Wort, auf Verlängerung der teleologischen Reihen für das sachlich Nahe- liegende und Verkürzung derselben für das sachlich Fernliegende. Und hier tritt der äusserst wichtige Begriff des Werkzeugs in unsere Erwägung des Zweckhandelns ein. Die primäre Form jener teleo- logischen Kurve ist doch die, dass unser Thun ein äusseres Objekt zu Reaktionen veranlasst, die, gemäss der eigenen Natur desselben ver- laufend, an den Punkt der erwünschten Einwirkung auf uns gelangen. Das Werkzeug bedeutet nun die Einschiebung einer Instanz zwischen dem Subjekt und diesem Objekt, die nicht nur zeitlich-räumlich, sondern auch inhaltlich eine Mittelstellung zwischen ihnen einnimmt. Denn es ist einerseits zwar ein äusseres Objekt von bloss mechanischer Wirk- samkeit, andrerseits aber auch eins, auf das nicht nur, sondern mit dem -- wie mit der Hand -- gewirkt wird. Das Werkzeug ist das potenzierte Mittel, denn seine Form und sein Dasein ist schon durch den Zweck bestimmt, während bei dem primären teleologischen Prozess die natürlichen Existenzen erst nachträglich in den Dienst des Zweckes gestellt werden. Wer einen Samen in die Erde steckt, um später die Frucht des Gewächses zu geniessen, statt sich mit der wild wachsenden zu begnügen, handelt teleologisch, aber die Erscheinung des Zweckes mündet an der Grenze seiner Hand; wenn aber bei dieser Gelegenheit Hacke und Spaten verwendet werden, so ist der Punkt, von dem an die natürlichen Prozesse sich selbst überlassen sind, weiter hinausgeschoben, das subjektiv bestimmte Moment ist dem objektiven gegenüber verlängert. Mit dem Werkzeug fügen wir der Zweckreihe allerdings ein neues Glied freiwillig zu, damit aber nur beweisend, dass keineswegs jeder Weg in dem Masse der kürzere ist, in dem er der gradere ist. Das Werkzeug ist der Typus dessen, was man in der Aussenwelt unser Geschöpf nennen könnte, indem es, gleichsam an dem einen Ende, ganz von unseren Kräften geformt wird und am andern ganz in unsere Zwecke eingeht; grade dadurch, dass es selbst nicht Zweck ist, fehlt ihm jene relative Selbständigkeit, die der Zweck be- sitzt, sei es, dass er uns als absoluter Wert an sich selbst gelte, sei es, dass wir von ihm eine Wirkung auf uns erwarten: es ist das Mittel schlechthin. Das Werkzeug-Prinzip ist nun keineswegs nur an Physischem wirksam. Vielmehr dort, wo das Interesse nicht unmittelbar der materiellen Produktion gilt, sondern geistige Bedingungen und Seiten derselben oder überhaupt immaterielle Geschehnisse in Frage stehen, gewinnt das Werkzeug eigentlich eine noch reinere Form, insofern es nun wirklich ganz das Geschöpf unseres Willens ist und sich nicht mit der Besonderheit und inneren Zweckfremdheit einer Materie abzufinden hat. Den ausgeprägtesten Typus bilden hier vielleicht die sozialen
Wort, auf Verlängerung der teleologischen Reihen für das sachlich Nahe- liegende und Verkürzung derselben für das sachlich Fernliegende. Und hier tritt der äuſserst wichtige Begriff des Werkzeugs in unsere Erwägung des Zweckhandelns ein. Die primäre Form jener teleo- logischen Kurve ist doch die, daſs unser Thun ein äuſseres Objekt zu Reaktionen veranlaſst, die, gemäſs der eigenen Natur desselben ver- laufend, an den Punkt der erwünschten Einwirkung auf uns gelangen. Das Werkzeug bedeutet nun die Einschiebung einer Instanz zwischen dem Subjekt und diesem Objekt, die nicht nur zeitlich-räumlich, sondern auch inhaltlich eine Mittelstellung zwischen ihnen einnimmt. Denn es ist einerseits zwar ein äuſseres Objekt von bloſs mechanischer Wirk- samkeit, andrerseits aber auch eins, auf das nicht nur, sondern mit dem — wie mit der Hand — gewirkt wird. Das Werkzeug ist das potenzierte Mittel, denn seine Form und sein Dasein ist schon durch den Zweck bestimmt, während bei dem primären teleologischen Prozeſs die natürlichen Existenzen erst nachträglich in den Dienst des Zweckes gestellt werden. Wer einen Samen in die Erde steckt, um später die Frucht des Gewächses zu genieſsen, statt sich mit der wild wachsenden zu begnügen, handelt teleologisch, aber die Erscheinung des Zweckes mündet an der Grenze seiner Hand; wenn aber bei dieser Gelegenheit Hacke und Spaten verwendet werden, so ist der Punkt, von dem an die natürlichen Prozesse sich selbst überlassen sind, weiter hinausgeschoben, das subjektiv bestimmte Moment ist dem objektiven gegenüber verlängert. Mit dem Werkzeug fügen wir der Zweckreihe allerdings ein neues Glied freiwillig zu, damit aber nur beweisend, daſs keineswegs jeder Weg in dem Maſse der kürzere ist, in dem er der gradere ist. Das Werkzeug ist der Typus dessen, was man in der Auſsenwelt unser Geschöpf nennen könnte, indem es, gleichsam an dem einen Ende, ganz von unseren Kräften geformt wird und am andern ganz in unsere Zwecke eingeht; grade dadurch, daſs es selbst nicht Zweck ist, fehlt ihm jene relative Selbständigkeit, die der Zweck be- sitzt, sei es, daſs er uns als absoluter Wert an sich selbst gelte, sei es, daſs wir von ihm eine Wirkung auf uns erwarten: es ist das Mittel schlechthin. Das Werkzeug-Prinzip ist nun keineswegs nur an Physischem wirksam. Vielmehr dort, wo das Interesse nicht unmittelbar der materiellen Produktion gilt, sondern geistige Bedingungen und Seiten derselben oder überhaupt immaterielle Geschehnisse in Frage stehen, gewinnt das Werkzeug eigentlich eine noch reinere Form, insofern es nun wirklich ganz das Geschöpf unseres Willens ist und sich nicht mit der Besonderheit und inneren Zweckfremdheit einer Materie abzufinden hat. Den ausgeprägtesten Typus bilden hier vielleicht die sozialen
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Wort, auf Verlängerung der teleologischen Reihen für das sachlich Nahe-
liegende und Verkürzung derselben für das sachlich Fernliegende.
Und hier tritt der äuſserst wichtige Begriff des Werkzeugs in unsere
Erwägung des Zweckhandelns ein. Die primäre Form jener teleo-
logischen Kurve ist doch die, daſs unser Thun ein äuſseres Objekt zu
Reaktionen veranlaſst, die, gemäſs der eigenen Natur desselben ver-
laufend, an den Punkt der erwünschten Einwirkung auf uns gelangen.
Das Werkzeug bedeutet nun die Einschiebung einer Instanz zwischen
dem Subjekt und diesem Objekt, die nicht nur zeitlich-räumlich, sondern
auch inhaltlich eine Mittelstellung zwischen ihnen einnimmt. Denn es
ist einerseits zwar ein äuſseres Objekt von bloſs mechanischer Wirk-
samkeit, andrerseits aber auch eins, auf das nicht nur, sondern mit
dem — wie mit der Hand — gewirkt wird. Das Werkzeug ist das
potenzierte Mittel, denn seine Form und sein Dasein ist schon durch
den Zweck bestimmt, während bei dem primären teleologischen
Prozeſs die natürlichen Existenzen erst nachträglich in den Dienst
des Zweckes gestellt werden. Wer einen Samen in die Erde steckt,
um später die Frucht des Gewächses zu genieſsen, statt sich mit der
wild wachsenden zu begnügen, handelt teleologisch, aber die Erscheinung
des Zweckes mündet an der Grenze seiner Hand; wenn aber bei dieser
Gelegenheit Hacke und Spaten verwendet werden, so ist der Punkt,
von dem an die natürlichen Prozesse sich selbst überlassen sind, weiter
hinausgeschoben, das subjektiv bestimmte Moment ist dem objektiven
gegenüber verlängert. Mit dem Werkzeug fügen wir der Zweckreihe
allerdings ein neues Glied freiwillig zu, damit aber nur beweisend,
daſs keineswegs jeder Weg in dem Maſse der kürzere ist, in dem er
der gradere ist. Das Werkzeug ist der Typus dessen, was man in der
Auſsenwelt unser Geschöpf nennen könnte, indem es, gleichsam an dem
einen Ende, ganz von unseren Kräften geformt wird und am andern
ganz in unsere Zwecke eingeht; grade dadurch, daſs es selbst nicht
Zweck ist, fehlt ihm jene relative Selbständigkeit, die der Zweck be-
sitzt, sei es, daſs er uns als absoluter Wert an sich selbst gelte, sei es,
daſs wir von ihm eine Wirkung auf uns erwarten: es ist das Mittel
schlechthin. Das Werkzeug-Prinzip ist nun keineswegs nur an Physischem
wirksam. Vielmehr dort, wo das Interesse nicht unmittelbar der
materiellen Produktion gilt, sondern geistige Bedingungen und Seiten
derselben oder überhaupt immaterielle Geschehnisse in Frage stehen,
gewinnt das Werkzeug eigentlich eine noch reinere Form, insofern es
nun wirklich ganz das Geschöpf unseres Willens ist und sich nicht mit
der Besonderheit und inneren Zweckfremdheit einer Materie abzufinden
hat. Den ausgeprägtesten Typus bilden hier vielleicht die sozialen
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/213>, abgerufen am 23.11.2024.
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