mit sind also auch die Fälle der gern geleisteten Arbeit auf die Form des entsagungsvollen Tausches zurückgeführt, durch den die Wirtschaft allenthalben charakterisiert wird.
Dass an den Gegenständen eine bestimmte Höhe des Wertes be- stände, mit der sie in die Relation der Wirtschaft eintreten, indem jedes von den je zwei Objekten einer Transaktion für den einen Kontrahenten den erstrebten Gewinn, für den anderen das dargebrachte Opfer bedeutet -- das gilt wohl für die ausgebildete Wirtschaft, aber nicht für die Grundprozesse, die sie erst bilden. Die logische Schwierig- keit: dass zwei Dinge doch erst dann gleichen Wert haben könnten, wenn zuerst jedes für sich einen Wert habe, -- scheint sich freilich durch die Analogie zu erweisen, dass doch auch zwei Linien nur gleich lang sein könnten, wenn jede von ihnen schon vor der Vergleichung eine bestimmte Länge besässe. Allein sie besitzt diese, genau an- gesehen, wirklich erst in dem Augenblick der Vergleichung mit einer anderen. Denn die Bestimmung ihrer Länge -- da sie doch nicht "lang" schlechthin ist -- kann sie nicht durch sich selbst erhalten, sondern nur durch eine andere, an der sie sich misst, und der sie eben damit den gleichen Dienst leistet, obgleich das Resultat der Mes- sung nicht von diesem Aktus selbst, sondern von jeder, wie sie unab- hängig von der anderen ist, abhängt. Erinnern wir uns der Kategorie, unter der uns das objektive Werturteil begreiflich wurde: eine in der Beziehung zwischen uns und den Dingen sich entwickelnde Aufforde- rung, ein bestimmtes Urteil zu vollziehen, dessen Inhalt indessen nicht in den Dingen selbst liegt. So verhält sich auch das Längenurteil: von den Dingen her ergeht an uns gleichsam der Anspruch, dass wir es mit einem bestimmten Inhalt vollziehen, aber dieser Inhalt ist in den Dingen nicht vorgezeichnet, sondern nur durch einen Aktus innerhalb unser realisierbar. Dass sich die Länge überhaupt erst in dem Vergleichungsprozess herstellt und also dem Einzelobjekt als solchem, von dem sie abhängt, vorenthalten ist, verbirgt sich uns nur deshalb leicht, weil wir aus den einzelnen relativen Längen den allgemeinen Begriff der Länge abstrahiert haben, -- bei dem also die Bestimmt- heit, ohne die es keine konkrete Länge geben kann, grade weg- gelassen ist, -- und nun diesen Begriff in die Dinge hineinprojizierend, meinen: diese müssten doch zunächst einmal überhaupt Länge haben, ehe dieselbe durch Vergleichung singulär bestimmt werden könnte. Es tritt hinzu, dass aus den unzähligen, längenbildenden Vergleichungen feste Massstäbe auskristallisiert sind, durch Vergleichung mit denen allen einzelnen Raumgebilden ihre Längen bestimmt werden, so dass diese nun, gleichsam die Verkörperungen jenes abstrakten Längen-
mit sind also auch die Fälle der gern geleisteten Arbeit auf die Form des entsagungsvollen Tausches zurückgeführt, durch den die Wirtschaft allenthalben charakterisiert wird.
Daſs an den Gegenständen eine bestimmte Höhe des Wertes be- stände, mit der sie in die Relation der Wirtschaft eintreten, indem jedes von den je zwei Objekten einer Transaktion für den einen Kontrahenten den erstrebten Gewinn, für den anderen das dargebrachte Opfer bedeutet — das gilt wohl für die ausgebildete Wirtschaft, aber nicht für die Grundprozesse, die sie erst bilden. Die logische Schwierig- keit: daſs zwei Dinge doch erst dann gleichen Wert haben könnten, wenn zuerst jedes für sich einen Wert habe, — scheint sich freilich durch die Analogie zu erweisen, daſs doch auch zwei Linien nur gleich lang sein könnten, wenn jede von ihnen schon vor der Vergleichung eine bestimmte Länge besäſse. Allein sie besitzt diese, genau an- gesehen, wirklich erst in dem Augenblick der Vergleichung mit einer anderen. Denn die Bestimmung ihrer Länge — da sie doch nicht „lang“ schlechthin ist — kann sie nicht durch sich selbst erhalten, sondern nur durch eine andere, an der sie sich miſst, und der sie eben damit den gleichen Dienst leistet, obgleich das Resultat der Mes- sung nicht von diesem Aktus selbst, sondern von jeder, wie sie unab- hängig von der anderen ist, abhängt. Erinnern wir uns der Kategorie, unter der uns das objektive Werturteil begreiflich wurde: eine in der Beziehung zwischen uns und den Dingen sich entwickelnde Aufforde- rung, ein bestimmtes Urteil zu vollziehen, dessen Inhalt indessen nicht in den Dingen selbst liegt. So verhält sich auch das Längenurteil: von den Dingen her ergeht an uns gleichsam der Anspruch, daſs wir es mit einem bestimmten Inhalt vollziehen, aber dieser Inhalt ist in den Dingen nicht vorgezeichnet, sondern nur durch einen Aktus innerhalb unser realisierbar. Daſs sich die Länge überhaupt erst in dem Vergleichungsprozeſs herstellt und also dem Einzelobjekt als solchem, von dem sie abhängt, vorenthalten ist, verbirgt sich uns nur deshalb leicht, weil wir aus den einzelnen relativen Längen den allgemeinen Begriff der Länge abstrahiert haben, — bei dem also die Bestimmt- heit, ohne die es keine konkrete Länge geben kann, grade weg- gelassen ist, — und nun diesen Begriff in die Dinge hineinprojizierend, meinen: diese müſsten doch zunächst einmal überhaupt Länge haben, ehe dieselbe durch Vergleichung singulär bestimmt werden könnte. Es tritt hinzu, daſs aus den unzähligen, längenbildenden Vergleichungen feste Maſsstäbe auskristallisiert sind, durch Vergleichung mit denen allen einzelnen Raumgebilden ihre Längen bestimmt werden, so dass diese nun, gleichsam die Verkörperungen jenes abstrakten Längen-
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mit sind also auch die Fälle der gern geleisteten Arbeit auf die Form
des entsagungsvollen Tausches zurückgeführt, durch den die Wirtschaft
allenthalben charakterisiert wird.
Daſs an den Gegenständen eine bestimmte Höhe des Wertes be-
stände, mit der sie in die Relation der Wirtschaft eintreten, indem
jedes von den je zwei Objekten einer Transaktion für den einen
Kontrahenten den erstrebten Gewinn, für den anderen das dargebrachte
Opfer bedeutet — das gilt wohl für die ausgebildete Wirtschaft, aber
nicht für die Grundprozesse, die sie erst bilden. Die logische Schwierig-
keit: daſs zwei Dinge doch erst dann gleichen Wert haben könnten,
wenn zuerst jedes für sich einen Wert habe, — scheint sich freilich
durch die Analogie zu erweisen, daſs doch auch zwei Linien nur gleich
lang sein könnten, wenn jede von ihnen schon vor der Vergleichung
eine bestimmte Länge besäſse. Allein sie besitzt diese, genau an-
gesehen, wirklich erst in dem Augenblick der Vergleichung mit einer
anderen. Denn die Bestimmung ihrer Länge — da sie doch nicht
„lang“ schlechthin ist — kann sie nicht durch sich selbst erhalten,
sondern nur durch eine andere, an der sie sich miſst, und der sie eben
damit den gleichen Dienst leistet, obgleich das Resultat der Mes-
sung nicht von diesem Aktus selbst, sondern von jeder, wie sie unab-
hängig von der anderen ist, abhängt. Erinnern wir uns der Kategorie,
unter der uns das objektive Werturteil begreiflich wurde: eine in der
Beziehung zwischen uns und den Dingen sich entwickelnde Aufforde-
rung, ein bestimmtes Urteil zu vollziehen, dessen Inhalt indessen nicht
in den Dingen selbst liegt. So verhält sich auch das Längenurteil:
von den Dingen her ergeht an uns gleichsam der Anspruch, daſs
wir es mit einem bestimmten Inhalt vollziehen, aber dieser Inhalt ist
in den Dingen nicht vorgezeichnet, sondern nur durch einen Aktus
innerhalb unser realisierbar. Daſs sich die Länge überhaupt erst in
dem Vergleichungsprozeſs herstellt und also dem Einzelobjekt als solchem,
von dem sie abhängt, vorenthalten ist, verbirgt sich uns nur deshalb
leicht, weil wir aus den einzelnen relativen Längen den allgemeinen
Begriff der Länge abstrahiert haben, — bei dem also die Bestimmt-
heit, ohne die es keine konkrete Länge geben kann, grade weg-
gelassen ist, — und nun diesen Begriff in die Dinge hineinprojizierend,
meinen: diese müſsten doch zunächst einmal überhaupt Länge haben,
ehe dieselbe durch Vergleichung singulär bestimmt werden könnte.
Es tritt hinzu, daſs aus den unzähligen, längenbildenden Vergleichungen
feste Maſsstäbe auskristallisiert sind, durch Vergleichung mit denen
allen einzelnen Raumgebilden ihre Längen bestimmt werden, so dass
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/62>, abgerufen am 24.11.2024.
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