Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre
Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände-
rungen der äusseren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate
treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewussten Empfindungen
messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des
anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen
die Grössen des einen die relativen Grössen des anderen, ohne dass
irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu
existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das
die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines
eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig:
vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn
sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur
durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen
kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung,
eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden
soll, da genügt es, dass die Proportionen der messenden Substanzen
sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen,
ohne dass zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit
zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich
setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen
zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte
m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut
nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so dass unmittelbar keine von ihnen
zum Massstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be-
stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik,
oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst
sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiss, dass es
1/4 m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur
weiss, dass es irgend ein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine
Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n
entspricht, so folgt daraus, dass b gleich 1/4 n sein muss. Trotz aller
Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches
zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen
nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem
gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf-
nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiss kein
Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, dass
gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann
ich demnach unmittelbar bestimmen, dass dieses verfügbare Quantum
gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt

keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre
Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände-
rungen der äuſseren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate
treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewuſsten Empfindungen
messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des
anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen
die Gröſsen des einen die relativen Gröſsen des anderen, ohne daſs
irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu
existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das
die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines
eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig:
vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn
sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur
durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen
kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung,
eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden
soll, da genügt es, daſs die Proportionen der messenden Substanzen
sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen,
ohne daſs zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit
zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich
setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen
zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte
m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut
nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so daſs unmittelbar keine von ihnen
zum Maſsstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be-
stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik,
oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst
sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiſs, daſs es
¼ m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur
weiſs, daſs es irgend ein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine
Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n
entspricht, so folgt daraus, daſs b gleich ¼ n sein muſs. Trotz aller
Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches
zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen
nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem
gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf-
nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiſs kein
Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, daſs
gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann
ich demnach unmittelbar bestimmen, daſs dieses verfügbare Quantum
gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0114" n="90"/>
keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre<lb/>
Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände-<lb/>
rungen der äu&#x017F;seren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate<lb/>
treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewu&#x017F;sten Empfindungen<lb/>
messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des<lb/>
anderen Faktors ein <hi rendition="#g">konstantes Verhältnis</hi> besteht, bestimmen<lb/>
die Grö&#x017F;sen des einen die relativen Grö&#x017F;sen des anderen, ohne da&#x017F;s<lb/>
irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu<lb/>
existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das<lb/>
die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines<lb/>
eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig:<lb/>
vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn<lb/>
sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur<lb/>
durch <hi rendition="#g">unmittelbare</hi> Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen<lb/>
kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung,<lb/>
eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden<lb/>
soll, da genügt es, da&#x017F;s die <hi rendition="#g">Proportionen</hi> der messenden Substanzen<lb/>
sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen,<lb/>
ohne da&#x017F;s zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit<lb/>
zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei <hi rendition="#g">Dinge</hi> gleich<lb/>
setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei <hi rendition="#g">Proportionen</hi><lb/>
zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte<lb/>
m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut<lb/>
nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so da&#x017F;s unmittelbar keine von ihnen<lb/>
zum Ma&#x017F;sstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be-<lb/>
stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik,<lb/>
oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst<lb/>
sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich wei&#x017F;s, da&#x017F;s es<lb/>
¼ m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur<lb/>
wei&#x017F;s, da&#x017F;s es <hi rendition="#g">irgend ein</hi> Teilquantum von n ist. Wenn nun eine<lb/>
Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n<lb/>
entspricht, so folgt daraus, da&#x017F;s b gleich ¼ n sein mu&#x017F;s. Trotz aller<lb/>
Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches<lb/>
zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen<lb/>
nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem<lb/>
gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf-<lb/>
nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewi&#x017F;s kein<lb/>
Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, da&#x017F;s<lb/>
gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann<lb/>
ich demnach unmittelbar bestimmen, da&#x017F;s dieses verfügbare Quantum<lb/>
gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0114] keinen Punkt entdecken lassen, der allgemein überzeugend als ihre Einheit gälte. Dennoch kann der Psychophysiker nach den Ände- rungen der äuſseren Bewegungen, die als Reize unsere Sinnesapparate treffen, die relativen Stärkeänderungen der bewuſsten Empfindungen messen. Indem also zwischen den Quanten des einen und denen des anderen Faktors ein konstantes Verhältnis besteht, bestimmen die Gröſsen des einen die relativen Gröſsen des anderen, ohne daſs irgend eine qualitative Beziehung oder Gleichheit zwischen ihnen zu existieren braucht. Damit ist das logische Prinzip durchbrochen, das die Fähigkeit des Geldes, Werte zu messen, von der Thatsache seines eigenen Wertes abhängig zu machen schien. Das ist freilich richtig: vergleichen kann man die Quanten verschiedener Objekte nur, wenn sie von einer und derselben Qualität sind; wo also das Messen nur durch unmittelbare Gleichung zwischen zwei Quanten geschehen kann, da setzt es Qualitätsgleichheit voraus. Wo aber eine Änderung, eine Differenz oder das Verhältnis je zweier Quanten gemessen werden soll, da genügt es, daſs die Proportionen der messenden Substanzen sich in denen der gemessenen spiegeln, um diese völlig zu bestimmen, ohne daſs zwischen den Substanzen selbst irgend eine Wesensgleichheit zu bestehen brauchte. Es lassen sich also nicht zwei Dinge gleich setzen, die qualitativ verschieden sind, wohl aber zwei Proportionen zwischen je zwei qualitativ verschiedenen Dingen. Die beiden Objekte m und n mögen in irgend einer Beziehung stehen, die aber absolut nicht die der Qualitätsgleichheit ist, so daſs unmittelbar keine von ihnen zum Maſsstab für die andere dienen kann; die zwischen ihnen be- stehende Beziehung mag die der Ursache und Wirkung, oder der Symbolik, oder des gemeinsamen Verhältnisses zu einem dritten oder was sonst sein. Es sei nun das Objekt a gegeben, von dem ich weiſs, daſs es ¼ m ist; es sei ferner das Objekt b gegeben, von dem man nur weiſs, daſs es irgend ein Teilquantum von n ist. Wenn nun eine Beziehung zwischen a und b entsteht, welche der zwischen m und n entspricht, so folgt daraus, daſs b gleich ¼ n sein muſs. Trotz aller Qualitätsungleichheit und Unmöglichkeit eines direkten Vergleiches zwischen a und b ist es so doch möglich, die Quantität des einen nach der des anderen zu bestimmen. So besteht z. B. zwischen einem gewissen Quantum von Speisen und dem momentanen Nahrungsbedürf- nis, zu dessen völliger Stillung es ausreichen würde, gewiſs kein Gleichungsverhältnis; allein wenn so viel Speisen gegeben sind, daſs gerade die Hälfte jenes Bedürfnisses dadurch befriedigt wird, so kann ich demnach unmittelbar bestimmen, daſs dieses verfügbare Quantum gleich der Hälfte jenes ersteren ist. Unter solchen Umständen genügt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/114
Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/114>, abgerufen am 23.11.2024.