Legierung, sei es durch Änderung des Münzfusses, entscheiden die Ge- setze bald so, dass die, nach dem neuen Münzfuss, entsprechende Summe, bald das gleiche Quantum Feingehalt, bald rein mechanisch der Nenn- wert der Schuld zu erstatten sei. Im ganzen also überwiegt die Vor- stellung, dass das Geld seinen Wert unverändert behalte. Nun ist diese Stabilität zwar auch an Naturalgegenständen, bei deren Ausleihe sie niemand bezweifelt, eine Fiktion: ein Zentner Kartoffeln, den man sich im Frühjahr leiht, um ihn später in natura wiederzugeben, kann dann viel mehr oder viel weniger wert sein. Allein hier kann man sich auf die unmittelbare Bedeutung des Gegenstandes zurückziehen: während der Tauschwert der Kartoffeln schwanken mag, bleibt ihr Sättigungs- und Nährwert genau der gleiche. Da nun aber das Geld keinen derartigen, sondern ausschliesslich Tauschwert hat, so ist die Voraussetzung seiner Stabilität eine um so auffallendere. Die Ent- wicklung wird zweckmässigerweise dahin streben, diese praktisch not- wendige Fiktion mehr und mehr zu bewahrheiten. Schon vom Edel- metallgeld hat man hervorgehoben, dass seine Beziehung zum Schmuck seiner Wertstabilität diene: denn da das Schmuckbedürfnis sehr elastisch sei, so nehme es bei Vermehrung des Metallvorrates sogleich ein grösseres Quantum desselben auf und verhindere dadurch einen zu starken Druck auf seinen Wert, während bei steigendem Bedürfnis nach Geld die Schmuckvorräte als Reservoir dienen, aus dem das er- forderliche Quantum zu entnehmen und die Preiserhöhung zu begrenzen sei. In der Fortsetzung dieser Tendenz aber scheint das Ziel zu liegen, die Geldsubstanz überhaupt auszuschalten. Denn selbst eine so ge- eignete wie das Edelmetall kann nicht ganz den Schwankungen ent- zogen werden, die aus seinen eigenen Bedingungen des Bedarfs, der Produktion, der Verarbeitung etc. hervorgehen und die bis zu einem ge- wissen Grade mit seinem Dienste als Tauschmittel und Ausdruck der relativen Warenwerte nichts zu thun haben. Die vollständige Sta- bilität des Geldes wäre erst erreichbar, wenn es überhaupt nichts mehr für sich wäre, sondern nur der reine Ausdruck des Wertverhältnisses zwischen den konkreten Gütern. Damit wäre es in eine Ruhelage ge- kommen, die sich durch die Schwankungen der Güter so wenig ver- ändert, wie der Meterstab durch die Verschiedenheit der realen Grössen, die er misst. Dann wäre auch der Wert, der ihm durch das Leisten dieses Dienstes zukäme, auf ein Maximum von Stabilität gelangt, weil so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sich viel genauer regu- lieren liesse als bei seiner Abhängigkeit von einer Substanz, deren Quantum unserem Willen nur unvollkommen unterliegt. Damit ist freilich nicht geleugnet, dass unter bestimmten historischen und psy-
Legierung, sei es durch Änderung des Münzfuſses, entscheiden die Ge- setze bald so, daſs die, nach dem neuen Münzfuſs, entsprechende Summe, bald das gleiche Quantum Feingehalt, bald rein mechanisch der Nenn- wert der Schuld zu erstatten sei. Im ganzen also überwiegt die Vor- stellung, daſs das Geld seinen Wert unverändert behalte. Nun ist diese Stabilität zwar auch an Naturalgegenständen, bei deren Ausleihe sie niemand bezweifelt, eine Fiktion: ein Zentner Kartoffeln, den man sich im Frühjahr leiht, um ihn später in natura wiederzugeben, kann dann viel mehr oder viel weniger wert sein. Allein hier kann man sich auf die unmittelbare Bedeutung des Gegenstandes zurückziehen: während der Tauschwert der Kartoffeln schwanken mag, bleibt ihr Sättigungs- und Nährwert genau der gleiche. Da nun aber das Geld keinen derartigen, sondern ausschlieſslich Tauschwert hat, so ist die Voraussetzung seiner Stabilität eine um so auffallendere. Die Ent- wicklung wird zweckmäſsigerweise dahin streben, diese praktisch not- wendige Fiktion mehr und mehr zu bewahrheiten. Schon vom Edel- metallgeld hat man hervorgehoben, daſs seine Beziehung zum Schmuck seiner Wertstabilität diene: denn da das Schmuckbedürfnis sehr elastisch sei, so nehme es bei Vermehrung des Metallvorrates sogleich ein gröſseres Quantum desselben auf und verhindere dadurch einen zu starken Druck auf seinen Wert, während bei steigendem Bedürfnis nach Geld die Schmuckvorräte als Reservoir dienen, aus dem das er- forderliche Quantum zu entnehmen und die Preiserhöhung zu begrenzen sei. In der Fortsetzung dieser Tendenz aber scheint das Ziel zu liegen, die Geldsubstanz überhaupt auszuschalten. Denn selbst eine so ge- eignete wie das Edelmetall kann nicht ganz den Schwankungen ent- zogen werden, die aus seinen eigenen Bedingungen des Bedarfs, der Produktion, der Verarbeitung etc. hervorgehen und die bis zu einem ge- wissen Grade mit seinem Dienste als Tauschmittel und Ausdruck der relativen Warenwerte nichts zu thun haben. Die vollständige Sta- bilität des Geldes wäre erst erreichbar, wenn es überhaupt nichts mehr für sich wäre, sondern nur der reine Ausdruck des Wertverhältnisses zwischen den konkreten Gütern. Damit wäre es in eine Ruhelage ge- kommen, die sich durch die Schwankungen der Güter so wenig ver- ändert, wie der Meterstab durch die Verschiedenheit der realen Gröſsen, die er miſst. Dann wäre auch der Wert, der ihm durch das Leisten dieses Dienstes zukäme, auf ein Maximum von Stabilität gelangt, weil so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sich viel genauer regu- lieren lieſse als bei seiner Abhängigkeit von einer Substanz, deren Quantum unserem Willen nur unvollkommen unterliegt. Damit ist freilich nicht geleugnet, daſs unter bestimmten historischen und psy-
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[165/0189]
Legierung, sei es durch Änderung des Münzfuſses, entscheiden die Ge-
setze bald so, daſs die, nach dem neuen Münzfuſs, entsprechende Summe,
bald das gleiche Quantum Feingehalt, bald rein mechanisch der Nenn-
wert der Schuld zu erstatten sei. Im ganzen also überwiegt die Vor-
stellung, daſs das Geld seinen Wert unverändert behalte. Nun ist
diese Stabilität zwar auch an Naturalgegenständen, bei deren Ausleihe
sie niemand bezweifelt, eine Fiktion: ein Zentner Kartoffeln, den man
sich im Frühjahr leiht, um ihn später in natura wiederzugeben, kann
dann viel mehr oder viel weniger wert sein. Allein hier kann man
sich auf die unmittelbare Bedeutung des Gegenstandes zurückziehen:
während der Tauschwert der Kartoffeln schwanken mag, bleibt ihr
Sättigungs- und Nährwert genau der gleiche. Da nun aber das Geld
keinen derartigen, sondern ausschlieſslich Tauschwert hat, so ist die
Voraussetzung seiner Stabilität eine um so auffallendere. Die Ent-
wicklung wird zweckmäſsigerweise dahin streben, diese praktisch not-
wendige Fiktion mehr und mehr zu bewahrheiten. Schon vom Edel-
metallgeld hat man hervorgehoben, daſs seine Beziehung zum Schmuck
seiner Wertstabilität diene: denn da das Schmuckbedürfnis sehr elastisch
sei, so nehme es bei Vermehrung des Metallvorrates sogleich ein
gröſseres Quantum desselben auf und verhindere dadurch einen zu
starken Druck auf seinen Wert, während bei steigendem Bedürfnis
nach Geld die Schmuckvorräte als Reservoir dienen, aus dem das er-
forderliche Quantum zu entnehmen und die Preiserhöhung zu begrenzen
sei. In der Fortsetzung dieser Tendenz aber scheint das Ziel zu liegen,
die Geldsubstanz überhaupt auszuschalten. Denn selbst eine so ge-
eignete wie das Edelmetall kann nicht ganz den Schwankungen ent-
zogen werden, die aus seinen eigenen Bedingungen des Bedarfs, der
Produktion, der Verarbeitung etc. hervorgehen und die bis zu einem ge-
wissen Grade mit seinem Dienste als Tauschmittel und Ausdruck der
relativen Warenwerte nichts zu thun haben. Die vollständige Sta-
bilität des Geldes wäre erst erreichbar, wenn es überhaupt nichts mehr
für sich wäre, sondern nur der reine Ausdruck des Wertverhältnisses
zwischen den konkreten Gütern. Damit wäre es in eine Ruhelage ge-
kommen, die sich durch die Schwankungen der Güter so wenig ver-
ändert, wie der Meterstab durch die Verschiedenheit der realen Gröſsen,
die er miſst. Dann wäre auch der Wert, der ihm durch das Leisten
dieses Dienstes zukäme, auf ein Maximum von Stabilität gelangt, weil
so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sich viel genauer regu-
lieren lieſse als bei seiner Abhängigkeit von einer Substanz, deren
Quantum unserem Willen nur unvollkommen unterliegt. Damit ist
freilich nicht geleugnet, daſs unter bestimmten historischen und psy-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/189>, abgerufen am 24.11.2024.
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