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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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nenden Übergang von dem qualitativ bestimmbaren zu dem quantitativ
symbolischen Ausdruck bietet ein Bericht aus dem alten Russland.
Dort hätten zuerst Marderfelle als Tauschmittel gegolten. Im Laufe
des Verkehrs aber hätte die Grösse und die Schönheit der einzelnen
Felle allen Einfluss auf ihre Tauschkraft verloren, jedes hätte schlecht-
weg nur für eines und jedem anderen gleiches gegolten. Die daraus
folgende alleinige Bedeutung ihrer Zahl hätte bewirkt, dass, als der
Verkehr sich steigerte, man einfach die Zipfel der Felle als Geld ver-
wendete, bis schliesslich Lederstückchen, die wahrscheinlich von der
Regierung gestempelt wurden, als Tauschmittel kursierten. Hier ist
es sehr deutlich, wie die Reduzierung auf den rein quantitativen Ge-
sichtspunkt die Symbolisierung des Wertes trägt, auf der erst die
ganz reine Verwirklichung des Geldes ruht.

Mit der Wirksamkeit solcher sekundären Symbole -- wie man sie
im Unterschied gegen die primitive und unmittelbare Symbolistik naiver
Geisteszustände nennen kann -- ist offenbar die Bedeutung des Intellekts
für die Lebensführung ausserordentlich gesteigert. Sobald das Leben
nicht mehr zwischen sinnlichen Einzelheiten verläuft, sondern sich durch
Abstraktionen, Durchschnitte, Zusammenfassungen bestimmen lässt, so
wird insbesondere in den Beziehungen der Menschen untereinander
der schnellere und genauere Vollzug der Abstraktionsprozesse einen
erheblichen Vorsprung verleihen. Wenn da, wo in roheren Zeiten die
öffentliche Ordnung nur durch physische Gewalt hergestellt werden
konnte, heute das blosse Erscheinen eines Beamten dazu gehört; wenn
die blosse Namensunterschrift uns äusserlich und innerlich bedingungs-
los bindet; wenn unter feinfühligen Menschen ein leise andeutendes
Wort oder eine Miene hinreicht, ihr Verhältnis dauernd festzustellen,
das sich unter tieferstehenden erst auf lange Auseinandersetzungen
oder praktische Handlungsweisen hin ergiebt; wenn man uns durch eine
Berechnung auf dem Papiere zu Opfern bringen kann, die dem Unver-
ständigen nur durch die reale Einwirkung der betreffenden Faktoren
abgezwungen werden -- so ist diese Bedeutung symbolischer Dinge
und Thaten offenbar nur bei sehr gesteigerter Intellektualität möglich,
nur bei dem Vorhandensein einer so selbständigen geistigen Kraft,
dass sie des Eintretens unmittelbarer Einzelheiten nicht bedarf.

Ich habe dies ausgeführt, um die Einordnung des Geldes auch in
diese Strömung der Kultur einleuchtend zu machen. Das immer
wirkungsvoller werdende Prinzip der Ersparnis an Kräften und Sub-
stanzen führt zu immer ausgedehnterem Verfahren mit Vertretungen
und Symbolen, welche mit demjenigen, was sie vertreten, gar keine
inhaltliche Verwandtschaft haben; so dass es durchaus in derselben

Simmel, Philosophie des Geldes. 8

nenden Übergang von dem qualitativ bestimmbaren zu dem quantitativ
symbolischen Ausdruck bietet ein Bericht aus dem alten Ruſsland.
Dort hätten zuerst Marderfelle als Tauschmittel gegolten. Im Laufe
des Verkehrs aber hätte die Gröſse und die Schönheit der einzelnen
Felle allen Einfluſs auf ihre Tauschkraft verloren, jedes hätte schlecht-
weg nur für eines und jedem anderen gleiches gegolten. Die daraus
folgende alleinige Bedeutung ihrer Zahl hätte bewirkt, daſs, als der
Verkehr sich steigerte, man einfach die Zipfel der Felle als Geld ver-
wendete, bis schlieſslich Lederstückchen, die wahrscheinlich von der
Regierung gestempelt wurden, als Tauschmittel kursierten. Hier ist
es sehr deutlich, wie die Reduzierung auf den rein quantitativen Ge-
sichtspunkt die Symbolisierung des Wertes trägt, auf der erst die
ganz reine Verwirklichung des Geldes ruht.

Mit der Wirksamkeit solcher sekundären Symbole — wie man sie
im Unterschied gegen die primitive und unmittelbare Symbolistik naiver
Geisteszustände nennen kann — ist offenbar die Bedeutung des Intellekts
für die Lebensführung auſserordentlich gesteigert. Sobald das Leben
nicht mehr zwischen sinnlichen Einzelheiten verläuft, sondern sich durch
Abstraktionen, Durchschnitte, Zusammenfassungen bestimmen läſst, so
wird insbesondere in den Beziehungen der Menschen untereinander
der schnellere und genauere Vollzug der Abstraktionsprozesse einen
erheblichen Vorsprung verleihen. Wenn da, wo in roheren Zeiten die
öffentliche Ordnung nur durch physische Gewalt hergestellt werden
konnte, heute das bloſse Erscheinen eines Beamten dazu gehört; wenn
die bloſse Namensunterschrift uns äuſserlich und innerlich bedingungs-
los bindet; wenn unter feinfühligen Menschen ein leise andeutendes
Wort oder eine Miene hinreicht, ihr Verhältnis dauernd festzustellen,
das sich unter tieferstehenden erst auf lange Auseinandersetzungen
oder praktische Handlungsweisen hin ergiebt; wenn man uns durch eine
Berechnung auf dem Papiere zu Opfern bringen kann, die dem Unver-
ständigen nur durch die reale Einwirkung der betreffenden Faktoren
abgezwungen werden — so ist diese Bedeutung symbolischer Dinge
und Thaten offenbar nur bei sehr gesteigerter Intellektualität möglich,
nur bei dem Vorhandensein einer so selbständigen geistigen Kraft,
daſs sie des Eintretens unmittelbarer Einzelheiten nicht bedarf.

Ich habe dies ausgeführt, um die Einordnung des Geldes auch in
diese Strömung der Kultur einleuchtend zu machen. Das immer
wirkungsvoller werdende Prinzip der Ersparnis an Kräften und Sub-
stanzen führt zu immer ausgedehnterem Verfahren mit Vertretungen
und Symbolen, welche mit demjenigen, was sie vertreten, gar keine
inhaltliche Verwandtschaft haben; so daſs es durchaus in derselben

Simmel, Philosophie des Geldes. 8
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[113/0137] nenden Übergang von dem qualitativ bestimmbaren zu dem quantitativ symbolischen Ausdruck bietet ein Bericht aus dem alten Ruſsland. Dort hätten zuerst Marderfelle als Tauschmittel gegolten. Im Laufe des Verkehrs aber hätte die Gröſse und die Schönheit der einzelnen Felle allen Einfluſs auf ihre Tauschkraft verloren, jedes hätte schlecht- weg nur für eines und jedem anderen gleiches gegolten. Die daraus folgende alleinige Bedeutung ihrer Zahl hätte bewirkt, daſs, als der Verkehr sich steigerte, man einfach die Zipfel der Felle als Geld ver- wendete, bis schlieſslich Lederstückchen, die wahrscheinlich von der Regierung gestempelt wurden, als Tauschmittel kursierten. Hier ist es sehr deutlich, wie die Reduzierung auf den rein quantitativen Ge- sichtspunkt die Symbolisierung des Wertes trägt, auf der erst die ganz reine Verwirklichung des Geldes ruht. Mit der Wirksamkeit solcher sekundären Symbole — wie man sie im Unterschied gegen die primitive und unmittelbare Symbolistik naiver Geisteszustände nennen kann — ist offenbar die Bedeutung des Intellekts für die Lebensführung auſserordentlich gesteigert. Sobald das Leben nicht mehr zwischen sinnlichen Einzelheiten verläuft, sondern sich durch Abstraktionen, Durchschnitte, Zusammenfassungen bestimmen läſst, so wird insbesondere in den Beziehungen der Menschen untereinander der schnellere und genauere Vollzug der Abstraktionsprozesse einen erheblichen Vorsprung verleihen. Wenn da, wo in roheren Zeiten die öffentliche Ordnung nur durch physische Gewalt hergestellt werden konnte, heute das bloſse Erscheinen eines Beamten dazu gehört; wenn die bloſse Namensunterschrift uns äuſserlich und innerlich bedingungs- los bindet; wenn unter feinfühligen Menschen ein leise andeutendes Wort oder eine Miene hinreicht, ihr Verhältnis dauernd festzustellen, das sich unter tieferstehenden erst auf lange Auseinandersetzungen oder praktische Handlungsweisen hin ergiebt; wenn man uns durch eine Berechnung auf dem Papiere zu Opfern bringen kann, die dem Unver- ständigen nur durch die reale Einwirkung der betreffenden Faktoren abgezwungen werden — so ist diese Bedeutung symbolischer Dinge und Thaten offenbar nur bei sehr gesteigerter Intellektualität möglich, nur bei dem Vorhandensein einer so selbständigen geistigen Kraft, daſs sie des Eintretens unmittelbarer Einzelheiten nicht bedarf. Ich habe dies ausgeführt, um die Einordnung des Geldes auch in diese Strömung der Kultur einleuchtend zu machen. Das immer wirkungsvoller werdende Prinzip der Ersparnis an Kräften und Sub- stanzen führt zu immer ausgedehnterem Verfahren mit Vertretungen und Symbolen, welche mit demjenigen, was sie vertreten, gar keine inhaltliche Verwandtschaft haben; so daſs es durchaus in derselben Simmel, Philosophie des Geldes. 8

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/137>, abgerufen am 23.11.2024.