doch von diesen etwas auf sie zurück, wenigstens als blasser Schatten jenes leuchtenden Reiches des Absoluten hatte sie teil an ihm und gewann auf diesem Umwege schliesslich doch noch eine Bedeutsamkeit, die ihr an und für sich versagt war. Dieses Verhältnis findet nun thatsächlich eine Wiederholung oder Bestätigung im Gebiete der Werte. Die Wirklichkeit der Dinge, wie sie vor dem bloss erkennenden Geiste steht, weiss -- so stellten wir am Anfang dieser Untersuchungen fest -- nichts von Werten; sie rollt in jener gleichgültigen Gesetzmässigkeit ab, die so oft das Edelste vernichtet und das Niedrigste konserviert, weil sie eben nicht nach Rangordnungen, Interessen und Werten ver- fährt. Dieses natürliche objektive Sein unterstellen wir nun einer Hierarchie der Werte, wir schaffen eine Gliederung innerhalb seiner nach gut und schlecht, edel und gering, kostbar und wertlos -- eine Gliederung, von der jenes Sein selbst in seiner greifbaren Wirklich- keit gar nicht berührt wird, von der ihm aber doch alle Bedeutung kommt, die es für uns haben kann und die wir, bei aller Klarheit über ihren menschlichen Ursprung, doch in vollem Gegensatz zu aller blossen Laune und subjektivem Belieben empfinden. Der Wert der Dinge -- der ethische wie der eudämonistische, der religiöse wie der ästhetische --, schwebt über ihnen, wie die platonischen Ideen über der Welt: wesensfremd und eigentlich unberührbar, ein nach eigenen inneren Normen verwaltetes Reich, das aber doch jenem anderen sein Relief und seine Farben zuteilt. Der ökonomische Wert entsteht nun in Ableitung von jenen primären, unmittelbar empfundenen Werten, indem die Gegenstände derselben, insoweit sie austauschbar sind, gegen einander abgewogen werden. Innerhalb dieses Gebietes aber, gleich- viel wie es sich konstituiert hat, nimmt der ökonomische Wert dieselbe eigenartige Stellung zu den einzelnen Objekten ein, die dem Wert überhaupt zukommt: es ist eine Welt für sich, die die Konkretheit der Objekte nach eigenen, in diesen selbst nicht gelegenen Normen gliedert und rangiert; die Dinge, nach ihrem ökonomischen Werte geordnet und verzweigt, bilden einen ganz anderen Kosmos, als ihre natur- gesetzliche, unmittelbare Realität es thut. Wenn das Geld nun wirk- lich nichts wäre, als der Ausdruck für den Wert der Dinge ausser ihm, so würde es sich zu diesen verhalten wie die Idee, die sich Plato ja auch substanziell, als metaphysisches Wesen vorstellt, zu der empirischen Wirklichkeit. Seine Bewegungen: Ausgleichungen, Häufungen, Ab- flüsse -- würden unmittelbar die Wertverhältnisse der Dinge darstellen. Die Welt der Werte, die über der wirklichen Welt, scheinbar zu- sammenhangslos und doch so unbedingt beherrschend, schwebt, würde im Geld die "reine Form" ihrer Darstellung gefunden haben. Und
doch von diesen etwas auf sie zurück, wenigstens als blasser Schatten jenes leuchtenden Reiches des Absoluten hatte sie teil an ihm und gewann auf diesem Umwege schlieſslich doch noch eine Bedeutsamkeit, die ihr an und für sich versagt war. Dieses Verhältnis findet nun thatsächlich eine Wiederholung oder Bestätigung im Gebiete der Werte. Die Wirklichkeit der Dinge, wie sie vor dem bloſs erkennenden Geiste steht, weiſs — so stellten wir am Anfang dieser Untersuchungen fest — nichts von Werten; sie rollt in jener gleichgültigen Gesetzmäſsigkeit ab, die so oft das Edelste vernichtet und das Niedrigste konserviert, weil sie eben nicht nach Rangordnungen, Interessen und Werten ver- fährt. Dieses natürliche objektive Sein unterstellen wir nun einer Hierarchie der Werte, wir schaffen eine Gliederung innerhalb seiner nach gut und schlecht, edel und gering, kostbar und wertlos — eine Gliederung, von der jenes Sein selbst in seiner greifbaren Wirklich- keit gar nicht berührt wird, von der ihm aber doch alle Bedeutung kommt, die es für uns haben kann und die wir, bei aller Klarheit über ihren menschlichen Ursprung, doch in vollem Gegensatz zu aller bloſsen Laune und subjektivem Belieben empfinden. Der Wert der Dinge — der ethische wie der eudämonistische, der religiöse wie der ästhetische —, schwebt über ihnen, wie die platonischen Ideen über der Welt: wesensfremd und eigentlich unberührbar, ein nach eigenen inneren Normen verwaltetes Reich, das aber doch jenem anderen sein Relief und seine Farben zuteilt. Der ökonomische Wert entsteht nun in Ableitung von jenen primären, unmittelbar empfundenen Werten, indem die Gegenstände derselben, insoweit sie austauschbar sind, gegen einander abgewogen werden. Innerhalb dieses Gebietes aber, gleich- viel wie es sich konstituiert hat, nimmt der ökonomische Wert dieselbe eigenartige Stellung zu den einzelnen Objekten ein, die dem Wert überhaupt zukommt: es ist eine Welt für sich, die die Konkretheit der Objekte nach eigenen, in diesen selbst nicht gelegenen Normen gliedert und rangiert; die Dinge, nach ihrem ökonomischen Werte geordnet und verzweigt, bilden einen ganz anderen Kosmos, als ihre natur- gesetzliche, unmittelbare Realität es thut. Wenn das Geld nun wirk- lich nichts wäre, als der Ausdruck für den Wert der Dinge auſser ihm, so würde es sich zu diesen verhalten wie die Idee, die sich Plato ja auch substanziell, als metaphysisches Wesen vorstellt, zu der empirischen Wirklichkeit. Seine Bewegungen: Ausgleichungen, Häufungen, Ab- flüsse — würden unmittelbar die Wertverhältnisse der Dinge darstellen. Die Welt der Werte, die über der wirklichen Welt, scheinbar zu- sammenhangslos und doch so unbedingt beherrschend, schwebt, würde im Geld die „reine Form“ ihrer Darstellung gefunden haben. Und
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doch von diesen etwas auf sie zurück, wenigstens als blasser Schatten
jenes leuchtenden Reiches des Absoluten hatte sie teil an ihm und
gewann auf diesem Umwege schlieſslich doch noch eine Bedeutsamkeit,
die ihr an und für sich versagt war. Dieses Verhältnis findet nun
thatsächlich eine Wiederholung oder Bestätigung im Gebiete der Werte.
Die Wirklichkeit der Dinge, wie sie vor dem bloſs erkennenden Geiste
steht, weiſs — so stellten wir am Anfang dieser Untersuchungen fest —
nichts von Werten; sie rollt in jener gleichgültigen Gesetzmäſsigkeit
ab, die so oft das Edelste vernichtet und das Niedrigste konserviert,
weil sie eben nicht nach Rangordnungen, Interessen und Werten ver-
fährt. Dieses natürliche objektive Sein unterstellen wir nun einer
Hierarchie der Werte, wir schaffen eine Gliederung innerhalb seiner
nach gut und schlecht, edel und gering, kostbar und wertlos — eine
Gliederung, von der jenes Sein selbst in seiner greifbaren Wirklich-
keit gar nicht berührt wird, von der ihm aber doch alle Bedeutung
kommt, die es für uns haben kann und die wir, bei aller Klarheit
über ihren menschlichen Ursprung, doch in vollem Gegensatz zu aller
bloſsen Laune und subjektivem Belieben empfinden. Der Wert der
Dinge — der ethische wie der eudämonistische, der religiöse wie der
ästhetische —, schwebt über ihnen, wie die platonischen Ideen über
der Welt: wesensfremd und eigentlich unberührbar, ein nach eigenen
inneren Normen verwaltetes Reich, das aber doch jenem anderen sein
Relief und seine Farben zuteilt. Der ökonomische Wert entsteht nun
in Ableitung von jenen primären, unmittelbar empfundenen Werten,
indem die Gegenstände derselben, insoweit sie austauschbar sind, gegen
einander abgewogen werden. Innerhalb dieses Gebietes aber, gleich-
viel wie es sich konstituiert hat, nimmt der ökonomische Wert dieselbe
eigenartige Stellung zu den einzelnen Objekten ein, die dem Wert
überhaupt zukommt: es ist eine Welt für sich, die die Konkretheit der
Objekte nach eigenen, in diesen selbst nicht gelegenen Normen gliedert
und rangiert; die Dinge, nach ihrem ökonomischen Werte geordnet
und verzweigt, bilden einen ganz anderen Kosmos, als ihre natur-
gesetzliche, unmittelbare Realität es thut. Wenn das Geld nun wirk-
lich nichts wäre, als der Ausdruck für den Wert der Dinge auſser ihm,
so würde es sich zu diesen verhalten wie die Idee, die sich Plato ja
auch substanziell, als metaphysisches Wesen vorstellt, zu der empirischen
Wirklichkeit. Seine Bewegungen: Ausgleichungen, Häufungen, Ab-
flüsse — würden unmittelbar die Wertverhältnisse der Dinge darstellen.
Die Welt der Werte, die über der wirklichen Welt, scheinbar zu-
sammenhangslos und doch so unbedingt beherrschend, schwebt, würde
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/145>, abgerufen am 27.11.2024.
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