu ihrer Vollendung kommen zu können. Nur das Geld, seinem reinen Begriff nach, hat diesen äussersten Punkt erreicht, es ist nichts als die reine Form der Tauschbarkeit, es ver-
hat in ihm die reinste Darstellung gefunden, es ist die Greifbarkeit des Abstraktesten, das Einzelgebilde, das am meisten seinen Sinn in der Übereinzelheit hat; und so der adäquate Ausdruck für das Ver- hältnis des Menschen zur Welt, die dieser immer nur in einem Kon- kreten und Singulären ergreifen kann, die er aber doch nur wirklich ergreift, wenn dieses ihm zum Körper des lebendigen, geistigen Prozesses wird, der alles Einzelne ineinander verwebt und so erst aus ihm die Wirklichkeit schafft. Diese Bedeutung seiner würde sich nicht ändern, auch wenn die Gegenstände der Wirtschaft die Relativität ihres Wertes nicht von vornherein, sondern erst als ein Entwicklungs- ziel besäſsen. Denn den Begriff, mit dem wir das Wesen einer Er- scheinung definieren, können wir häufig gar nicht aus ihr selbst, sondern nur aus einer vorgeschritteneren und reineren schöpfen. Das Wesen der Sprache werden wir nicht den ersten Stammellauten des Kindes ent- nehmen; an einer Definition des tierischen Lebens wird es uns nicht irre machen, wenn sie an den Übergangswesen von der Pflanze her [n]ur sehr unvollkommen verwirklicht ist; erst an den höchsten Er- scheinungen des Seelenlebens erkennen wir oft den Sinn seiner nie- deren, trotzdem wir ihn an den letzteren selbst vielleicht gar nicht nachweisen können; ja, der reine Begriff einer Erscheinungsreihe ist oft ein Ideal, das in ihr selbst nirgends restlos verwirklicht ist, aber dennoch dadurch, daſs sie ihm zustrebt, ihren Sinn und Gehalt gültig deutet. So ist die Bedeutung des Geldes: die Relativität der begehrten Dinge, durch die sie zu wirtschaftlichen Werten werden, in sich darzustellen — dadurch nicht verneint, daſs es noch andere, jene herabsetzende und verundeutlichende Seiten besitzt. Insofern diese an ihm wirken, ist es eben nicht Geld. Wenn der wirtschaftliche Wert in dem Tauschverhältnis von Objekten gemäſs unserer subjektiven Reaktion auf sie besteht, so entwickelt sich eben ihre wirtschaftliche Relativität erst allmählich aus ihrer anderweitigen Bedeutung und kann in ihrem Gesamtbilde, oder auch Gesamtwerte, nie völlig über diese Herr werden. Der Wert, der den Dingen durch ihre Tauschbarkeit zuwächst, bezw. diese Metamorphose ihres Wertes, durch die er zu einem wirtschaftlichen wird, tritt zwar mit der exten- siven und intensiven Steigerung der Wirtschaft immer reiner und mächtiger an den Dingen hervor — eine Thatsache, die Marx als das Ausgeschaltetwerden des Gebrauchswertes zu Gunsten des Tauschwertes in der warenproduzierenden Gesellschaft ausdrückt — aber diese Entwicklung scheint nie zu ihrer Vollendung kommen zu können. Nur das Geld, seinem reinen Begriff nach, hat diesen äuſsersten Punkt erreicht, es ist nichts als die reine Form der Tauschbarkeit, es ver-
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[86/0110]
hat in ihm die reinste Darstellung gefunden, es ist die Greifbarkeit
des Abstraktesten, das Einzelgebilde, das am meisten seinen Sinn in
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hältnis des Menschen zur Welt, die dieser immer nur in einem Kon-
kreten und Singulären ergreifen kann, die er aber doch nur wirklich
ergreift, wenn dieses ihm zum Körper des lebendigen, geistigen
Prozesses wird, der alles Einzelne ineinander verwebt und so erst
aus ihm die Wirklichkeit schafft. Diese Bedeutung seiner würde sich
nicht ändern, auch wenn die Gegenstände der Wirtschaft die Relativität
ihres Wertes nicht von vornherein, sondern erst als ein Entwicklungs-
ziel besäſsen. Denn den Begriff, mit dem wir das Wesen einer Er-
scheinung definieren, können wir häufig gar nicht aus ihr selbst, sondern
nur aus einer vorgeschritteneren und reineren schöpfen. Das Wesen der
Sprache werden wir nicht den ersten Stammellauten des Kindes ent-
nehmen; an einer Definition des tierischen Lebens wird es uns nicht
irre machen, wenn sie an den Übergangswesen von der Pflanze her
nur sehr unvollkommen verwirklicht ist; erst an den höchsten Er-
scheinungen des Seelenlebens erkennen wir oft den Sinn seiner nie-
deren, trotzdem wir ihn an den letzteren selbst vielleicht gar nicht
nachweisen können; ja, der reine Begriff einer Erscheinungsreihe
ist oft ein Ideal, das in ihr selbst nirgends restlos verwirklicht ist,
aber dennoch dadurch, daſs sie ihm zustrebt, ihren Sinn und Gehalt
gültig deutet. So ist die Bedeutung des Geldes: die Relativität der
begehrten Dinge, durch die sie zu wirtschaftlichen Werten werden,
in sich darzustellen — dadurch nicht verneint, daſs es noch andere,
jene herabsetzende und verundeutlichende Seiten besitzt. Insofern diese
an ihm wirken, ist es eben nicht Geld. Wenn der wirtschaftliche
Wert in dem Tauschverhältnis von Objekten gemäſs unserer subjektiven
Reaktion auf sie besteht, so entwickelt sich eben ihre wirtschaftliche
Relativität erst allmählich aus ihrer anderweitigen Bedeutung und
kann in ihrem Gesamtbilde, oder auch Gesamtwerte, nie völlig
über diese Herr werden. Der Wert, der den Dingen durch ihre
Tauschbarkeit zuwächst, bezw. diese Metamorphose ihres Wertes,
durch die er zu einem wirtschaftlichen wird, tritt zwar mit der exten-
siven und intensiven Steigerung der Wirtschaft immer reiner und
mächtiger an den Dingen hervor — eine Thatsache, die Marx als das
Ausgeschaltetwerden des Gebrauchswertes zu Gunsten des Tauschwertes
in der warenproduzierenden Gesellschaft ausdrückt — aber diese
Entwicklung scheint nie zu ihrer Vollendung kommen zu können.
Nur das Geld, seinem reinen Begriff nach, hat diesen äuſsersten Punkt
erreicht, es ist nichts als die reine Form der Tauschbarkeit, es ver-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/110>, abgerufen am 23.11.2024.
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