auch nachdem ihr Ursprung, die vom Manne gezahlte Kaufsumme, in Wegfall gekommen war. Es interessiert hier nicht, diese sehr un- genau bekannte Evolution zu verfolgen. Aber man kann doch wohl behaupten, dass die Verallgemeinerung der Mitgift mit der steigenden Geldwirtschaft beginnt. Das mag so zusammenhängen. In den roheren Zuständen, wo der Frauenkauf herrscht, ist die Frau nicht nur ein Arbeitstier -- das ist sie meistenteils auch noch später -- sondern ihre Arbeit ist noch nicht in dem spezifischen Sinne "häuslich", wie die der Frau in der Geldwirtschaft, die wesentlich die Konsumtion des männlichen Erwerbes innerhalb des Hauses zu leiten hat. So weit ist in jenen Epochen die Arbeitsteilung noch nicht vorgeschritten, die Frau beteiligt sich unmittelbarer an der Produktion und stellt deshalb für ihren Besitzer einen viel greifbareren wirtschaftlichen Wert dar als später -- auch schon, weil in diesen Verhältnissen die Kinder direkten wirtschaftlichen Wert für den Vater besitzen, während sie in höheren oft eine wirtschaftliche Last sind. Der ursprüngliche Besitzer, der Vater oder der Stamm, hat keinen Grund, diesen Wert einem An- deren ohne Entgelt zu überlassen. Auf dieser Stufe erwirbt die Frau nicht nur ihren eigenen Unterhalt, sondern der Mann kann ihren Kauf- preis aus ihrer Arbeit unmittelbar herausschlagen. Das ändert sich, sobald die Wirtschaft ihren familienhaften Charakter und der Konsum seine Beschränkung auf die Eigenproduktion verliert. Damit scheiden sich die ökonomischen Interessen, vom Hause aus betrachtet, in eine zentrifugale und eine zentripetale Richtung. Die Produktion für den Markt und die Hauswirtschaft beginnen ihre Gegensätze, durch das Geld ermöglichte, zu entfalten und damit die schärfere Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern einzuleiten. Aus sehr naheliegenden Ur- sachen fällt der Frau die nach innen, dem Manne die nach aussen ge- wandte Thätigkeit zu und die erstere wird mehr und mehr eine Ver- waltung und Verwendung der Erträgnisse der letzteren. Damit ver- liert der wirtschaftliche Wert der Frau sozusagen seine Substanzialität und Sinnenfälligkeit, sie erscheint jetzt als die Unterhaltene, die von der Arbeit des Mannes lebt. Es fällt also nicht nur der Grund fort, einen Preis für sie zu fordern und zu bewilligen, sondern sie ist -- wenigstens für die gröbere Betrachtungsweise -- eine Last, die der Mann auf sich nimmt und die er zu versorgen hat. So ist das Fun- dament für die Mitgift geschaffen, die sich demzufolge immer um- fassender ausbilden muss, je mehr die Thätigkeitssphären von Mann und Frau sich in dem angegebenen Sinne scheiden. Unter einem Volke wie den Juden, bei denen auf Grund eines unruhigeren Tempera- mentes und anderer Ursachen die Männer sehr beweglich und, als
auch nachdem ihr Ursprung, die vom Manne gezahlte Kaufsumme, in Wegfall gekommen war. Es interessiert hier nicht, diese sehr un- genau bekannte Evolution zu verfolgen. Aber man kann doch wohl behaupten, daſs die Verallgemeinerung der Mitgift mit der steigenden Geldwirtschaft beginnt. Das mag so zusammenhängen. In den roheren Zuständen, wo der Frauenkauf herrscht, ist die Frau nicht nur ein Arbeitstier — das ist sie meistenteils auch noch später — sondern ihre Arbeit ist noch nicht in dem spezifischen Sinne „häuslich“, wie die der Frau in der Geldwirtschaft, die wesentlich die Konsumtion des männlichen Erwerbes innerhalb des Hauses zu leiten hat. So weit ist in jenen Epochen die Arbeitsteilung noch nicht vorgeschritten, die Frau beteiligt sich unmittelbarer an der Produktion und stellt deshalb für ihren Besitzer einen viel greifbareren wirtschaftlichen Wert dar als später — auch schon, weil in diesen Verhältnissen die Kinder direkten wirtschaftlichen Wert für den Vater besitzen, während sie in höheren oft eine wirtschaftliche Last sind. Der ursprüngliche Besitzer, der Vater oder der Stamm, hat keinen Grund, diesen Wert einem An- deren ohne Entgelt zu überlassen. Auf dieser Stufe erwirbt die Frau nicht nur ihren eigenen Unterhalt, sondern der Mann kann ihren Kauf- preis aus ihrer Arbeit unmittelbar herausschlagen. Das ändert sich, sobald die Wirtschaft ihren familienhaften Charakter und der Konsum seine Beschränkung auf die Eigenproduktion verliert. Damit scheiden sich die ökonomischen Interessen, vom Hause aus betrachtet, in eine zentrifugale und eine zentripetale Richtung. Die Produktion für den Markt und die Hauswirtschaft beginnen ihre Gegensätze, durch das Geld ermöglichte, zu entfalten und damit die schärfere Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern einzuleiten. Aus sehr naheliegenden Ur- sachen fällt der Frau die nach innen, dem Manne die nach auſsen ge- wandte Thätigkeit zu und die erstere wird mehr und mehr eine Ver- waltung und Verwendung der Erträgnisse der letzteren. Damit ver- liert der wirtschaftliche Wert der Frau sozusagen seine Substanzialität und Sinnenfälligkeit, sie erscheint jetzt als die Unterhaltene, die von der Arbeit des Mannes lebt. Es fällt also nicht nur der Grund fort, einen Preis für sie zu fordern und zu bewilligen, sondern sie ist — wenigstens für die gröbere Betrachtungsweise — eine Last, die der Mann auf sich nimmt und die er zu versorgen hat. So ist das Fun- dament für die Mitgift geschaffen, die sich demzufolge immer um- fassender ausbilden muſs, je mehr die Thätigkeitssphären von Mann und Frau sich in dem angegebenen Sinne scheiden. Unter einem Volke wie den Juden, bei denen auf Grund eines unruhigeren Tempera- mentes und anderer Ursachen die Männer sehr beweglich und, als
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auch nachdem ihr Ursprung, die vom Manne gezahlte Kaufsumme, in
Wegfall gekommen war. Es interessiert hier nicht, diese sehr un-
genau bekannte Evolution zu verfolgen. Aber man kann doch wohl
behaupten, daſs die Verallgemeinerung der Mitgift mit der steigenden
Geldwirtschaft beginnt. Das mag so zusammenhängen. In den roheren
Zuständen, wo der Frauenkauf herrscht, ist die Frau nicht nur ein
Arbeitstier — das ist sie meistenteils auch noch später — sondern
ihre Arbeit ist noch nicht in dem spezifischen Sinne „häuslich“, wie
die der Frau in der Geldwirtschaft, die wesentlich die Konsumtion des
männlichen Erwerbes innerhalb des Hauses zu leiten hat. So weit ist
in jenen Epochen die Arbeitsteilung noch nicht vorgeschritten, die
Frau beteiligt sich unmittelbarer an der Produktion und stellt deshalb
für ihren Besitzer einen viel greifbareren wirtschaftlichen Wert dar
als später — auch schon, weil in diesen Verhältnissen die Kinder
direkten wirtschaftlichen Wert für den Vater besitzen, während sie in
höheren oft eine wirtschaftliche Last sind. Der ursprüngliche Besitzer,
der Vater oder der Stamm, hat keinen Grund, diesen Wert einem An-
deren ohne Entgelt zu überlassen. Auf dieser Stufe erwirbt die Frau
nicht nur ihren eigenen Unterhalt, sondern der Mann kann ihren Kauf-
preis aus ihrer Arbeit unmittelbar herausschlagen. Das ändert sich,
sobald die Wirtschaft ihren familienhaften Charakter und der Konsum
seine Beschränkung auf die Eigenproduktion verliert. Damit scheiden
sich die ökonomischen Interessen, vom Hause aus betrachtet, in
eine zentrifugale und eine zentripetale Richtung. Die Produktion für
den Markt und die Hauswirtschaft beginnen ihre Gegensätze, durch
das Geld ermöglichte, zu entfalten und damit die schärfere Arbeitsteilung
zwischen den Geschlechtern einzuleiten. Aus sehr naheliegenden Ur-
sachen fällt der Frau die nach innen, dem Manne die nach auſsen ge-
wandte Thätigkeit zu und die erstere wird mehr und mehr eine Ver-
waltung und Verwendung der Erträgnisse der letzteren. Damit ver-
liert der wirtschaftliche Wert der Frau sozusagen seine Substanzialität
und Sinnenfälligkeit, sie erscheint jetzt als die Unterhaltene, die von
der Arbeit des Mannes lebt. Es fällt also nicht nur der Grund fort,
einen Preis für sie zu fordern und zu bewilligen, sondern sie ist
— wenigstens für die gröbere Betrachtungsweise — eine Last, die der
Mann auf sich nimmt und die er zu versorgen hat. So ist das Fun-
dament für die Mitgift geschaffen, die sich demzufolge immer um-
fassender ausbilden muſs, je mehr die Thätigkeitssphären von Mann
und Frau sich in dem angegebenen Sinne scheiden. Unter einem Volke
wie den Juden, bei denen auf Grund eines unruhigeren Tempera-
mentes und anderer Ursachen die Männer sehr beweglich und, als
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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