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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Werte, auf den die Arbeitstheorie ausging, in vorläufige Sicherheit
gebracht.

Damit ist aber nur der allgemeine Begriff der Arbeit massgebend
geworden und die Theorie beruht insoweit auf einer sehr künstlichen
Abstraktion. Man könnte ihr vorwerfen, sie baue sich auf dem typi-
schen Irrtum auf, dass die Arbeit zunächst und fundamental Arbeit
überhaupt wäre, und dann erst, gewissermassen als Bestimmungen
zweiten Grades, ihre spezifischen Eigenschaften dazu träten, um sie zu
dieser bestimmten zu machen. Als ob diejenigen Eigenschaften, auf
die hin wir ein Handeln als Arbeit überhaupt bezeichnen, nicht mit
seinen übrigen Bestimmungen eine vollkommene Einheit bildeten, als
ob jene Scheidung und Rangordnung nicht auf einem ganz willkürlich
gesetzten Grenzstrich beruhte! Grade als ob der Mensch erst Mensch
überhaupt wäre, und dann, in realer Scheidung davon, erst das be-
stimmte Individuum! Freilich ist auch dieser Irrtum begangen und
zur Grundlage sozialer Theorien gemacht worden. Der Arbeitsbegriff,
mit dem die ganze vorhergehende Erörterung rechnet, ist eigentlich
nur negativ bestimmt: als dasjenige, was übrig bleibt, wenn man von
allen Arten des Arbeitens alles weglässt, was sie von einander unter-
scheidet. Allein, was hier thatsächlich übrig bleibt, entspricht keines-
wegs, wie eine verlockende Analogie nahelegen könnte, dem physi-
kalischen Begriff der Energie, die in quantitativer Unveränderlichkeit
bald als Wärme, bald als Elektrizität, bald als mechanische Bewegung
auftreten kann; hier ist allerdings ein mathematischer Ausdruck mög-
lich, der das Gemeinsame aller dieser spezifischen Erscheinungen und
sie als Äusserungen dieser einen Grundthatsache darstellt. Menschliche
Arbeit aber, ganz im allgemeinen, gestattet keine derartig abstrakte,
aber doch bestimmte Formulierung. Die Behauptung, dass alle Arbeit
schlechthin Arbeit und nichts anderes wäre, bedeutet, als Grundlage
für die Gleichwertigkeit derselben, etwas genau so Ungreifbares, ab-
strakt Leeres, wie jene Theorie: jeder Mensch sei eben Mensch und
deshalb seien alle gleichwertig und zu den gleichen Rechten und
Pflichten qualifiziert. Soll der Begriff der Arbeit also, dem in seiner
bisher angenommenen Allgemeinheit mehr ein dunkles Gefühl als ein
fester Inhalt seine Bedeutung geben konnte, eine solche wirklich er-
halten, so bedarf es einer näheren Präzision des realen Vorganges, den
man unter ihm verstehen kann.

Als dieses letzte, konkrete Element ist, worauf ich jetzt zurück-
komme, die Muskelarbeit behauptet worden; und wir fragen nach dem
Rechte dieser Behauptung, nachdem wir ihren Beweis aus der Kosten-
losigkeit der geistigen Arbeit oben in seiner Gültigkeit beschränkt

Werte, auf den die Arbeitstheorie ausging, in vorläufige Sicherheit
gebracht.

Damit ist aber nur der allgemeine Begriff der Arbeit maſsgebend
geworden und die Theorie beruht insoweit auf einer sehr künstlichen
Abstraktion. Man könnte ihr vorwerfen, sie baue sich auf dem typi-
schen Irrtum auf, daſs die Arbeit zunächst und fundamental Arbeit
überhaupt wäre, und dann erst, gewissermaſsen als Bestimmungen
zweiten Grades, ihre spezifischen Eigenschaften dazu träten, um sie zu
dieser bestimmten zu machen. Als ob diejenigen Eigenschaften, auf
die hin wir ein Handeln als Arbeit überhaupt bezeichnen, nicht mit
seinen übrigen Bestimmungen eine vollkommene Einheit bildeten, als
ob jene Scheidung und Rangordnung nicht auf einem ganz willkürlich
gesetzten Grenzstrich beruhte! Grade als ob der Mensch erst Mensch
überhaupt wäre, und dann, in realer Scheidung davon, erst das be-
stimmte Individuum! Freilich ist auch dieser Irrtum begangen und
zur Grundlage sozialer Theorien gemacht worden. Der Arbeitsbegriff,
mit dem die ganze vorhergehende Erörterung rechnet, ist eigentlich
nur negativ bestimmt: als dasjenige, was übrig bleibt, wenn man von
allen Arten des Arbeitens alles wegläſst, was sie von einander unter-
scheidet. Allein, was hier thatsächlich übrig bleibt, entspricht keines-
wegs, wie eine verlockende Analogie nahelegen könnte, dem physi-
kalischen Begriff der Energie, die in quantitativer Unveränderlichkeit
bald als Wärme, bald als Elektrizität, bald als mechanische Bewegung
auftreten kann; hier ist allerdings ein mathematischer Ausdruck mög-
lich, der das Gemeinsame aller dieser spezifischen Erscheinungen und
sie als Äuſserungen dieser einen Grundthatsache darstellt. Menschliche
Arbeit aber, ganz im allgemeinen, gestattet keine derartig abstrakte,
aber doch bestimmte Formulierung. Die Behauptung, daſs alle Arbeit
schlechthin Arbeit und nichts anderes wäre, bedeutet, als Grundlage
für die Gleichwertigkeit derselben, etwas genau so Ungreifbares, ab-
strakt Leeres, wie jene Theorie: jeder Mensch sei eben Mensch und
deshalb seien alle gleichwertig und zu den gleichen Rechten und
Pflichten qualifiziert. Soll der Begriff der Arbeit also, dem in seiner
bisher angenommenen Allgemeinheit mehr ein dunkles Gefühl als ein
fester Inhalt seine Bedeutung geben konnte, eine solche wirklich er-
halten, so bedarf es einer näheren Präzision des realen Vorganges, den
man unter ihm verstehen kann.

Als dieses letzte, konkrete Element ist, worauf ich jetzt zurück-
komme, die Muskelarbeit behauptet worden; und wir fragen nach dem
Rechte dieser Behauptung, nachdem wir ihren Beweis aus der Kosten-
losigkeit der geistigen Arbeit oben in seiner Gültigkeit beschränkt

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[441/0465] Werte, auf den die Arbeitstheorie ausging, in vorläufige Sicherheit gebracht. Damit ist aber nur der allgemeine Begriff der Arbeit maſsgebend geworden und die Theorie beruht insoweit auf einer sehr künstlichen Abstraktion. Man könnte ihr vorwerfen, sie baue sich auf dem typi- schen Irrtum auf, daſs die Arbeit zunächst und fundamental Arbeit überhaupt wäre, und dann erst, gewissermaſsen als Bestimmungen zweiten Grades, ihre spezifischen Eigenschaften dazu träten, um sie zu dieser bestimmten zu machen. Als ob diejenigen Eigenschaften, auf die hin wir ein Handeln als Arbeit überhaupt bezeichnen, nicht mit seinen übrigen Bestimmungen eine vollkommene Einheit bildeten, als ob jene Scheidung und Rangordnung nicht auf einem ganz willkürlich gesetzten Grenzstrich beruhte! Grade als ob der Mensch erst Mensch überhaupt wäre, und dann, in realer Scheidung davon, erst das be- stimmte Individuum! Freilich ist auch dieser Irrtum begangen und zur Grundlage sozialer Theorien gemacht worden. Der Arbeitsbegriff, mit dem die ganze vorhergehende Erörterung rechnet, ist eigentlich nur negativ bestimmt: als dasjenige, was übrig bleibt, wenn man von allen Arten des Arbeitens alles wegläſst, was sie von einander unter- scheidet. Allein, was hier thatsächlich übrig bleibt, entspricht keines- wegs, wie eine verlockende Analogie nahelegen könnte, dem physi- kalischen Begriff der Energie, die in quantitativer Unveränderlichkeit bald als Wärme, bald als Elektrizität, bald als mechanische Bewegung auftreten kann; hier ist allerdings ein mathematischer Ausdruck mög- lich, der das Gemeinsame aller dieser spezifischen Erscheinungen und sie als Äuſserungen dieser einen Grundthatsache darstellt. Menschliche Arbeit aber, ganz im allgemeinen, gestattet keine derartig abstrakte, aber doch bestimmte Formulierung. Die Behauptung, daſs alle Arbeit schlechthin Arbeit und nichts anderes wäre, bedeutet, als Grundlage für die Gleichwertigkeit derselben, etwas genau so Ungreifbares, ab- strakt Leeres, wie jene Theorie: jeder Mensch sei eben Mensch und deshalb seien alle gleichwertig und zu den gleichen Rechten und Pflichten qualifiziert. Soll der Begriff der Arbeit also, dem in seiner bisher angenommenen Allgemeinheit mehr ein dunkles Gefühl als ein fester Inhalt seine Bedeutung geben konnte, eine solche wirklich er- halten, so bedarf es einer näheren Präzision des realen Vorganges, den man unter ihm verstehen kann. Als dieses letzte, konkrete Element ist, worauf ich jetzt zurück- komme, die Muskelarbeit behauptet worden; und wir fragen nach dem Rechte dieser Behauptung, nachdem wir ihren Beweis aus der Kosten- losigkeit der geistigen Arbeit oben in seiner Gültigkeit beschränkt

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/465>, abgerufen am 22.11.2024.