dieses zu mildern, die Freiheit dieses durch die Gebundenheit jener zu begrenzen und in eine Bestimmtheit des Gesamterfolges einzustellen. Die Garantie für die Weiterverwertbarkeit des Geldes, die der Herrscher oder Vertreter der Gesamtheit durch die Prägung des Metallstücks oder den Aufdruck auf das Papier übernimmt, ist die Eskomptierung der ungeheuren Wahrscheinlichkeit, dass jeder Einzelne, trotz seiner Freiheit das Geld zurückzuweisen, es nehmen wird.
Dies sind die Zusammenhänge, aus denen heraus bemerkt worden ist, dass, je grösser ein Kreis ist, in dem ein Geld gelten soll, die Währung um so höherwertiger sein muss. Innerhalb einer Gruppe von lokaler Begrenztheit mag ein minderwertiges Geld zirkulieren. So schon in der primitivsten Kultur: in Darfur zirkulieren inner- halb jedes Distrikts lokale Tauschmittel: Hacken, Tabak, Baum- wollknäule u. s. w.; die höhere Währung aber ist allen gemeinsam: der Bekleidungsstoff, das Rind, der Sklave. Es kommt vor, dass das Papiergeld eines Staates sogar provinziell beschränkt ist: in der Türkei wurden 1853 Noten ausgegeben, die nur in Konstantinopel gelten sollten. Ganz kleine und eng liierte Gesellschaften verständigen sich gelegentlich darüber, irgend ein beliebiges Symbol -- bis zur Spiel- marke -- als Geld anzusehen. Die Erweiterung der Handelsbeziehungen aber verlangt hochwertiges Geld, schon weil die notwendigen Versen- dungen desselben auf weite Strecken die Konzentration seines Wertes auf einen möglichst geringen Umfang zweckmässig machen; so dass ebenso die historischen Weltreiche wie die Handelsstaaten mit weit- ausgreifenden Verkehrskreisen immer zu einem Geld von relativ hohem Substanzwert hingedrängt worden sind. Hierfür wird von gewissen Erscheinungen auch der Beweis aus dem Gegenteil geliefert. Der wesentliche Vorteil der mittelalterlichen Münzprivilegien bestand darin, dass der Münzherr in seinem Gebiete jederzeit neue Pfennige schlagen und den Umtausch aller alten oder fremden, die zu Handelsgeschäften in dies Gebiet kamen, gegen die neuen erzwingen konnte; er profitierte also bei jeder Verschlechterung seiner Münze die Differenz zwischen ihr und der eingetauschten besseren. Allein wie sich zeigte, war dieser Nutzen dadurch bedingt, dass der Bezirk des Münzherrn ein relativ grosser war. Für ganz kleine Bezirke lohnte sich das Münzprivileg nicht, weil der Markt für ihre Münzen ein zu beschränkter war, so dass bei dem unsäglichen Leichtsinn, mit dem man jedem Kloster und jeder kleinen Stadt ein Prägerecht verlieh, das Münzunheil in Deutschland noch viel ärger geworden wäre, wenn nicht der Nutzen der Münzver- schlechterung an eine gewisse Grösse des Bezirks gebunden wäre. Grade also, weil der grössere Kreis seiner sozialwirtschaftlichen Struktur
dieses zu mildern, die Freiheit dieses durch die Gebundenheit jener zu begrenzen und in eine Bestimmtheit des Gesamterfolges einzustellen. Die Garantie für die Weiterverwertbarkeit des Geldes, die der Herrscher oder Vertreter der Gesamtheit durch die Prägung des Metallstücks oder den Aufdruck auf das Papier übernimmt, ist die Eskomptierung der ungeheuren Wahrscheinlichkeit, daſs jeder Einzelne, trotz seiner Freiheit das Geld zurückzuweisen, es nehmen wird.
Dies sind die Zusammenhänge, aus denen heraus bemerkt worden ist, daſs, je gröſser ein Kreis ist, in dem ein Geld gelten soll, die Währung um so höherwertiger sein muſs. Innerhalb einer Gruppe von lokaler Begrenztheit mag ein minderwertiges Geld zirkulieren. So schon in der primitivsten Kultur: in Darfur zirkulieren inner- halb jedes Distrikts lokale Tauschmittel: Hacken, Tabak, Baum- wollknäule u. s. w.; die höhere Währung aber ist allen gemeinsam: der Bekleidungsstoff, das Rind, der Sklave. Es kommt vor, daſs das Papiergeld eines Staates sogar provinziell beschränkt ist: in der Türkei wurden 1853 Noten ausgegeben, die nur in Konstantinopel gelten sollten. Ganz kleine und eng liierte Gesellschaften verständigen sich gelegentlich darüber, irgend ein beliebiges Symbol — bis zur Spiel- marke — als Geld anzusehen. Die Erweiterung der Handelsbeziehungen aber verlangt hochwertiges Geld, schon weil die notwendigen Versen- dungen desselben auf weite Strecken die Konzentration seines Wertes auf einen möglichst geringen Umfang zweckmäſsig machen; so daſs ebenso die historischen Weltreiche wie die Handelsstaaten mit weit- ausgreifenden Verkehrskreisen immer zu einem Geld von relativ hohem Substanzwert hingedrängt worden sind. Hierfür wird von gewissen Erscheinungen auch der Beweis aus dem Gegenteil geliefert. Der wesentliche Vorteil der mittelalterlichen Münzprivilegien bestand darin, daſs der Münzherr in seinem Gebiete jederzeit neue Pfennige schlagen und den Umtausch aller alten oder fremden, die zu Handelsgeschäften in dies Gebiet kamen, gegen die neuen erzwingen konnte; er profitierte also bei jeder Verschlechterung seiner Münze die Differenz zwischen ihr und der eingetauschten besseren. Allein wie sich zeigte, war dieser Nutzen dadurch bedingt, daſs der Bezirk des Münzherrn ein relativ groſser war. Für ganz kleine Bezirke lohnte sich das Münzprivileg nicht, weil der Markt für ihre Münzen ein zu beschränkter war, so daſs bei dem unsäglichen Leichtsinn, mit dem man jedem Kloster und jeder kleinen Stadt ein Prägerecht verlieh, das Münzunheil in Deutschland noch viel ärger geworden wäre, wenn nicht der Nutzen der Münzver- schlechterung an eine gewisse Gröſse des Bezirks gebunden wäre. Grade also, weil der gröſsere Kreis seiner sozialwirtschaftlichen Struktur
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[152/0176]
dieses zu mildern, die Freiheit dieses durch die Gebundenheit jener
zu begrenzen und in eine Bestimmtheit des Gesamterfolges einzustellen.
Die Garantie für die Weiterverwertbarkeit des Geldes, die der Herrscher
oder Vertreter der Gesamtheit durch die Prägung des Metallstücks oder
den Aufdruck auf das Papier übernimmt, ist die Eskomptierung der
ungeheuren Wahrscheinlichkeit, daſs jeder Einzelne, trotz seiner Freiheit
das Geld zurückzuweisen, es nehmen wird.
Dies sind die Zusammenhänge, aus denen heraus bemerkt worden
ist, daſs, je gröſser ein Kreis ist, in dem ein Geld gelten soll, die
Währung um so höherwertiger sein muſs. Innerhalb einer Gruppe
von lokaler Begrenztheit mag ein minderwertiges Geld zirkulieren.
So schon in der primitivsten Kultur: in Darfur zirkulieren inner-
halb jedes Distrikts lokale Tauschmittel: Hacken, Tabak, Baum-
wollknäule u. s. w.; die höhere Währung aber ist allen gemeinsam:
der Bekleidungsstoff, das Rind, der Sklave. Es kommt vor, daſs das
Papiergeld eines Staates sogar provinziell beschränkt ist: in der Türkei
wurden 1853 Noten ausgegeben, die nur in Konstantinopel gelten
sollten. Ganz kleine und eng liierte Gesellschaften verständigen sich
gelegentlich darüber, irgend ein beliebiges Symbol — bis zur Spiel-
marke — als Geld anzusehen. Die Erweiterung der Handelsbeziehungen
aber verlangt hochwertiges Geld, schon weil die notwendigen Versen-
dungen desselben auf weite Strecken die Konzentration seines Wertes
auf einen möglichst geringen Umfang zweckmäſsig machen; so daſs
ebenso die historischen Weltreiche wie die Handelsstaaten mit weit-
ausgreifenden Verkehrskreisen immer zu einem Geld von relativ hohem
Substanzwert hingedrängt worden sind. Hierfür wird von gewissen
Erscheinungen auch der Beweis aus dem Gegenteil geliefert. Der
wesentliche Vorteil der mittelalterlichen Münzprivilegien bestand darin,
daſs der Münzherr in seinem Gebiete jederzeit neue Pfennige schlagen
und den Umtausch aller alten oder fremden, die zu Handelsgeschäften
in dies Gebiet kamen, gegen die neuen erzwingen konnte; er profitierte
also bei jeder Verschlechterung seiner Münze die Differenz zwischen
ihr und der eingetauschten besseren. Allein wie sich zeigte, war dieser
Nutzen dadurch bedingt, daſs der Bezirk des Münzherrn ein relativ
groſser war. Für ganz kleine Bezirke lohnte sich das Münzprivileg
nicht, weil der Markt für ihre Münzen ein zu beschränkter war, so daſs
bei dem unsäglichen Leichtsinn, mit dem man jedem Kloster und jeder
kleinen Stadt ein Prägerecht verlieh, das Münzunheil in Deutschland
noch viel ärger geworden wäre, wenn nicht der Nutzen der Münzver-
schlechterung an eine gewisse Gröſse des Bezirks gebunden wäre.
Grade also, weil der gröſsere Kreis seiner sozialwirtschaftlichen Struktur
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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