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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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schliesslich von den Zwecken abhängt, die wir uns setzen -- so ist von
vornherein in keiner Weise auszumachen, welches denn nun jene
unmittelbar dringlichen und den Geldcharakter anzunehmen geneigten
Werte eigentlich sind; nur dass sich der letztere ursprünglich an solche
geknüpft hat, die durch ihre empfundene Notwendigkeit eine besondere
Häufigkeit des Austausches gegen die Mannigfaltigkeit anderer Dinge
aufwiesen, scheint mir eine unumgängliche Annahme. Weder als
Tauschmittel noch als Wertmesser hätte es entstehen können, wenn es
nicht seinem Stoffe nach als unmittelbar wertvoll empfunden
worden wäre.

Vergleichen wir damit den jetzigen Zustand, so ist unzweifelhaft,
dass das Geld für uns nicht mehr deshalb wertvoll ist, weil sein Stoff
als unmittelbar notwendig, als ein unentbehrlicher Wert vorgestellt
würde. Kein Mensch europäischer Kultur findet heute ein Geldstück
wertvoll, weil sich ein Schmuckgegenstand daraus herstellen liesse. Und
schon deshalb kann der heutige Geldwert nicht auf seinen Metall-
wert zurückgehen, weil das Edelmetall jetzt in viel zu grossen Quanti-
täten vorhanden ist, um bloss zu Schmuck- und technischen Zwecken
noch lohnende Verwendung zu finden. Denkt man sich, wie es in der
Konsequenz der Metallwerttheorie liegt, einen solchen Übergang als
vollzogen, so würde dies eine derartige Plethora von Gegenständen aus
Edelmetall erzeugen, dass der Wert derselben auf ein Minimum sinken
müsste. Dass man das Geld also auf seine mögliche Umsetzung in
sonstige Metallobjekte wertet, ist grade nur unter der Bedingung
möglich, dass diese Umsetzung nicht oder nur in ganz verschwindendem
Masse erfolge. So sehr also auch am Anfang der Entwicklung, d. h.
bei einem sehr geringen Bestande von Edelmetallen, ihre Verwendung
als Schmuck ihren Geldwert bestimmt haben möge, so verschwindet
diese Beziehung doch in dem Masse ihrer gesteigerten Produktion.
Diese Entwicklung wird noch dadurch unterstützt, dass der primitive
Mensch, wie ich hervorhob, es zwar für eine vitale Notwendigkeit hält,
sich in einer bestimmten Weise zu schmücken, dass aber die spätere
Ausbildung der Wertskalen dieses Interesse thatsächlich in die Kate-
gorie des "Entbehrlichen" oder "Überflüssigen" einreiht. Der Schmuck
spielt im modernen Kulturleben absolut nicht mehr die soziale Rolle,
die wir mit Staunen in den ethnologischen, aber auch noch in mittel-
alterlichen Berichten finden. Auch dieser Umstand muss dazu dienen,
die Bedeutung des Geldes, die es seinem Material verdankt, herab-
zudrücken. Man kann sagen, dass der Wert des Geldes immer mehr
von seinem terminus a quo auf seinen terminus ad quem übergeht,
und dass so das Metallgeld, in Bezug auf die psychologische Vergleich-

schlieſslich von den Zwecken abhängt, die wir uns setzen — so ist von
vornherein in keiner Weise auszumachen, welches denn nun jene
unmittelbar dringlichen und den Geldcharakter anzunehmen geneigten
Werte eigentlich sind; nur daſs sich der letztere ursprünglich an solche
geknüpft hat, die durch ihre empfundene Notwendigkeit eine besondere
Häufigkeit des Austausches gegen die Mannigfaltigkeit anderer Dinge
aufwiesen, scheint mir eine unumgängliche Annahme. Weder als
Tauschmittel noch als Wertmesser hätte es entstehen können, wenn es
nicht seinem Stoffe nach als unmittelbar wertvoll empfunden
worden wäre.

Vergleichen wir damit den jetzigen Zustand, so ist unzweifelhaft,
daſs das Geld für uns nicht mehr deshalb wertvoll ist, weil sein Stoff
als unmittelbar notwendig, als ein unentbehrlicher Wert vorgestellt
würde. Kein Mensch europäischer Kultur findet heute ein Geldstück
wertvoll, weil sich ein Schmuckgegenstand daraus herstellen lieſse. Und
schon deshalb kann der heutige Geldwert nicht auf seinen Metall-
wert zurückgehen, weil das Edelmetall jetzt in viel zu groſsen Quanti-
täten vorhanden ist, um bloſs zu Schmuck- und technischen Zwecken
noch lohnende Verwendung zu finden. Denkt man sich, wie es in der
Konsequenz der Metallwerttheorie liegt, einen solchen Übergang als
vollzogen, so würde dies eine derartige Plethora von Gegenständen aus
Edelmetall erzeugen, daſs der Wert derselben auf ein Minimum sinken
müſste. Daſs man das Geld also auf seine mögliche Umsetzung in
sonstige Metallobjekte wertet, ist grade nur unter der Bedingung
möglich, daſs diese Umsetzung nicht oder nur in ganz verschwindendem
Maſse erfolge. So sehr also auch am Anfang der Entwicklung, d. h.
bei einem sehr geringen Bestande von Edelmetallen, ihre Verwendung
als Schmuck ihren Geldwert bestimmt haben möge, so verschwindet
diese Beziehung doch in dem Maſse ihrer gesteigerten Produktion.
Diese Entwicklung wird noch dadurch unterstützt, daſs der primitive
Mensch, wie ich hervorhob, es zwar für eine vitale Notwendigkeit hält,
sich in einer bestimmten Weise zu schmücken, daſs aber die spätere
Ausbildung der Wertskalen dieses Interesse thatsächlich in die Kate-
gorie des „Entbehrlichen“ oder „Überflüssigen“ einreiht. Der Schmuck
spielt im modernen Kulturleben absolut nicht mehr die soziale Rolle,
die wir mit Staunen in den ethnologischen, aber auch noch in mittel-
alterlichen Berichten finden. Auch dieser Umstand muſs dazu dienen,
die Bedeutung des Geldes, die es seinem Material verdankt, herab-
zudrücken. Man kann sagen, daſs der Wert des Geldes immer mehr
von seinem terminus a quo auf seinen terminus ad quem übergeht,
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[103/0127] schlieſslich von den Zwecken abhängt, die wir uns setzen — so ist von vornherein in keiner Weise auszumachen, welches denn nun jene unmittelbar dringlichen und den Geldcharakter anzunehmen geneigten Werte eigentlich sind; nur daſs sich der letztere ursprünglich an solche geknüpft hat, die durch ihre empfundene Notwendigkeit eine besondere Häufigkeit des Austausches gegen die Mannigfaltigkeit anderer Dinge aufwiesen, scheint mir eine unumgängliche Annahme. Weder als Tauschmittel noch als Wertmesser hätte es entstehen können, wenn es nicht seinem Stoffe nach als unmittelbar wertvoll empfunden worden wäre. Vergleichen wir damit den jetzigen Zustand, so ist unzweifelhaft, daſs das Geld für uns nicht mehr deshalb wertvoll ist, weil sein Stoff als unmittelbar notwendig, als ein unentbehrlicher Wert vorgestellt würde. Kein Mensch europäischer Kultur findet heute ein Geldstück wertvoll, weil sich ein Schmuckgegenstand daraus herstellen lieſse. Und schon deshalb kann der heutige Geldwert nicht auf seinen Metall- wert zurückgehen, weil das Edelmetall jetzt in viel zu groſsen Quanti- täten vorhanden ist, um bloſs zu Schmuck- und technischen Zwecken noch lohnende Verwendung zu finden. Denkt man sich, wie es in der Konsequenz der Metallwerttheorie liegt, einen solchen Übergang als vollzogen, so würde dies eine derartige Plethora von Gegenständen aus Edelmetall erzeugen, daſs der Wert derselben auf ein Minimum sinken müſste. Daſs man das Geld also auf seine mögliche Umsetzung in sonstige Metallobjekte wertet, ist grade nur unter der Bedingung möglich, daſs diese Umsetzung nicht oder nur in ganz verschwindendem Maſse erfolge. So sehr also auch am Anfang der Entwicklung, d. h. bei einem sehr geringen Bestande von Edelmetallen, ihre Verwendung als Schmuck ihren Geldwert bestimmt haben möge, so verschwindet diese Beziehung doch in dem Maſse ihrer gesteigerten Produktion. Diese Entwicklung wird noch dadurch unterstützt, daſs der primitive Mensch, wie ich hervorhob, es zwar für eine vitale Notwendigkeit hält, sich in einer bestimmten Weise zu schmücken, daſs aber die spätere Ausbildung der Wertskalen dieses Interesse thatsächlich in die Kate- gorie des „Entbehrlichen“ oder „Überflüssigen“ einreiht. Der Schmuck spielt im modernen Kulturleben absolut nicht mehr die soziale Rolle, die wir mit Staunen in den ethnologischen, aber auch noch in mittel- alterlichen Berichten finden. Auch dieser Umstand muſs dazu dienen, die Bedeutung des Geldes, die es seinem Material verdankt, herab- zudrücken. Man kann sagen, daſs der Wert des Geldes immer mehr von seinem terminus a quo auf seinen terminus ad quem übergeht, und daſs so das Metallgeld, in Bezug auf die psychologische Vergleich-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/127>, abgerufen am 27.11.2024.