prinzipielle Bedeutung des Zweckhandelns liegt also in der Wechsel- wirkung, die es zwischen dem Subjekt und dem Objekt stiftet. Indem schon die blosse Thatsache unserer Existenz uns in diese Wechsel- wirkung verwebt, hebt das zweckbestimmte Handeln sie in die Inner- lichkeit des Geistes. Durch eben dies stellt sich unser Verhältnis zur Welt gleichsam als eine Kurve dar, die vom Subjekt aus auf das Ob- jekt geht, es in sich einbezieht und wieder zum Subjekt zurückkehrt. Und während freilich jede zufällige und mechanische Berührung mit den Dingen äusserlich dasselbe Schema zeigt, wird es als Zweckhandeln von der Einheit des Bewusstseins durchströmt und zusammengehalten. Als Naturwesen betrachtet sind wir in fortwährender Wechselwirkung mit dem natürlichen Dasein um uns herum, aber in völliger Koordination mit diesem; erst im Zweckhandeln differenziert sich das Ich als Persön- lichkeit von den Naturelementen ausserhalb (und innerhalb) seiner. Oder, anders angesehen: erst auf der Grundlage solcher Scheidung eines persönlich wollenden Geistes und der rein kausal betrachteten Natur ist jene Einheit höherer Stufe zwischen beiden möglich, die sich in der Zweckkurve ausdrückt.
Das ist nun nicht so gemeint, als ob der eigentliche Zweck jedes Zweckhandelns im handelnden Subjekt selbst liegen müsste, als ob der Grund, um dessentwillen irgend ein Objektives verwirklicht wird, immer in dem Gefühle bestünde, das es rückwirkend in uns erregt. Wenn dies in den eigentlich egoistischen Handlungen stattfindet, stehen da- neben doch unzählige, in denen jene Inhaltsgleichheit zwischen Motiv und Erfolg nur den Erfolg im Sinne des Objekts, des ausser-subjektiven Geschehens betrifft; unzählige Male nimmt die innere Energie, aus der unser Handeln hervorgeht, ihrer Bewusstseinsseite nach nur ihren sach- lichen Erfolg in sich auf und lässt die auf uns selbst zurückkehrende Weiterwirkung desselben ganz ausserhalb des teleologischen Prozesses. Zwar, wenn nicht der Erfolg unseres Thuns schliesslich ein Gefühl in uns auslöste, so würde von seiner Vorstellung nicht die bewegende Kraft ausgehen, die ihn zu verwirklichen strebt. Allein dieses unentbehr- liche End glied des Handelns ist darum noch nicht sein End zweck; unser teleologisch bestimmtes Wollen macht vielmehr sehr oft an seinem sachlichen Erfolge halt und fragt bewusst nicht über diesen hinaus. Suchen wir also die Formel des Zweckprozesses in seinem Gegensatz zu dem kausal-triebhaften -- wobei dahingestellt bleibt, ob dieser Gegensatz etwa nur ein solcher der Betrachtungsweise, sozusagen ein methodologischer ist -- so ist es die, dass das Zweckhandeln die be- wusste Verflechtung unserer subjektiven Energien mit einem objektiven Dasein bedeutet, und dass diese Verflechtung in einem doppelten Aus-
prinzipielle Bedeutung des Zweckhandelns liegt also in der Wechsel- wirkung, die es zwischen dem Subjekt und dem Objekt stiftet. Indem schon die bloſse Thatsache unserer Existenz uns in diese Wechsel- wirkung verwebt, hebt das zweckbestimmte Handeln sie in die Inner- lichkeit des Geistes. Durch eben dies stellt sich unser Verhältnis zur Welt gleichsam als eine Kurve dar, die vom Subjekt aus auf das Ob- jekt geht, es in sich einbezieht und wieder zum Subjekt zurückkehrt. Und während freilich jede zufällige und mechanische Berührung mit den Dingen äuſserlich dasselbe Schema zeigt, wird es als Zweckhandeln von der Einheit des Bewuſstseins durchströmt und zusammengehalten. Als Naturwesen betrachtet sind wir in fortwährender Wechselwirkung mit dem natürlichen Dasein um uns herum, aber in völliger Koordination mit diesem; erst im Zweckhandeln differenziert sich das Ich als Persön- lichkeit von den Naturelementen auſserhalb (und innerhalb) seiner. Oder, anders angesehen: erst auf der Grundlage solcher Scheidung eines persönlich wollenden Geistes und der rein kausal betrachteten Natur ist jene Einheit höherer Stufe zwischen beiden möglich, die sich in der Zweckkurve ausdrückt.
Das ist nun nicht so gemeint, als ob der eigentliche Zweck jedes Zweckhandelns im handelnden Subjekt selbst liegen müſste, als ob der Grund, um dessentwillen irgend ein Objektives verwirklicht wird, immer in dem Gefühle bestünde, das es rückwirkend in uns erregt. Wenn dies in den eigentlich egoistischen Handlungen stattfindet, stehen da- neben doch unzählige, in denen jene Inhaltsgleichheit zwischen Motiv und Erfolg nur den Erfolg im Sinne des Objekts, des auſser-subjektiven Geschehens betrifft; unzählige Male nimmt die innere Energie, aus der unser Handeln hervorgeht, ihrer Bewuſstseinsseite nach nur ihren sach- lichen Erfolg in sich auf und läſst die auf uns selbst zurückkehrende Weiterwirkung desselben ganz auſserhalb des teleologischen Prozesses. Zwar, wenn nicht der Erfolg unseres Thuns schlieſslich ein Gefühl in uns auslöste, so würde von seiner Vorstellung nicht die bewegende Kraft ausgehen, die ihn zu verwirklichen strebt. Allein dieses unentbehr- liche End glied des Handelns ist darum noch nicht sein End zweck; unser teleologisch bestimmtes Wollen macht vielmehr sehr oft an seinem sachlichen Erfolge halt und fragt bewuſst nicht über diesen hinaus. Suchen wir also die Formel des Zweckprozesses in seinem Gegensatz zu dem kausal-triebhaften — wobei dahingestellt bleibt, ob dieser Gegensatz etwa nur ein solcher der Betrachtungsweise, sozusagen ein methodologischer ist — so ist es die, daſs das Zweckhandeln die be- wuſste Verflechtung unserer subjektiven Energien mit einem objektiven Dasein bedeutet, und daſs diese Verflechtung in einem doppelten Aus-
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[185/0209]
prinzipielle Bedeutung des Zweckhandelns liegt also in der Wechsel-
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wirkung verwebt, hebt das zweckbestimmte Handeln sie in die Inner-
lichkeit des Geistes. Durch eben dies stellt sich unser Verhältnis zur
Welt gleichsam als eine Kurve dar, die vom Subjekt aus auf das Ob-
jekt geht, es in sich einbezieht und wieder zum Subjekt zurückkehrt.
Und während freilich jede zufällige und mechanische Berührung mit
den Dingen äuſserlich dasselbe Schema zeigt, wird es als Zweckhandeln
von der Einheit des Bewuſstseins durchströmt und zusammengehalten.
Als Naturwesen betrachtet sind wir in fortwährender Wechselwirkung
mit dem natürlichen Dasein um uns herum, aber in völliger Koordination
mit diesem; erst im Zweckhandeln differenziert sich das Ich als Persön-
lichkeit von den Naturelementen auſserhalb (und innerhalb) seiner.
Oder, anders angesehen: erst auf der Grundlage solcher Scheidung
eines persönlich wollenden Geistes und der rein kausal betrachteten
Natur ist jene Einheit höherer Stufe zwischen beiden möglich, die sich
in der Zweckkurve ausdrückt.
Das ist nun nicht so gemeint, als ob der eigentliche Zweck jedes
Zweckhandelns im handelnden Subjekt selbst liegen müſste, als ob der
Grund, um dessentwillen irgend ein Objektives verwirklicht wird, immer
in dem Gefühle bestünde, das es rückwirkend in uns erregt. Wenn
dies in den eigentlich egoistischen Handlungen stattfindet, stehen da-
neben doch unzählige, in denen jene Inhaltsgleichheit zwischen Motiv
und Erfolg nur den Erfolg im Sinne des Objekts, des auſser-subjektiven
Geschehens betrifft; unzählige Male nimmt die innere Energie, aus der
unser Handeln hervorgeht, ihrer Bewuſstseinsseite nach nur ihren sach-
lichen Erfolg in sich auf und läſst die auf uns selbst zurückkehrende
Weiterwirkung desselben ganz auſserhalb des teleologischen Prozesses.
Zwar, wenn nicht der Erfolg unseres Thuns schlieſslich ein Gefühl in
uns auslöste, so würde von seiner Vorstellung nicht die bewegende
Kraft ausgehen, die ihn zu verwirklichen strebt. Allein dieses unentbehr-
liche End glied des Handelns ist darum noch nicht sein End zweck;
unser teleologisch bestimmtes Wollen macht vielmehr sehr oft an seinem
sachlichen Erfolge halt und fragt bewuſst nicht über diesen hinaus.
Suchen wir also die Formel des Zweckprozesses in seinem Gegensatz
zu dem kausal-triebhaften — wobei dahingestellt bleibt, ob dieser
Gegensatz etwa nur ein solcher der Betrachtungsweise, sozusagen ein
methodologischer ist — so ist es die, daſs das Zweckhandeln die be-
wuſste Verflechtung unserer subjektiven Energien mit einem objektiven
Dasein bedeutet, und daſs diese Verflechtung in einem doppelten Aus-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/209>, abgerufen am 23.11.2024.
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