lichkeit aufzudrücken. Hier ermöglicht also das Geld eine ganz eigen- artige Expansion der Persönlichkeit, sie sucht sich nicht mit dem Besitz der Dinge selbst zu schmücken, die Herrschaft über diese ist ihr gleich- gültig; es genügt ihr vielmehr jene momentane Macht über sie, und während es scheint, als ob dieses Sich-Fernhalten von jeder qualitativen Beziehung zu ihnen der Persönlichkeit gar keine Erweiterung und Befriedigung ge- währen könne, wird doch grade der Aktus des Kaufens als eine solche empfunden, weil die Dinge ihrer Geldseite nach sozusagen absolut ge- horsam sind; wegen der Vollständigkeit, mit der das Geld und die Dinge als Geldwerte dem Impulse der Persönlichkeit gehorchen, wird diese schon durch ein Symbol derjenigen Herrschaft über sie befriedigt, die sonst nur in dem wirklichen Besitze liegt. Der Genuss dieser blossen Symbolik des Genusses kann sich nahe an das Pathologische hin verirren, wie in dem folgenden Falle, den ein französischer Ro- mancier offenbar der Wirklichkeit nacherzählt. Gewissen Pariser Bo- heme-Kreisen habe ein Engländer angehört, dessen Lebensgenuss darin bestand, dass er die tollsten Orgien mitmachte, nie aber selbst etwas genoss, sondern immer nur für alle bezahlte; er tauchte auf, sprach nichts, that nichts, bezahlte alles und verschwand. Die eine Seite der fraglichen Vorgänge, das Bezahlen, muss für das Gefühl dieses Mannes zu ihrem Ganzen geworden sein. Es ist wohl anzunehmen, dass hier eine jener perversen Befriedigungen vorliegt, von denen neuerdings in der Sexual-Pathologie häufig die Rede ist; der gewöhnlichen Ver- schwendungssucht gegenüber, die auch an der Vorstufe des Besitzens und Geniessens, dem blossen Geldausgeben, Halt macht, ist das Ver- fahren jenes Mannes deshalb so besonders auffällig, weil die Genüsse, die hier durch ihr Äquivalent vertreten werden, ihm so sehr nahe- tretende und unmittelbar verführerische sind. -- Das Fernbleiben von dem positiven Haben und Ausschöpfen der Dinge einerseits, die That- sache andrerseits, dass schon ihr blosser Kauf als ein Verhältnis zwischen der Persönlichkeit und ihnen und als eine persönliche Befriedigung empfunden wird, erklärt sich aus der Expansion, die die blosse Funktion des Geldaufwandes der Persönlichkeit gewährt. Trotz oder wegen seiner eigenen absoluten Nachgiebigkeit baut das Geld eine Brücke zwischen dem so empfindenden Menschen und den Dingen, über die hinschreitend die Seele den Reiz ihres Besitzes auch dann empfindet, wenn sie zu diesem selbst gar nicht gelangt.
Dieses Verhältnis bildet ferner eine Seite der sehr komplexen und oben schon wichtig gewordenen Erscheinung des Geizes. Indem der Geizige in dem Besitz des Geldes seine Seligkeit findet, ohne zum Er- werb und Genuss einzelner Gegenstände vorzuschreiten, muss sein
lichkeit aufzudrücken. Hier ermöglicht also das Geld eine ganz eigen- artige Expansion der Persönlichkeit, sie sucht sich nicht mit dem Besitz der Dinge selbst zu schmücken, die Herrschaft über diese ist ihr gleich- gültig; es genügt ihr vielmehr jene momentane Macht über sie, und während es scheint, als ob dieses Sich-Fernhalten von jeder qualitativen Beziehung zu ihnen der Persönlichkeit gar keine Erweiterung und Befriedigung ge- währen könne, wird doch grade der Aktus des Kaufens als eine solche empfunden, weil die Dinge ihrer Geldseite nach sozusagen absolut ge- horsam sind; wegen der Vollständigkeit, mit der das Geld und die Dinge als Geldwerte dem Impulse der Persönlichkeit gehorchen, wird diese schon durch ein Symbol derjenigen Herrschaft über sie befriedigt, die sonst nur in dem wirklichen Besitze liegt. Der Genuſs dieser bloſsen Symbolik des Genusses kann sich nahe an das Pathologische hin verirren, wie in dem folgenden Falle, den ein französischer Ro- mancier offenbar der Wirklichkeit nacherzählt. Gewissen Pariser Bo- hême-Kreisen habe ein Engländer angehört, dessen Lebensgenuſs darin bestand, daſs er die tollsten Orgien mitmachte, nie aber selbst etwas genoſs, sondern immer nur für alle bezahlte; er tauchte auf, sprach nichts, that nichts, bezahlte alles und verschwand. Die eine Seite der fraglichen Vorgänge, das Bezahlen, muſs für das Gefühl dieses Mannes zu ihrem Ganzen geworden sein. Es ist wohl anzunehmen, daſs hier eine jener perversen Befriedigungen vorliegt, von denen neuerdings in der Sexual-Pathologie häufig die Rede ist; der gewöhnlichen Ver- schwendungssucht gegenüber, die auch an der Vorstufe des Besitzens und Genieſsens, dem bloſsen Geldausgeben, Halt macht, ist das Ver- fahren jenes Mannes deshalb so besonders auffällig, weil die Genüsse, die hier durch ihr Äquivalent vertreten werden, ihm so sehr nahe- tretende und unmittelbar verführerische sind. — Das Fernbleiben von dem positiven Haben und Ausschöpfen der Dinge einerseits, die That- sache andrerseits, daſs schon ihr bloſser Kauf als ein Verhältnis zwischen der Persönlichkeit und ihnen und als eine persönliche Befriedigung empfunden wird, erklärt sich aus der Expansion, die die bloſse Funktion des Geldaufwandes der Persönlichkeit gewährt. Trotz oder wegen seiner eigenen absoluten Nachgiebigkeit baut das Geld eine Brücke zwischen dem so empfindenden Menschen und den Dingen, über die hinschreitend die Seele den Reiz ihres Besitzes auch dann empfindet, wenn sie zu diesem selbst gar nicht gelangt.
Dieses Verhältnis bildet ferner eine Seite der sehr komplexen und oben schon wichtig gewordenen Erscheinung des Geizes. Indem der Geizige in dem Besitz des Geldes seine Seligkeit findet, ohne zum Er- werb und Genuſs einzelner Gegenstände vorzuschreiten, muſs sein
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lichkeit aufzudrücken. Hier ermöglicht also das Geld eine ganz eigen-
artige Expansion der Persönlichkeit, sie sucht sich nicht mit dem Besitz
der Dinge selbst zu schmücken, die Herrschaft über diese ist ihr gleich-
gültig; es genügt ihr vielmehr jene momentane Macht über sie, und während
es scheint, als ob dieses Sich-Fernhalten von jeder qualitativen Beziehung
zu ihnen der Persönlichkeit gar keine Erweiterung und Befriedigung ge-
währen könne, wird doch grade der Aktus des Kaufens als eine solche
empfunden, weil die Dinge ihrer Geldseite nach sozusagen absolut ge-
horsam sind; wegen der Vollständigkeit, mit der das Geld und die
Dinge als Geldwerte dem Impulse der Persönlichkeit gehorchen, wird
diese schon durch ein Symbol derjenigen Herrschaft über sie befriedigt,
die sonst nur in dem wirklichen Besitze liegt. Der Genuſs dieser
bloſsen Symbolik des Genusses kann sich nahe an das Pathologische
hin verirren, wie in dem folgenden Falle, den ein französischer Ro-
mancier offenbar der Wirklichkeit nacherzählt. Gewissen Pariser Bo-
hême-Kreisen habe ein Engländer angehört, dessen Lebensgenuſs darin
bestand, daſs er die tollsten Orgien mitmachte, nie aber selbst etwas
genoſs, sondern immer nur für alle bezahlte; er tauchte auf, sprach
nichts, that nichts, bezahlte alles und verschwand. Die eine Seite der
fraglichen Vorgänge, das Bezahlen, muſs für das Gefühl dieses Mannes
zu ihrem Ganzen geworden sein. Es ist wohl anzunehmen, daſs hier
eine jener perversen Befriedigungen vorliegt, von denen neuerdings in
der Sexual-Pathologie häufig die Rede ist; der gewöhnlichen Ver-
schwendungssucht gegenüber, die auch an der Vorstufe des Besitzens
und Genieſsens, dem bloſsen Geldausgeben, Halt macht, ist das Ver-
fahren jenes Mannes deshalb so besonders auffällig, weil die Genüsse,
die hier durch ihr Äquivalent vertreten werden, ihm so sehr nahe-
tretende und unmittelbar verführerische sind. — Das Fernbleiben von
dem positiven Haben und Ausschöpfen der Dinge einerseits, die That-
sache andrerseits, daſs schon ihr bloſser Kauf als ein Verhältnis zwischen
der Persönlichkeit und ihnen und als eine persönliche Befriedigung
empfunden wird, erklärt sich aus der Expansion, die die bloſse Funktion
des Geldaufwandes der Persönlichkeit gewährt. Trotz oder wegen
seiner eigenen absoluten Nachgiebigkeit baut das Geld eine Brücke
zwischen dem so empfindenden Menschen und den Dingen, über die
hinschreitend die Seele den Reiz ihres Besitzes auch dann empfindet,
wenn sie zu diesem selbst gar nicht gelangt.
Dieses Verhältnis bildet ferner eine Seite der sehr komplexen und
oben schon wichtig gewordenen Erscheinung des Geizes. Indem der
Geizige in dem Besitz des Geldes seine Seligkeit findet, ohne zum Er-
werb und Genuſs einzelner Gegenstände vorzuschreiten, muſs sein
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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