von der übrigen Tierreihe abscheidet: als das politische Tier, das werkzeugmachende Tier, das zwecksetzende Tier, das hierarchische Tier, ja -- seitens eines ernsthaften Philosophen -- als das vom Grössen- wahn befallene Tier hat man ihn definiert. Vielleicht kann man dieser Reihe hinzufügen, der Mensch sei das tauschende Tier; und das ist freilich nur eine Seite oder Form der ganz allgemeinen Charak- teristik, in der das spezifische Wesen des Menschen zu bestehen scheint: der Mensch ist das objektive Tier. Nirgends in der Tierwelt finden wir auch nur Ansätze zu demjenigen, was man Objektivität nennt, der Betrachtung und Behandlung der Dinge, die sich jenseits des subjek- tiven Fühlens und Wollens stellt. Gegenüber dem einfachen Weg- nehmen oder der Schenkung, in denen sich der rein subjektive Impuls auslebt, setzt der Tausch, wie wir früher sahen, eine objektive Ab- schätzung, Überlegung, gegenseitige Anerkennung, eine Reserve des unmittelbar subjektiven Begehrens voraus. Dass diese ursprünglich keine freiwillige, sondern durch die Machtgleichheit der anderen Partei erzwungene sein mag, ist dafür ohne Belang; denn das Entscheidende, spezifisch Menschliche ist eben, dass die Machtgleichheit nicht zum gegenseitigen Raub und Kampf, sondern zu dem abwägenden Tausch führt, in dem das einseitige und persönliche Haben und Habenwollen in eine objektive, aus und über der Wechselwirkung der Subjekte sich erhebende Gesamtaktion eingeht. Der Tausch, der uns als etwas ganz Selbstverständliches erscheint, ist das erste und in seiner Einfachheit wahrhaft wunderbare Mittel, mit dem Besitzwechsel die Gerechtigkeit zu verbinden; indem der Nehmende zugleich Gebender ist, verschwindet die blosse Einseitigkeit des Vorteils, die den Besitzwechsel unter der Herrschaft eines rein impulsiven Egoismus oder Altruismus charak- terisiert; welche letztere übrigens keineswegs immer die zeitlich erste Stufe der Entwicklung ausmacht.
Allein die blosse Gerechtigkeit, die der Tausch bewirkt, ist doch nur etwas Formales und Relatives: der eine soll nicht mehr und nicht weniger haben als der andere. Darüber hinaus aber bewirkt er eine Vermehrung der absoluten Summe empfundener Werte. Indem jeder nur in den Tausch giebt, was ihm relativ überflüssig ist, und in den Tausch nimmt, was ihm relativ nötig ist, gelingt es durch ihn, die zu jedem gegebenen Zeitpunkt der Natur abgewonnenen Werte zu immer höherer Verwertung zu bringen. Angenommen, die Welt wäre wirk- lich "weggegeben" und alles Thun bestünde wirklich in einem blossen Hin- und Herschieben innerhalb eines objektiv unveränderlichen Wert- quantums, so bewirkte dennoch die Form des Tausches gleichsam ein interzellulares Wachstum der Werte. Die objektiv gleiche Wertsumme
von der übrigen Tierreihe abscheidet: als das politische Tier, das werkzeugmachende Tier, das zwecksetzende Tier, das hierarchische Tier, ja — seitens eines ernsthaften Philosophen — als das vom Gröſsen- wahn befallene Tier hat man ihn definiert. Vielleicht kann man dieser Reihe hinzufügen, der Mensch sei das tauschende Tier; und das ist freilich nur eine Seite oder Form der ganz allgemeinen Charak- teristik, in der das spezifische Wesen des Menschen zu bestehen scheint: der Mensch ist das objektive Tier. Nirgends in der Tierwelt finden wir auch nur Ansätze zu demjenigen, was man Objektivität nennt, der Betrachtung und Behandlung der Dinge, die sich jenseits des subjek- tiven Fühlens und Wollens stellt. Gegenüber dem einfachen Weg- nehmen oder der Schenkung, in denen sich der rein subjektive Impuls auslebt, setzt der Tausch, wie wir früher sahen, eine objektive Ab- schätzung, Überlegung, gegenseitige Anerkennung, eine Reserve des unmittelbar subjektiven Begehrens voraus. Daſs diese ursprünglich keine freiwillige, sondern durch die Machtgleichheit der anderen Partei erzwungene sein mag, ist dafür ohne Belang; denn das Entscheidende, spezifisch Menschliche ist eben, daſs die Machtgleichheit nicht zum gegenseitigen Raub und Kampf, sondern zu dem abwägenden Tausch führt, in dem das einseitige und persönliche Haben und Habenwollen in eine objektive, aus und über der Wechselwirkung der Subjekte sich erhebende Gesamtaktion eingeht. Der Tausch, der uns als etwas ganz Selbstverständliches erscheint, ist das erste und in seiner Einfachheit wahrhaft wunderbare Mittel, mit dem Besitzwechsel die Gerechtigkeit zu verbinden; indem der Nehmende zugleich Gebender ist, verschwindet die bloſse Einseitigkeit des Vorteils, die den Besitzwechsel unter der Herrschaft eines rein impulsiven Egoismus oder Altruismus charak- terisiert; welche letztere übrigens keineswegs immer die zeitlich erste Stufe der Entwicklung ausmacht.
Allein die bloſse Gerechtigkeit, die der Tausch bewirkt, ist doch nur etwas Formales und Relatives: der eine soll nicht mehr und nicht weniger haben als der andere. Darüber hinaus aber bewirkt er eine Vermehrung der absoluten Summe empfundener Werte. Indem jeder nur in den Tausch giebt, was ihm relativ überflüssig ist, und in den Tausch nimmt, was ihm relativ nötig ist, gelingt es durch ihn, die zu jedem gegebenen Zeitpunkt der Natur abgewonnenen Werte zu immer höherer Verwertung zu bringen. Angenommen, die Welt wäre wirk- lich „weggegeben“ und alles Thun bestünde wirklich in einem bloſsen Hin- und Herschieben innerhalb eines objektiv unveränderlichen Wert- quantums, so bewirkte dennoch die Form des Tausches gleichsam ein interzellulares Wachstum der Werte. Die objektiv gleiche Wertsumme
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von der übrigen Tierreihe abscheidet: als das politische Tier, das
werkzeugmachende Tier, das zwecksetzende Tier, das hierarchische
Tier, ja — seitens eines ernsthaften Philosophen — als das vom Gröſsen-
wahn befallene Tier hat man ihn definiert. Vielleicht kann man
dieser Reihe hinzufügen, der Mensch sei das tauschende Tier; und
das ist freilich nur eine Seite oder Form der ganz allgemeinen Charak-
teristik, in der das spezifische Wesen des Menschen zu bestehen scheint:
der Mensch ist das objektive Tier. Nirgends in der Tierwelt finden
wir auch nur Ansätze zu demjenigen, was man Objektivität nennt, der
Betrachtung und Behandlung der Dinge, die sich jenseits des subjek-
tiven Fühlens und Wollens stellt. Gegenüber dem einfachen Weg-
nehmen oder der Schenkung, in denen sich der rein subjektive Impuls
auslebt, setzt der Tausch, wie wir früher sahen, eine objektive Ab-
schätzung, Überlegung, gegenseitige Anerkennung, eine Reserve des
unmittelbar subjektiven Begehrens voraus. Daſs diese ursprünglich
keine freiwillige, sondern durch die Machtgleichheit der anderen Partei
erzwungene sein mag, ist dafür ohne Belang; denn das Entscheidende,
spezifisch Menschliche ist eben, daſs die Machtgleichheit nicht zum
gegenseitigen Raub und Kampf, sondern zu dem abwägenden Tausch
führt, in dem das einseitige und persönliche Haben und Habenwollen
in eine objektive, aus und über der Wechselwirkung der Subjekte sich
erhebende Gesamtaktion eingeht. Der Tausch, der uns als etwas ganz
Selbstverständliches erscheint, ist das erste und in seiner Einfachheit
wahrhaft wunderbare Mittel, mit dem Besitzwechsel die Gerechtigkeit
zu verbinden; indem der Nehmende zugleich Gebender ist, verschwindet
die bloſse Einseitigkeit des Vorteils, die den Besitzwechsel unter der
Herrschaft eines rein impulsiven Egoismus oder Altruismus charak-
terisiert; welche letztere übrigens keineswegs immer die zeitlich erste
Stufe der Entwicklung ausmacht.
Allein die bloſse Gerechtigkeit, die der Tausch bewirkt, ist doch
nur etwas Formales und Relatives: der eine soll nicht mehr und nicht
weniger haben als der andere. Darüber hinaus aber bewirkt er eine
Vermehrung der absoluten Summe empfundener Werte. Indem jeder
nur in den Tausch giebt, was ihm relativ überflüssig ist, und in den
Tausch nimmt, was ihm relativ nötig ist, gelingt es durch ihn, die zu
jedem gegebenen Zeitpunkt der Natur abgewonnenen Werte zu immer
höherer Verwertung zu bringen. Angenommen, die Welt wäre wirk-
lich „weggegeben“ und alles Thun bestünde wirklich in einem bloſsen
Hin- und Herschieben innerhalb eines objektiv unveränderlichen Wert-
quantums, so bewirkte dennoch die Form des Tausches gleichsam ein
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/312>, abgerufen am 21.11.2024.
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