sein Sein mit seinem Haben, das allerdings noch kein individualistisches war, verband. Die darauf folgende Verwandlung des Bodens in Privat- eigentum, so sehr sie grade Person und Besitz zu verbinden schien, löste dennoch jenen prinzipiellen Zusammenhang zwischen ihnen, indem nun jede beliebige Aktion mit dem Besitz möglich wurde. Die ein- dringende Geldwirtschaft hat zuerst in den mittelalterlichen Städten bewirkt, dass man den Boden belasten, Renten auf ihn aufnehmen konnte, ohne dass die Person des Besitzers dadurch betroffen und in ihrer sozialen Stellung herabgesetzt worden wäre. Die Geldwirtschaft trieb den Boden und den Eigentümer als Person so weit auseinander, dass eine Beschränkung des vollen Eigen, wie sie in der Hypothek lag, nicht mehr wie früher als eine Deteriorierung des Eigentümers em- pfunden wurde. Die Hypothezierung und der Verkauf für Geld waren nur die äussersten und allerdings erst durch das Geld möglichen Folgen jener Trennung zwischen der Person und dem Grund und Boden; be- gonnen aber hatte dieser Prozess schon vor dem Gelde und mit dem Augenblick, als die Gentilverfassung sich löste. Ähnlich liegt es mit der späteren Entwicklung, die die patriarchalische Verfassung in den Rechtsstaat mit Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz über- führte. Auch sie bedeutet eine Lösung des Seins vom Haben und des Habens vom Sein: die Stellung wird nicht mehr durch den Landbesitz bestimmt, der Besitz andrerseits nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu der adligen Klasse. Eine ganze Anzahl von gesellschaftlichen Be- wegungen drängt auf dieses Resultat: die Schwächung des Adels durch den quantitativen Zuwachs der unteren Stände, die Arbeitsteilung in diesen, die einerseits eine Art Aristokratie unter ihnen erzeugt, andrer- seits sie dem Landadel unentbehrlicher macht, die grössere Bewegungs- freiheit der nicht an den Grundbesitz gebundenen Stände u. s. w. All diese Kräfte mussten z. B. am Ende des "griechischen Mittelalters" wirksam werden, als zudem Seehandel und Kolonialbewegung sich ent- wickelt und Athen seit dem 7. Jahrhundert die wirtschaftliche Ober- hand gewinnt; indem nun die Geldwirtschaft hinzukommt, vollendet sie nur diesen Prozess; der Grundbesitzer bedarf nun gleichfalls des Geldes, um mit den reichen Emporkömmlingen in einer Reihe zu bleiben, das Geld, als Hypothek, als Erlös der Produkte oder gar des Landes selbst schiebt sich zwischen ihn und seinen Besitz, und indem es ihn so von der qualitativen Bestimmtheit dieses unabhängiger macht, eben damit auch dem Besitz seine personale Färbung nimmt, bewirkt es zugleich eine wachsende Gleichberechtigung zwischen ihm und den andern Ständen. Das Prinzip des gleichen Rechtes für alle, wie es in den griechischen Demokratien schliesslich herrschend wurde, spricht so
sein Sein mit seinem Haben, das allerdings noch kein individualistisches war, verband. Die darauf folgende Verwandlung des Bodens in Privat- eigentum, so sehr sie grade Person und Besitz zu verbinden schien, löste dennoch jenen prinzipiellen Zusammenhang zwischen ihnen, indem nun jede beliebige Aktion mit dem Besitz möglich wurde. Die ein- dringende Geldwirtschaft hat zuerst in den mittelalterlichen Städten bewirkt, daſs man den Boden belasten, Renten auf ihn aufnehmen konnte, ohne daſs die Person des Besitzers dadurch betroffen und in ihrer sozialen Stellung herabgesetzt worden wäre. Die Geldwirtschaft trieb den Boden und den Eigentümer als Person so weit auseinander, daſs eine Beschränkung des vollen Eigen, wie sie in der Hypothek lag, nicht mehr wie früher als eine Deteriorierung des Eigentümers em- pfunden wurde. Die Hypothezierung und der Verkauf für Geld waren nur die äuſsersten und allerdings erst durch das Geld möglichen Folgen jener Trennung zwischen der Person und dem Grund und Boden; be- gonnen aber hatte dieser Prozeſs schon vor dem Gelde und mit dem Augenblick, als die Gentilverfassung sich löste. Ähnlich liegt es mit der späteren Entwicklung, die die patriarchalische Verfassung in den Rechtsstaat mit Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz über- führte. Auch sie bedeutet eine Lösung des Seins vom Haben und des Habens vom Sein: die Stellung wird nicht mehr durch den Landbesitz bestimmt, der Besitz andrerseits nicht mehr durch die Zugehörigkeit zu der adligen Klasse. Eine ganze Anzahl von gesellschaftlichen Be- wegungen drängt auf dieses Resultat: die Schwächung des Adels durch den quantitativen Zuwachs der unteren Stände, die Arbeitsteilung in diesen, die einerseits eine Art Aristokratie unter ihnen erzeugt, andrer- seits sie dem Landadel unentbehrlicher macht, die gröſsere Bewegungs- freiheit der nicht an den Grundbesitz gebundenen Stände u. s. w. All diese Kräfte muſsten z. B. am Ende des „griechischen Mittelalters“ wirksam werden, als zudem Seehandel und Kolonialbewegung sich ent- wickelt und Athen seit dem 7. Jahrhundert die wirtschaftliche Ober- hand gewinnt; indem nun die Geldwirtschaft hinzukommt, vollendet sie nur diesen Prozeſs; der Grundbesitzer bedarf nun gleichfalls des Geldes, um mit den reichen Emporkömmlingen in einer Reihe zu bleiben, das Geld, als Hypothek, als Erlös der Produkte oder gar des Landes selbst schiebt sich zwischen ihn und seinen Besitz, und indem es ihn so von der qualitativen Bestimmtheit dieses unabhängiger macht, eben damit auch dem Besitz seine personale Färbung nimmt, bewirkt es zugleich eine wachsende Gleichberechtigung zwischen ihm und den andern Ständen. Das Prinzip des gleichen Rechtes für alle, wie es in den griechischen Demokratien schlieſslich herrschend wurde, spricht so
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[322/0346]
sein Sein mit seinem Haben, das allerdings noch kein individualistisches
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nun jede beliebige Aktion mit dem Besitz möglich wurde. Die ein-
dringende Geldwirtschaft hat zuerst in den mittelalterlichen Städten
bewirkt, daſs man den Boden belasten, Renten auf ihn aufnehmen
konnte, ohne daſs die Person des Besitzers dadurch betroffen und in
ihrer sozialen Stellung herabgesetzt worden wäre. Die Geldwirtschaft
trieb den Boden und den Eigentümer als Person so weit auseinander,
daſs eine Beschränkung des vollen Eigen, wie sie in der Hypothek lag,
nicht mehr wie früher als eine Deteriorierung des Eigentümers em-
pfunden wurde. Die Hypothezierung und der Verkauf für Geld waren
nur die äuſsersten und allerdings erst durch das Geld möglichen Folgen
jener Trennung zwischen der Person und dem Grund und Boden; be-
gonnen aber hatte dieser Prozeſs schon vor dem Gelde und mit dem
Augenblick, als die Gentilverfassung sich löste. Ähnlich liegt es mit
der späteren Entwicklung, die die patriarchalische Verfassung in den
Rechtsstaat mit Gleichberechtigung aller Bürger vor dem Gesetz über-
führte. Auch sie bedeutet eine Lösung des Seins vom Haben und des
Habens vom Sein: die Stellung wird nicht mehr durch den Landbesitz
bestimmt, der Besitz andrerseits nicht mehr durch die Zugehörigkeit
zu der adligen Klasse. Eine ganze Anzahl von gesellschaftlichen Be-
wegungen drängt auf dieses Resultat: die Schwächung des Adels durch
den quantitativen Zuwachs der unteren Stände, die Arbeitsteilung in
diesen, die einerseits eine Art Aristokratie unter ihnen erzeugt, andrer-
seits sie dem Landadel unentbehrlicher macht, die gröſsere Bewegungs-
freiheit der nicht an den Grundbesitz gebundenen Stände u. s. w.
All diese Kräfte muſsten z. B. am Ende des „griechischen Mittelalters“
wirksam werden, als zudem Seehandel und Kolonialbewegung sich ent-
wickelt und Athen seit dem 7. Jahrhundert die wirtschaftliche Ober-
hand gewinnt; indem nun die Geldwirtschaft hinzukommt, vollendet
sie nur diesen Prozeſs; der Grundbesitzer bedarf nun gleichfalls des
Geldes, um mit den reichen Emporkömmlingen in einer Reihe zu
bleiben, das Geld, als Hypothek, als Erlös der Produkte oder gar des
Landes selbst schiebt sich zwischen ihn und seinen Besitz, und indem
es ihn so von der qualitativen Bestimmtheit dieses unabhängiger macht,
eben damit auch dem Besitz seine personale Färbung nimmt, bewirkt
es zugleich eine wachsende Gleichberechtigung zwischen ihm und den
andern Ständen. Das Prinzip des gleichen Rechtes für alle, wie es in
den griechischen Demokratien schlieſslich herrschend wurde, spricht so
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/346>, abgerufen am 22.11.2024.
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