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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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III.

Die Bedeutung des Geldäquivalents der Arbeit ist auf diesen
Seiten so oft direkt und indirekt berührt, dass ich hier nur noch eine
darauf bezügliche Prinzipienfrage abhandeln möchte: ob die Arbeit
selbst etwa der Wert schlechthin ist, der also das Wertmoment in
allen ökonomischen Einzelheiten ebenso in concreto bildet, wie das-
selbe in abstracto durch das Geld ausgedrückt wird. Die Bemühungen,
die Gesamtheit der wirtschaftlichen Werte aus einer einzigen Quelle
abzuleiten und auf einen einzigen Ausdruck zu reduzieren -- auf die
Arbeit, die Kosten, den Nutzen u. s. w. -- wären sicher nicht auf-
getreten, wenn nicht die Umsetzbarkeit aller jener Werte in Geld auf
eine Einheit ihres Wesens hingedeutet und als Pfand für deren Er-
kennbarkeit gedient hätte. Der Begriff des "Arbeitsgeldes", der in sozia-
listischen Plänen auftaucht, drückt diesen Zusammenhang aus. Geleistete
Arbeit als der allein wertbildende Faktor giebt danach allein das Recht,
die Arbeitsprodukte Anderer zu beanspruchen, und dafür weiss man
eben keine andere Form, als dass man die Symbole und Anerkenntnisse
eines bestimmten Arbeitsquantums als Geld bezeichnet. Das Geld muss
also selbst da als Einheitsform der Werte konserviert werden, wo seine
augenblickliche Beschaffenheit verworfen wird, weil deren Eigenleben
es hindere, der adäquate Ausdruck der fundamentalen Wertpotenz zu
sein. Wenn man selbst neben der Arbeit noch die Natur als Wert-
bildner zulässt, da doch auch das aus ihr entnommene Material der
Arbeit Wert besitzt, und so, wie man sagte, die Arbeit zwar der Vater,
die Erde aber die Mutter des Reichtums ist -- so muss der sozia-
listische Gedankengang dennoch am Arbeitsgeld münden; denn da die
Schätze der Natur nicht mehr Privateigentum, sondern die gemeinsame,
jedem a priori in gleicher Weise zugängige Grundlage des Wirtschaftens
überhaupt sein sollen, so ist dasjenige, was jeder in den Tausch zu
geben hat, schliesslich doch nur seine Arbeit. Er kann freilich, wenn
er mit Hülfe dieser ein wertvolles Naturprodukt eingetauscht hat und
dieses weiter vertauscht, dessen Stoffwert mit in Rechnung stellen;

III.

Die Bedeutung des Geldäquivalents der Arbeit ist auf diesen
Seiten so oft direkt und indirekt berührt, daſs ich hier nur noch eine
darauf bezügliche Prinzipienfrage abhandeln möchte: ob die Arbeit
selbst etwa der Wert schlechthin ist, der also das Wertmoment in
allen ökonomischen Einzelheiten ebenso in concreto bildet, wie das-
selbe in abstracto durch das Geld ausgedrückt wird. Die Bemühungen,
die Gesamtheit der wirtschaftlichen Werte aus einer einzigen Quelle
abzuleiten und auf einen einzigen Ausdruck zu reduzieren — auf die
Arbeit, die Kosten, den Nutzen u. s. w. — wären sicher nicht auf-
getreten, wenn nicht die Umsetzbarkeit aller jener Werte in Geld auf
eine Einheit ihres Wesens hingedeutet und als Pfand für deren Er-
kennbarkeit gedient hätte. Der Begriff des „Arbeitsgeldes“, der in sozia-
listischen Plänen auftaucht, drückt diesen Zusammenhang aus. Geleistete
Arbeit als der allein wertbildende Faktor giebt danach allein das Recht,
die Arbeitsprodukte Anderer zu beanspruchen, und dafür weiſs man
eben keine andere Form, als daſs man die Symbole und Anerkenntnisse
eines bestimmten Arbeitsquantums als Geld bezeichnet. Das Geld muſs
also selbst da als Einheitsform der Werte konserviert werden, wo seine
augenblickliche Beschaffenheit verworfen wird, weil deren Eigenleben
es hindere, der adäquate Ausdruck der fundamentalen Wertpotenz zu
sein. Wenn man selbst neben der Arbeit noch die Natur als Wert-
bildner zuläſst, da doch auch das aus ihr entnommene Material der
Arbeit Wert besitzt, und so, wie man sagte, die Arbeit zwar der Vater,
die Erde aber die Mutter des Reichtums ist — so muſs der sozia-
listische Gedankengang dennoch am Arbeitsgeld münden; denn da die
Schätze der Natur nicht mehr Privateigentum, sondern die gemeinsame,
jedem a priori in gleicher Weise zugängige Grundlage des Wirtschaftens
überhaupt sein sollen, so ist dasjenige, was jeder in den Tausch zu
geben hat, schlieſslich doch nur seine Arbeit. Er kann freilich, wenn
er mit Hülfe dieser ein wertvolles Naturprodukt eingetauscht hat und
dieses weiter vertauscht, dessen Stoffwert mit in Rechnung stellen;

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[[431]/0455] III. Die Bedeutung des Geldäquivalents der Arbeit ist auf diesen Seiten so oft direkt und indirekt berührt, daſs ich hier nur noch eine darauf bezügliche Prinzipienfrage abhandeln möchte: ob die Arbeit selbst etwa der Wert schlechthin ist, der also das Wertmoment in allen ökonomischen Einzelheiten ebenso in concreto bildet, wie das- selbe in abstracto durch das Geld ausgedrückt wird. Die Bemühungen, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Werte aus einer einzigen Quelle abzuleiten und auf einen einzigen Ausdruck zu reduzieren — auf die Arbeit, die Kosten, den Nutzen u. s. w. — wären sicher nicht auf- getreten, wenn nicht die Umsetzbarkeit aller jener Werte in Geld auf eine Einheit ihres Wesens hingedeutet und als Pfand für deren Er- kennbarkeit gedient hätte. Der Begriff des „Arbeitsgeldes“, der in sozia- listischen Plänen auftaucht, drückt diesen Zusammenhang aus. Geleistete Arbeit als der allein wertbildende Faktor giebt danach allein das Recht, die Arbeitsprodukte Anderer zu beanspruchen, und dafür weiſs man eben keine andere Form, als daſs man die Symbole und Anerkenntnisse eines bestimmten Arbeitsquantums als Geld bezeichnet. Das Geld muſs also selbst da als Einheitsform der Werte konserviert werden, wo seine augenblickliche Beschaffenheit verworfen wird, weil deren Eigenleben es hindere, der adäquate Ausdruck der fundamentalen Wertpotenz zu sein. Wenn man selbst neben der Arbeit noch die Natur als Wert- bildner zuläſst, da doch auch das aus ihr entnommene Material der Arbeit Wert besitzt, und so, wie man sagte, die Arbeit zwar der Vater, die Erde aber die Mutter des Reichtums ist — so muſs der sozia- listische Gedankengang dennoch am Arbeitsgeld münden; denn da die Schätze der Natur nicht mehr Privateigentum, sondern die gemeinsame, jedem a priori in gleicher Weise zugängige Grundlage des Wirtschaftens überhaupt sein sollen, so ist dasjenige, was jeder in den Tausch zu geben hat, schlieſslich doch nur seine Arbeit. Er kann freilich, wenn er mit Hülfe dieser ein wertvolles Naturprodukt eingetauscht hat und dieses weiter vertauscht, dessen Stoffwert mit in Rechnung stellen;

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. [431]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/455>, abgerufen am 22.11.2024.