gegenüber, sie ist eine Totalität jenseits aller Relativitäten unserer sonstigen Menschlichkeit; und andrerseits steht sie doch wieder im Leben, als eines seiner Elemente und erst in der Wechselwirkung mit allen andern die Ganzheit desselben ausmachend. So ist sie ein ganzer Organismus und zugleich ein Glied, ein Teil des Daseins und zugleich das Dasein selbst auf einer höheren, verinnerlichten Stufe. Die gleiche Form zeigt das Verhalten des Staates. Sicher ist es dessen Sinn, über den Parteien und den Konflikten ihrer Interessen zu stehen, und dieser abstrakten Höhe verdankt er seine Macht, seine Unberühr- barkeit, seine Stellung als letzte Instanz der Gesellschaft. Mit alledem nun ausgerüstet, pflegt er dennoch in jenen Streit der partikularen Gesellschaftsmächte einzutreten, die Partei der einen gegen gewisse andere zu ergreifen, die, obgleich von ihm in seinem weiteren Sinne mitumfasst, ihm in seinem engeren Sinne wie Macht zu Macht gegen- überstehen. Das ist die Doppelstellung oberster Instanzen, die sich innerhalb der Metaphysik wiederholt, wenn sie etwa der Gesamtheit des Seins geistiges Wesen zuschreibt, das Absolute, das alle Erscheinungen trägt oder ausmacht, für eine geistige Substanz erklärt. Aber dieses Absolute muss sie zugleich als ein Relatives anerkennen. Denn in der Wirklichkeit steht dem Geiste nicht nur eine Körperlichkeit gegen- über, so dass er in diesem Gegensatz erst sein eignes Wesen findet, sondern es begegnen geistige Erscheinungen unterwertiger Art, Böses, Träges, Feindseliges; und eine derartige Metaphysik wird solches nicht als dem Geiste zugehörig betrachten, der ihr die absolute Substanz des Seins ist. Sondern dieser wird als Partei, Ausgleichung, spezifischer Wert allem ungeistigen und unvollkommnen Sein entgegengestellt, das er doch andrerseits, da er das Absolute ist, soeben noch mitumfasst hat. Am durchgreifendsten wird diese Doppelexistenz am Begriff des Ich wirksam. Das Ich, dessen Vorstellung die Welt ist, steht jedem einzelnen Inhalt derselben in gleich beherrschender Höhe gegenüber, jenseits aller Qualitäten, Unterschiede und Konflikte, die nur inner- halb seiner, sozusagen als Privatangelegenheiten seiner Inhalte unter- einander, stattfinden. Aber unser thatsächliches Lebensgefühl lässt das Ich nicht in dieser Höhe stehen, es identifiziert es mit gewissen seiner Inhalte mehr als mit andern -- grade wie die Religiosität Gott an bestimmten Stellen besonders eingreifen sieht, während er doch an allen andern nicht weniger wirksam sein müsste --, das Ich wird zu einem einzelnen Inhalte seiner selbst, es differenziert sich, freundlich oder feindlich, sich hoch oder niedrig abmessend, gegen die übrige Welt und ihre Partikularitäten, während der Sinn seiner es doch ober- halb aller dieser gestellt hatte. Dies also ist der Formtypus, in dem
gegenüber, sie ist eine Totalität jenseits aller Relativitäten unserer sonstigen Menschlichkeit; und andrerseits steht sie doch wieder im Leben, als eines seiner Elemente und erst in der Wechselwirkung mit allen andern die Ganzheit desselben ausmachend. So ist sie ein ganzer Organismus und zugleich ein Glied, ein Teil des Daseins und zugleich das Dasein selbst auf einer höheren, verinnerlichten Stufe. Die gleiche Form zeigt das Verhalten des Staates. Sicher ist es dessen Sinn, über den Parteien und den Konflikten ihrer Interessen zu stehen, und dieser abstrakten Höhe verdankt er seine Macht, seine Unberühr- barkeit, seine Stellung als letzte Instanz der Gesellschaft. Mit alledem nun ausgerüstet, pflegt er dennoch in jenen Streit der partikularen Gesellschaftsmächte einzutreten, die Partei der einen gegen gewisse andere zu ergreifen, die, obgleich von ihm in seinem weiteren Sinne mitumfaſst, ihm in seinem engeren Sinne wie Macht zu Macht gegen- überstehen. Das ist die Doppelstellung oberster Instanzen, die sich innerhalb der Metaphysik wiederholt, wenn sie etwa der Gesamtheit des Seins geistiges Wesen zuschreibt, das Absolute, das alle Erscheinungen trägt oder ausmacht, für eine geistige Substanz erklärt. Aber dieses Absolute muſs sie zugleich als ein Relatives anerkennen. Denn in der Wirklichkeit steht dem Geiste nicht nur eine Körperlichkeit gegen- über, so daſs er in diesem Gegensatz erst sein eignes Wesen findet, sondern es begegnen geistige Erscheinungen unterwertiger Art, Böses, Träges, Feindseliges; und eine derartige Metaphysik wird solches nicht als dem Geiste zugehörig betrachten, der ihr die absolute Substanz des Seins ist. Sondern dieser wird als Partei, Ausgleichung, spezifischer Wert allem ungeistigen und unvollkommnen Sein entgegengestellt, das er doch andrerseits, da er das Absolute ist, soeben noch mitumfaſst hat. Am durchgreifendsten wird diese Doppelexistenz am Begriff des Ich wirksam. Das Ich, dessen Vorstellung die Welt ist, steht jedem einzelnen Inhalt derselben in gleich beherrschender Höhe gegenüber, jenseits aller Qualitäten, Unterschiede und Konflikte, die nur inner- halb seiner, sozusagen als Privatangelegenheiten seiner Inhalte unter- einander, stattfinden. Aber unser thatsächliches Lebensgefühl läſst das Ich nicht in dieser Höhe stehen, es identifiziert es mit gewissen seiner Inhalte mehr als mit andern — grade wie die Religiosität Gott an bestimmten Stellen besonders eingreifen sieht, während er doch an allen andern nicht weniger wirksam sein müſste —, das Ich wird zu einem einzelnen Inhalte seiner selbst, es differenziert sich, freundlich oder feindlich, sich hoch oder niedrig abmessend, gegen die übrige Welt und ihre Partikularitäten, während der Sinn seiner es doch ober- halb aller dieser gestellt hatte. Dies also ist der Formtypus, in dem
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gegenüber, sie ist eine Totalität jenseits aller Relativitäten unserer
sonstigen Menschlichkeit; und andrerseits steht sie doch wieder im
Leben, als eines seiner Elemente und erst in der Wechselwirkung mit
allen andern die Ganzheit desselben ausmachend. So ist sie ein ganzer
Organismus und zugleich ein Glied, ein Teil des Daseins und zugleich
das Dasein selbst auf einer höheren, verinnerlichten Stufe. Die
gleiche Form zeigt das Verhalten des Staates. Sicher ist es dessen
Sinn, über den Parteien und den Konflikten ihrer Interessen zu stehen,
und dieser abstrakten Höhe verdankt er seine Macht, seine Unberühr-
barkeit, seine Stellung als letzte Instanz der Gesellschaft. Mit alledem
nun ausgerüstet, pflegt er dennoch in jenen Streit der partikularen
Gesellschaftsmächte einzutreten, die Partei der einen gegen gewisse
andere zu ergreifen, die, obgleich von ihm in seinem weiteren Sinne
mitumfaſst, ihm in seinem engeren Sinne wie Macht zu Macht gegen-
überstehen. Das ist die Doppelstellung oberster Instanzen, die sich
innerhalb der Metaphysik wiederholt, wenn sie etwa der Gesamtheit des
Seins geistiges Wesen zuschreibt, das Absolute, das alle Erscheinungen
trägt oder ausmacht, für eine geistige Substanz erklärt. Aber dieses
Absolute muſs sie zugleich als ein Relatives anerkennen. Denn in der
Wirklichkeit steht dem Geiste nicht nur eine Körperlichkeit gegen-
über, so daſs er in diesem Gegensatz erst sein eignes Wesen findet,
sondern es begegnen geistige Erscheinungen unterwertiger Art, Böses,
Träges, Feindseliges; und eine derartige Metaphysik wird solches nicht als
dem Geiste zugehörig betrachten, der ihr die absolute Substanz des
Seins ist. Sondern dieser wird als Partei, Ausgleichung, spezifischer
Wert allem ungeistigen und unvollkommnen Sein entgegengestellt, das
er doch andrerseits, da er das Absolute ist, soeben noch mitumfaſst hat.
Am durchgreifendsten wird diese Doppelexistenz am Begriff des Ich
wirksam. Das Ich, dessen Vorstellung die Welt ist, steht jedem
einzelnen Inhalt derselben in gleich beherrschender Höhe gegenüber,
jenseits aller Qualitäten, Unterschiede und Konflikte, die nur inner-
halb seiner, sozusagen als Privatangelegenheiten seiner Inhalte unter-
einander, stattfinden. Aber unser thatsächliches Lebensgefühl läſst das
Ich nicht in dieser Höhe stehen, es identifiziert es mit gewissen seiner
Inhalte mehr als mit andern — grade wie die Religiosität Gott an
bestimmten Stellen besonders eingreifen sieht, während er doch an
allen andern nicht weniger wirksam sein müſste —, das Ich wird zu
einem einzelnen Inhalte seiner selbst, es differenziert sich, freundlich
oder feindlich, sich hoch oder niedrig abmessend, gegen die übrige
Welt und ihre Partikularitäten, während der Sinn seiner es doch ober-
halb aller dieser gestellt hatte. Dies also ist der Formtypus, in dem
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/560>, abgerufen am 23.11.2024.
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