sich vorzugsweise dem Wert hingeben, der sich als die zusammenfassende Einheit und der Punkt gemeinsamer Zuspitzung aller Zweckreihen darbietet. Auch widerspricht die wilde Jagd nach dem Gelde, die Leidenschaftlichkeit, die es im Gegensatz zu anderen zentralen Werten, z. B. dem Grundbesitz, dem wirtschaftlichen, ja dem Leben überhaupt mitteilt, durchaus nicht der abschliessenden Beruhigung, in der die Wirkung des Geldes sich der religiösen Stimmung nähert. Denn nicht nur, dass die ganze Aufregung und Anspannung im Kampfe um das Geld die Bedingung für die selige Ruhe im Besitz des Erkämpften bildet; sondern jene Meeresstille der Seele, die die religiösen Güter gewähren, jenes Gefühl, im Einheitspunkte des Daseins zu stehen, erreicht doch seinen höchsten Bewusstseinswert erst als Preis des Suchens und Ringens nach Gott. Und wenn Augustin vom Geschäfts- leben sagt: Merito dictum negotium, quia negat otium, quod malum est neque quaerit veram quietem quae est Deus -- so gilt dies mit Recht von der Geschäftigkeit, die, Erwerbsmittel an Erwerbsmittel knüpfend, zu dem Endziel des Geldgewinnes aufsteigt; es gilt aber nicht von diesem Endziel selbst, das eben nicht mehr negotium, sondern die Mündung desselben ist. Die Feindseligkeit, mit der die religiöse und kirchliche Gesinnung oft dem Geldwesen gegenübersteht, mag auch auf den Instinkt für diese psychologische Formähnlichkeit zwischen der höchsten wirtschaftlichen und der höchsten kosmischen Einheit zurückgehen und auf die erfahrene Gefährlichkeit der Kon- kurrenz, die grade das Geldinteresse dem religiösen Interesse bereitet -- eine Gefährlichkeit, die sich nicht nur, wo die Substanz des Lebens eine ökonomische, sondern auch wo sie eine religiöse ist, gezeigt hat. In der kanonistischen Verwerfung des Zinses spricht sich die Per- horreszierung des Geldes überhaupt aus, denn der Zins macht das Geld- geschäft in seiner abstrakten Reinheit aus. Das Zinsprinzip als solches enthält für sich noch nicht das volle Mass der Sündhaftigkeit -- hat man diese doch im Mittelalter vielfach zu vermeiden geglaubt, wenn man den Zins in Waren statt in Geld abstatten liess! -- sondern dass es eben der Zins des Geldes war, so dass man mit der Abschaffung jenes das Geldwesen überhaupt an seiner Wurzel zu treffen meinte. Das Geld thut sich eben gar zu leicht als Endzweck auf, es schliesst bei gar zu vielen die teleologischen Reihen endgültig ab und leistet ihnen ein Mass von einheitlichem Zusammenschluss der Interessen, von abstrakter Höhe, von Suveränität über den Einzelheiten des Lebens, das ihnen das Bedürfnis abschwächt, die Steigerung eben dieser Genug- thuungen in der religiösen Instanz zu suchen. Aus all diesen Zu- sammenhängen heraus sind also doch mehr als die auf der Hand
sich vorzugsweise dem Wert hingeben, der sich als die zusammenfassende Einheit und der Punkt gemeinsamer Zuspitzung aller Zweckreihen darbietet. Auch widerspricht die wilde Jagd nach dem Gelde, die Leidenschaftlichkeit, die es im Gegensatz zu anderen zentralen Werten, z. B. dem Grundbesitz, dem wirtschaftlichen, ja dem Leben überhaupt mitteilt, durchaus nicht der abschlieſsenden Beruhigung, in der die Wirkung des Geldes sich der religiösen Stimmung nähert. Denn nicht nur, daſs die ganze Aufregung und Anspannung im Kampfe um das Geld die Bedingung für die selige Ruhe im Besitz des Erkämpften bildet; sondern jene Meeresstille der Seele, die die religiösen Güter gewähren, jenes Gefühl, im Einheitspunkte des Daseins zu stehen, erreicht doch seinen höchsten Bewuſstseinswert erst als Preis des Suchens und Ringens nach Gott. Und wenn Augustin vom Geschäfts- leben sagt: Merito dictum negotium, quia negat otium, quod malum est neque quaerit veram quietem quae est Deus — so gilt dies mit Recht von der Geschäftigkeit, die, Erwerbsmittel an Erwerbsmittel knüpfend, zu dem Endziel des Geldgewinnes aufsteigt; es gilt aber nicht von diesem Endziel selbst, das eben nicht mehr negotium, sondern die Mündung desselben ist. Die Feindseligkeit, mit der die religiöse und kirchliche Gesinnung oft dem Geldwesen gegenübersteht, mag auch auf den Instinkt für diese psychologische Formähnlichkeit zwischen der höchsten wirtschaftlichen und der höchsten kosmischen Einheit zurückgehen und auf die erfahrene Gefährlichkeit der Kon- kurrenz, die grade das Geldinteresse dem religiösen Interesse bereitet — eine Gefährlichkeit, die sich nicht nur, wo die Substanz des Lebens eine ökonomische, sondern auch wo sie eine religiöse ist, gezeigt hat. In der kanonistischen Verwerfung des Zinses spricht sich die Per- horreszierung des Geldes überhaupt aus, denn der Zins macht das Geld- geschäft in seiner abstrakten Reinheit aus. Das Zinsprinzip als solches enthält für sich noch nicht das volle Maſs der Sündhaftigkeit — hat man diese doch im Mittelalter vielfach zu vermeiden geglaubt, wenn man den Zins in Waren statt in Geld abstatten lieſs! — sondern daſs es eben der Zins des Geldes war, so daſs man mit der Abschaffung jenes das Geldwesen überhaupt an seiner Wurzel zu treffen meinte. Das Geld thut sich eben gar zu leicht als Endzweck auf, es schlieſst bei gar zu vielen die teleologischen Reihen endgültig ab und leistet ihnen ein Maſs von einheitlichem Zusammenschluſs der Interessen, von abstrakter Höhe, von Suveränität über den Einzelheiten des Lebens, das ihnen das Bedürfnis abschwächt, die Steigerung eben dieser Genug- thuungen in der religiösen Instanz zu suchen. Aus all diesen Zu- sammenhängen heraus sind also doch mehr als die auf der Hand
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sich vorzugsweise dem Wert hingeben, der sich als die zusammenfassende
Einheit und der Punkt gemeinsamer Zuspitzung aller Zweckreihen
darbietet. Auch widerspricht die wilde Jagd nach dem Gelde, die
Leidenschaftlichkeit, die es im Gegensatz zu anderen zentralen Werten,
z. B. dem Grundbesitz, dem wirtschaftlichen, ja dem Leben überhaupt
mitteilt, durchaus nicht der abschlieſsenden Beruhigung, in der die
Wirkung des Geldes sich der religiösen Stimmung nähert. Denn nicht
nur, daſs die ganze Aufregung und Anspannung im Kampfe um das
Geld die Bedingung für die selige Ruhe im Besitz des Erkämpften
bildet; sondern jene Meeresstille der Seele, die die religiösen Güter
gewähren, jenes Gefühl, im Einheitspunkte des Daseins zu stehen,
erreicht doch seinen höchsten Bewuſstseinswert erst als Preis des
Suchens und Ringens nach Gott. Und wenn Augustin vom Geschäfts-
leben sagt: Merito dictum negotium, quia negat otium, quod malum
est neque quaerit veram quietem quae est Deus — so gilt dies mit
Recht von der Geschäftigkeit, die, Erwerbsmittel an Erwerbsmittel
knüpfend, zu dem Endziel des Geldgewinnes aufsteigt; es gilt aber
nicht von diesem Endziel selbst, das eben nicht mehr negotium,
sondern die Mündung desselben ist. Die Feindseligkeit, mit der die
religiöse und kirchliche Gesinnung oft dem Geldwesen gegenübersteht,
mag auch auf den Instinkt für diese psychologische Formähnlichkeit
zwischen der höchsten wirtschaftlichen und der höchsten kosmischen
Einheit zurückgehen und auf die erfahrene Gefährlichkeit der Kon-
kurrenz, die grade das Geldinteresse dem religiösen Interesse bereitet —
eine Gefährlichkeit, die sich nicht nur, wo die Substanz des Lebens
eine ökonomische, sondern auch wo sie eine religiöse ist, gezeigt hat.
In der kanonistischen Verwerfung des Zinses spricht sich die Per-
horreszierung des Geldes überhaupt aus, denn der Zins macht das Geld-
geschäft in seiner abstrakten Reinheit aus. Das Zinsprinzip als solches
enthält für sich noch nicht das volle Maſs der Sündhaftigkeit — hat
man diese doch im Mittelalter vielfach zu vermeiden geglaubt, wenn
man den Zins in Waren statt in Geld abstatten lieſs! — sondern daſs
es eben der Zins des Geldes war, so daſs man mit der Abschaffung
jenes das Geldwesen überhaupt an seiner Wurzel zu treffen meinte.
Das Geld thut sich eben gar zu leicht als Endzweck auf, es schlieſst
bei gar zu vielen die teleologischen Reihen endgültig ab und leistet
ihnen ein Maſs von einheitlichem Zusammenschluſs der Interessen, von
abstrakter Höhe, von Suveränität über den Einzelheiten des Lebens,
das ihnen das Bedürfnis abschwächt, die Steigerung eben dieser Genug-
thuungen in der religiösen Instanz zu suchen. Aus all diesen Zu-
sammenhängen heraus sind also doch mehr als die auf der Hand
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/248>, abgerufen am 23.11.2024.
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