und als sei ihm damit ungefähr so viel genommen wie einem Menschen mit der Seele -- nämlich alles. Diese Auffassung geht schon deshalb an der Hauptsache vorbei, weil die Funktionen, in die das Geld sich auflöst, selbst wertvolle sind, wodurch ihm ein Wert zuwächst, der beim Metallgeld ein additioneller, beim Zeichengeld der einzige ist; so sicher aber ist er ein reeller Wert, wie die Lokomotive durch das Ausüben ihrer Transportfunktionen einen Wert hat, der mehr ist als der Wert ihres Materials. Freilich kann es zunächst die Geldfunk- tionen ausüben, weil es ein Wert ist; dann aber wird es ein Wert, weil es sie übt. Den Wert des Geldes in seinen Substanzwert setzen, heisst den Wert der Lokomotive in den ihres Eisengewichts, etwa noch um den darin steckenden Arbeitswert erhöht, setzen. Aber grade diese Analogie scheint die Annahme eines besonderen, aus der Funktion er- wachsenden Wertes zu widerlegen. Der Preis einer Lokomotive -- wir brauchen in diesem Zusammenhange nicht zwischen Wert und Preis zu unterscheiden -- besteht allerdings aus Materialwert + Formwert d. h. + Wert der darin investierten Arbeitskraft. Dass die Loko- motive wie das Geld den Austausch von Objekten bewirkt, das sei zwar die Veranlassung, sie überhaupt zu werten, davon hänge aber das Mass dieser Wertung keineswegs ab -- wie auch sonst die Nützlich- keit unzähliger Objekte bewirke, dass sie überhaupt einen Marktpreis haben, die Höhe dieses aber von ganz anderen Momenten bestimmt werde; die Nützlichkeit gebe bei solchen Objekten allenfalls eine Grenze an, über die der Preis nicht steigen darf, aber sie könne hier seine positive Grösse nicht erzeugen. Gilt dieser Vergleich, so scheint der Wert des Geldes doch wieder von seinen Funktionen auf seine Substanz zurückgewiesen zu werden. Allein an einem entscheidenden Punkte gilt er eben nicht. Dass eine Lokomotive nur nach ihrem Materialwert und Formungswert bezahlt wird, hängt ausschliesslich daran, dass jeder Beliebige Lokomotiven bauen darf, und deshalb die Idee, ohne die Material + Arbeitskraft niemals eine Lokomotive er- geben würden, keinen Einfluss auf die Preisbildung besitzt. Sobald es ein Patent auf Lokomotiven gäbe, würde sich in dem sehr erhöhten Preise, den man für sie bewilligte, der Wert zeigen, den sie über die Summe von Materialwert und Arbeitswert hinaus besitzen; sobald die Idee Gemeingut ist, haben ihre Verwirklichungen insoweit keine "Selten- heit", und erst diese würde ihrer Funktionsbedeutung einen besonderen Ausdruck im Preise verschaffen. Nun aber besteht am Gelde etwas, was dem Patente entspricht: das Prägerecht der Regierungen, das jeden Un- legitimierten die Idee des Geldes zu verwirklichen hindert; auf diesem Monopol der Regierung ruht die "Seltenheit" des Geldes entweder teil-
und als sei ihm damit ungefähr so viel genommen wie einem Menschen mit der Seele — nämlich alles. Diese Auffassung geht schon deshalb an der Hauptsache vorbei, weil die Funktionen, in die das Geld sich auflöst, selbst wertvolle sind, wodurch ihm ein Wert zuwächst, der beim Metallgeld ein additioneller, beim Zeichengeld der einzige ist; so sicher aber ist er ein reeller Wert, wie die Lokomotive durch das Ausüben ihrer Transportfunktionen einen Wert hat, der mehr ist als der Wert ihres Materials. Freilich kann es zunächst die Geldfunk- tionen ausüben, weil es ein Wert ist; dann aber wird es ein Wert, weil es sie übt. Den Wert des Geldes in seinen Substanzwert setzen, heiſst den Wert der Lokomotive in den ihres Eisengewichts, etwa noch um den darin steckenden Arbeitswert erhöht, setzen. Aber grade diese Analogie scheint die Annahme eines besonderen, aus der Funktion er- wachsenden Wertes zu widerlegen. Der Preis einer Lokomotive — wir brauchen in diesem Zusammenhange nicht zwischen Wert und Preis zu unterscheiden — besteht allerdings aus Materialwert + Formwert d. h. + Wert der darin investierten Arbeitskraft. Daſs die Loko- motive wie das Geld den Austausch von Objekten bewirkt, das sei zwar die Veranlassung, sie überhaupt zu werten, davon hänge aber das Maſs dieser Wertung keineswegs ab — wie auch sonst die Nützlich- keit unzähliger Objekte bewirke, daſs sie überhaupt einen Marktpreis haben, die Höhe dieses aber von ganz anderen Momenten bestimmt werde; die Nützlichkeit gebe bei solchen Objekten allenfalls eine Grenze an, über die der Preis nicht steigen darf, aber sie könne hier seine positive Gröſse nicht erzeugen. Gilt dieser Vergleich, so scheint der Wert des Geldes doch wieder von seinen Funktionen auf seine Substanz zurückgewiesen zu werden. Allein an einem entscheidenden Punkte gilt er eben nicht. Daſs eine Lokomotive nur nach ihrem Materialwert und Formungswert bezahlt wird, hängt ausschlieſslich daran, daſs jeder Beliebige Lokomotiven bauen darf, und deshalb die Idee, ohne die Material + Arbeitskraft niemals eine Lokomotive er- geben würden, keinen Einfluſs auf die Preisbildung besitzt. Sobald es ein Patent auf Lokomotiven gäbe, würde sich in dem sehr erhöhten Preise, den man für sie bewilligte, der Wert zeigen, den sie über die Summe von Materialwert und Arbeitswert hinaus besitzen; sobald die Idee Gemeingut ist, haben ihre Verwirklichungen insoweit keine „Selten- heit“, und erst diese würde ihrer Funktionsbedeutung einen besonderen Ausdruck im Preise verschaffen. Nun aber besteht am Gelde etwas, was dem Patente entspricht: das Prägerecht der Regierungen, das jeden Un- legitimierten die Idee des Geldes zu verwirklichen hindert; auf diesem Monopol der Regierung ruht die „Seltenheit“ des Geldes entweder teil-
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[178/0202]
und als sei ihm damit ungefähr so viel genommen wie einem Menschen
mit der Seele — nämlich alles. Diese Auffassung geht schon deshalb
an der Hauptsache vorbei, weil die Funktionen, in die das Geld sich
auflöst, selbst wertvolle sind, wodurch ihm ein Wert zuwächst, der
beim Metallgeld ein additioneller, beim Zeichengeld der einzige ist;
so sicher aber ist er ein reeller Wert, wie die Lokomotive durch das
Ausüben ihrer Transportfunktionen einen Wert hat, der mehr ist als
der Wert ihres Materials. Freilich kann es zunächst die Geldfunk-
tionen ausüben, weil es ein Wert ist; dann aber wird es ein Wert,
weil es sie übt. Den Wert des Geldes in seinen Substanzwert setzen,
heiſst den Wert der Lokomotive in den ihres Eisengewichts, etwa noch
um den darin steckenden Arbeitswert erhöht, setzen. Aber grade diese
Analogie scheint die Annahme eines besonderen, aus der Funktion er-
wachsenden Wertes zu widerlegen. Der Preis einer Lokomotive — wir
brauchen in diesem Zusammenhange nicht zwischen Wert und Preis
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d. h. + Wert der darin investierten Arbeitskraft. Daſs die Loko-
motive wie das Geld den Austausch von Objekten bewirkt, das sei
zwar die Veranlassung, sie überhaupt zu werten, davon hänge aber das
Maſs dieser Wertung keineswegs ab — wie auch sonst die Nützlich-
keit unzähliger Objekte bewirke, daſs sie überhaupt einen Marktpreis
haben, die Höhe dieses aber von ganz anderen Momenten bestimmt
werde; die Nützlichkeit gebe bei solchen Objekten allenfalls eine
Grenze an, über die der Preis nicht steigen darf, aber sie könne hier
seine positive Gröſse nicht erzeugen. Gilt dieser Vergleich, so scheint
der Wert des Geldes doch wieder von seinen Funktionen auf seine
Substanz zurückgewiesen zu werden. Allein an einem entscheidenden
Punkte gilt er eben nicht. Daſs eine Lokomotive nur nach ihrem
Materialwert und Formungswert bezahlt wird, hängt ausschlieſslich
daran, daſs jeder Beliebige Lokomotiven bauen darf, und deshalb die
Idee, ohne die Material + Arbeitskraft niemals eine Lokomotive er-
geben würden, keinen Einfluſs auf die Preisbildung besitzt. Sobald es
ein Patent auf Lokomotiven gäbe, würde sich in dem sehr erhöhten
Preise, den man für sie bewilligte, der Wert zeigen, den sie über die
Summe von Materialwert und Arbeitswert hinaus besitzen; sobald die
Idee Gemeingut ist, haben ihre Verwirklichungen insoweit keine „Selten-
heit“, und erst diese würde ihrer Funktionsbedeutung einen besonderen
Ausdruck im Preise verschaffen. Nun aber besteht am Gelde etwas, was
dem Patente entspricht: das Prägerecht der Regierungen, das jeden Un-
legitimierten die Idee des Geldes zu verwirklichen hindert; auf diesem
Monopol der Regierung ruht die „Seltenheit“ des Geldes entweder teil-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/202>, abgerufen am 23.11.2024.
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