schiedene Wergelder für sie forderten, war es klar, dass sie damit ihren persönlichen Verlust deckten; sobald aber die Höhe des Wer- geldes für den bestimmten Stand ein für allemal festgesetzt und dieses bei den verschiedensten Personen und in den verschiedensten Fällen immer gleich geleistet wurde, so musste sich daraufhin die Vorstellung aus- bilden, der Mann sei eben an und für sich so und so viel wert. Diese Gleichgültigkeit gegen personale Unterschiede lässt den Wert des Menschen überhaupt nicht mehr in demjenigen bestehen, was andere Subjekte an ihm besitzen und verlieren, sie lässt ihn gleichsam als einen objektiven, in Geld ausdrückbaren, auf ihn selbst zurückströmen. Die im Interesse des sozialen Friedens und zur Vermeidung endloser Zwistigkeiten getroffene Fixierung des Wergeldes erscheint so als die psychologische Ursache, die die ursprünglich subjektiv-utilitarische Wertung des Menschenlebens in die objektive Vorstellung überführte, der Mensch habe eben diesen bestimmten Wert.
Dieser kulturhistorisch so eminent wichtige Gedanke, dass die Totalität eines Menschen mit Geld aufzuwiegen sei, findet sich that- sächlich nur in zwei oder drei Erscheinungen verwirklicht: eben im Blutgeld und in der Sklaverei, vielleicht auch in der Kaufehe, auf die ich nachher eingehe. Man könnte die ungeheure Differenz der An- schauungsweisen, die uns die Möglichkeit der Sklaverei und des Blut- geldes heute so fern rückt, nach rein ökonomischen Begriffen dennoch als eine bloss graduelle, quantitative bezeichnen. Denn im Sklaven wird doch nur die Summe derjenigen Arbeitsleistungen mit Geld be- zahlt, die wir in ihrer Vereinzelung auch heute nur mit Geld bezahlen. Das Äquivalent für das ausgegebene Geld ist heute wie damals die Arbeit des Menschen; nur dass sie damals in Bausch und Bogen er- worben wurde und jetzt von Fall zu Fall, und dass sie nicht dem Arbeitenden, sondern einem anderen bezahlt wurde -- von den Fällen freiwilligen Sich-Verkaufens in die Sklaverei abgesehen. Und in Hin- sicht des Blutgeldes widerspricht es auch heute unseren Gefühlen nicht, dass eine Geldbusse auf geringere Verletzungen gesetzt wird, seien es solche körperlicher oder innerer Art, wie Ehrenkränkungen oder Bruch des Eheversprechens. Noch neuerdings werden Delikte bis zu recht erheblicher Schwere in einigen Strafgesetzgebungen nur mit Geld ge- sühnt: so im Staate New-York, in den Niederlanden, im modernen Japan. Auf dem bloss ökonomischen Standpunkte verharrend, kann man die Tötung des Menschen als eine bloss graduelle Steigerung solcher partieller Lahmlegungen und Herabsetzungen seiner Energien und Bewährungen ansehen, wie man ja auch physiologisch den Tod als eine Steigerung und Verbreiterung von Prozessen bezeichnet hat, die
schiedene Wergelder für sie forderten, war es klar, daſs sie damit ihren persönlichen Verlust deckten; sobald aber die Höhe des Wer- geldes für den bestimmten Stand ein für allemal festgesetzt und dieses bei den verschiedensten Personen und in den verschiedensten Fällen immer gleich geleistet wurde, so muſste sich daraufhin die Vorstellung aus- bilden, der Mann sei eben an und für sich so und so viel wert. Diese Gleichgültigkeit gegen personale Unterschiede läſst den Wert des Menschen überhaupt nicht mehr in demjenigen bestehen, was andere Subjekte an ihm besitzen und verlieren, sie läſst ihn gleichsam als einen objektiven, in Geld ausdrückbaren, auf ihn selbst zurückströmen. Die im Interesse des sozialen Friedens und zur Vermeidung endloser Zwistigkeiten getroffene Fixierung des Wergeldes erscheint so als die psychologische Ursache, die die ursprünglich subjektiv-utilitarische Wertung des Menschenlebens in die objektive Vorstellung überführte, der Mensch habe eben diesen bestimmten Wert.
Dieser kulturhistorisch so eminent wichtige Gedanke, daſs die Totalität eines Menschen mit Geld aufzuwiegen sei, findet sich that- sächlich nur in zwei oder drei Erscheinungen verwirklicht: eben im Blutgeld und in der Sklaverei, vielleicht auch in der Kaufehe, auf die ich nachher eingehe. Man könnte die ungeheure Differenz der An- schauungsweisen, die uns die Möglichkeit der Sklaverei und des Blut- geldes heute so fern rückt, nach rein ökonomischen Begriffen dennoch als eine bloſs graduelle, quantitative bezeichnen. Denn im Sklaven wird doch nur die Summe derjenigen Arbeitsleistungen mit Geld be- zahlt, die wir in ihrer Vereinzelung auch heute nur mit Geld bezahlen. Das Äquivalent für das ausgegebene Geld ist heute wie damals die Arbeit des Menschen; nur daſs sie damals in Bausch und Bogen er- worben wurde und jetzt von Fall zu Fall, und daſs sie nicht dem Arbeitenden, sondern einem anderen bezahlt wurde — von den Fällen freiwilligen Sich-Verkaufens in die Sklaverei abgesehen. Und in Hin- sicht des Blutgeldes widerspricht es auch heute unseren Gefühlen nicht, daſs eine Geldbuſse auf geringere Verletzungen gesetzt wird, seien es solche körperlicher oder innerer Art, wie Ehrenkränkungen oder Bruch des Eheversprechens. Noch neuerdings werden Delikte bis zu recht erheblicher Schwere in einigen Strafgesetzgebungen nur mit Geld ge- sühnt: so im Staate New-York, in den Niederlanden, im modernen Japan. Auf dem bloſs ökonomischen Standpunkte verharrend, kann man die Tötung des Menschen als eine bloſs graduelle Steigerung solcher partieller Lahmlegungen und Herabsetzungen seiner Energien und Bewährungen ansehen, wie man ja auch physiologisch den Tod als eine Steigerung und Verbreiterung von Prozessen bezeichnet hat, die
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schiedene Wergelder für sie forderten, war es klar, daſs sie damit
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den verschiedensten Personen und in den verschiedensten Fällen immer
gleich geleistet wurde, so muſste sich daraufhin die Vorstellung aus-
bilden, der Mann sei eben an und für sich so und so viel wert. Diese
Gleichgültigkeit gegen personale Unterschiede läſst den Wert des
Menschen überhaupt nicht mehr in demjenigen bestehen, was andere
Subjekte an ihm besitzen und verlieren, sie läſst ihn gleichsam als
einen objektiven, in Geld ausdrückbaren, auf ihn selbst zurückströmen.
Die im Interesse des sozialen Friedens und zur Vermeidung endloser
Zwistigkeiten getroffene Fixierung des Wergeldes erscheint so als die
psychologische Ursache, die die ursprünglich subjektiv-utilitarische
Wertung des Menschenlebens in die objektive Vorstellung überführte,
der Mensch habe eben diesen bestimmten Wert.
Dieser kulturhistorisch so eminent wichtige Gedanke, daſs die
Totalität eines Menschen mit Geld aufzuwiegen sei, findet sich that-
sächlich nur in zwei oder drei Erscheinungen verwirklicht: eben im
Blutgeld und in der Sklaverei, vielleicht auch in der Kaufehe, auf die
ich nachher eingehe. Man könnte die ungeheure Differenz der An-
schauungsweisen, die uns die Möglichkeit der Sklaverei und des Blut-
geldes heute so fern rückt, nach rein ökonomischen Begriffen dennoch
als eine bloſs graduelle, quantitative bezeichnen. Denn im Sklaven
wird doch nur die Summe derjenigen Arbeitsleistungen mit Geld be-
zahlt, die wir in ihrer Vereinzelung auch heute nur mit Geld bezahlen.
Das Äquivalent für das ausgegebene Geld ist heute wie damals die
Arbeit des Menschen; nur daſs sie damals in Bausch und Bogen er-
worben wurde und jetzt von Fall zu Fall, und daſs sie nicht dem
Arbeitenden, sondern einem anderen bezahlt wurde — von den Fällen
freiwilligen Sich-Verkaufens in die Sklaverei abgesehen. Und in Hin-
sicht des Blutgeldes widerspricht es auch heute unseren Gefühlen nicht,
daſs eine Geldbuſse auf geringere Verletzungen gesetzt wird, seien es
solche körperlicher oder innerer Art, wie Ehrenkränkungen oder Bruch
des Eheversprechens. Noch neuerdings werden Delikte bis zu recht
erheblicher Schwere in einigen Strafgesetzgebungen nur mit Geld ge-
sühnt: so im Staate New-York, in den Niederlanden, im modernen
Japan. Auf dem bloſs ökonomischen Standpunkte verharrend, kann
man die Tötung des Menschen als eine bloſs graduelle Steigerung
solcher partieller Lahmlegungen und Herabsetzungen seiner Energien
und Bewährungen ansehen, wie man ja auch physiologisch den Tod als
eine Steigerung und Verbreiterung von Prozessen bezeichnet hat, die
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/394>, abgerufen am 21.11.2024.
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