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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
ärgern könten/ ohne sünde schencken: sondern es bestehet die malitia des actus
in dem schaden/ welcher aus demselben entstehet/ weil nemlich damit er- und
verkaufft wird/ was ohne entgeld solte erlangt werden/ weil damit leicht die
gemüther verblendet/ und zur ungerechtigkeit verleitet werden können/ auffs
wenigste andere dadurch geärgert/ und zu vieler ungerechtigkeit veranlasset
werden/ und also das gemeine beste in vielen stücken erfordert/ daß was sonst
in andern fällen nicht verboten/ in diesem fall von GOtt jure positivo verbo-
ten worden. Welche handlungen aber dieser art sind/ mögen durch eine ge-
walt erlaubt/ und mehr vor leiden als thun geachtet werden: und damit fäl-
let jener einwurff dahin. Auch weil das verbot nicht geschenck zu geben zum
grund dieses hat/ damit die gemeine wohlfarth befördert/ und die admini-
stri
rung der gerechtigkeit nicht gehemmet werde/ so macht 3. dieses ein neu
argument vor diesen unsern satz/ daß eben zu der gemeinen wohlfarth und
handhabung der gerechtigkeit auch gehöre/ daß in einem dergleichen verdor-
benen zustand eines gerichtes denjenigen/ welche gleichwohl gewissenhafft
verfahren wollen/ nicht alles versperret werde/ dadurch sie zu ihrem recht noch
einigerley massen gelangen könten. Massen dann sonsten der ungerechtigkeit/
dero zu wehren das verbotdes schenckens und nehmens die absicht hat/ da-
durch mehr thür und thor geöffnet/ alles dasjenige/ was ein ungerechter
mensch vor ein gericht zu ziehen die macht bekommen/ lauter ungerechten in
die rappuse gegeben/ und der gerechte und gewissenhaffte zum lohn seiner
frömmigkeit deroselben muthwillen ohne übriges mittel überlassen würde.
Nun wo ohne wahrhafftige sünde solcher gewalt nicht zuentgehen wäre/ blei-
bet wol dieses die condition der frommen/ daß sie von den ungerechten lei-
den/ und mit dessen gedultiger ertragung den nahmen ihres GOttes preisen
sollen/ welches sie auch nicht ungern thun müssen. Aber wie jenes verbot in
dem leiblichen zum zweck und grund hat die gerechtigkeit und dero handha-
bung/ folglich daß den gerechten möge wol seyn/ und sie darinnen dessen/ wo-
zu ihnen die Obrigkeit gegeben ist (nemlich dir zu gut/ item daß sie nicht
denguten sondern den bösen wercken zu fürchten seye Rom. 13/ 3. 4 .
)
auch in dengerichtlichen dingen/ so viel in dem menschlichen leben geschehen kan/
geniessen/ nicht aber einer offenbahren oder verdeckten gewalt preiß gegeben
werden/ so kan solches verbot sich nicht dahin und so weit erstrecken/ wodurch
aller jener zweck umgestossen/ und der zustand derer welche eine gerechte sache
haben/ nur elender und unheilbarer gemachet werden/ weil so GOttes/ der
das gesetzgegeben/ als der menschen/ welche es auffs neue wiederhohlet ha-
ben/ intention nimmer dieselbe gewesen seyn kan.

Der HErr der GOtt der gerechtigkeit sehe auch in dieses verderben des
gegenwärtigen zustands/ welches forglich bey den gerichten sich hin und wie-

der

Das dritte Capitel.
aͤrgern koͤnten/ ohne ſuͤnde ſchencken: ſondern es beſtehet die malitia des actus
in dem ſchaden/ welcher aus demſelben entſtehet/ weil nemlich damit er- und
verkaufft wird/ was ohne entgeld ſolte erlangt werden/ weil damit leicht die
gemuͤther verblendet/ und zur ungerechtigkeit verleitet werden koͤnnen/ auffs
wenigſte andere dadurch geaͤrgert/ und zu vieler ungerechtigkeit veranlaſſet
werden/ und alſo das gemeine beſte in vielen ſtuͤcken erfordert/ daß was ſonſt
in andern faͤllen nicht verboten/ in dieſem fall von GOtt jure poſitivo verbo-
ten worden. Welche handlungen aber dieſer art ſind/ moͤgen durch eine ge-
walt erlaubt/ und mehr vor leiden als thun geachtet werden: und damit faͤl-
let jener einwurff dahin. Auch weil das verbot nicht geſchenck zu geben zum
grund dieſes hat/ damit die gemeine wohlfarth befoͤrdert/ und die admini-
ſtri
rung der gerechtigkeit nicht gehemmet werde/ ſo macht 3. dieſes ein neu
argument vor dieſen unſern ſatz/ daß eben zu der gemeinen wohlfarth und
handhabung der gerechtigkeit auch gehoͤre/ daß in einem dergleichen verdor-
benen zuſtand eines gerichtes denjenigen/ welche gleichwohl gewiſſenhafft
verfahren wollen/ nicht alles verſperret werde/ dadurch ſie zu ihrem recht noch
einigerley maſſen gelangen koͤnten. Maſſen dann ſonſten der ungerechtigkeit/
dero zu wehren das verbotdes ſchenckens und nehmens die abſicht hat/ da-
durch mehr thuͤr und thor geoͤffnet/ alles dasjenige/ was ein ungerechter
menſch vor ein gericht zu ziehen die macht bekommen/ lauter ungerechten in
die rappuſe gegeben/ und der gerechte und gewiſſenhaffte zum lohn ſeiner
froͤmmigkeit deroſelben muthwillen ohne uͤbriges mittel uͤberlaſſen wuͤrde.
Nun wo ohne wahrhafftige ſuͤnde ſolcher gewalt nicht zuentgehen waͤre/ blei-
bet wol dieſes die condition der frommen/ daß ſie von den ungerechten lei-
den/ und mit deſſen gedultiger ertragung den nahmen ihres GOttes preiſen
ſollen/ welches ſie auch nicht ungern thun muͤſſen. Aber wie jenes verbot in
dem leiblichen zum zweck und grund hat die gerechtigkeit und dero handha-
bung/ folglich daß den gerechten moͤge wol ſeyn/ und ſie darinnen deſſen/ wo-
zu ihnen die Obrigkeit gegeben iſt (nemlich dir zu gut/ item daß ſie nicht
denguten ſondern den boͤſen wercken zu fuͤrchten ſeye Rom. 13/ 3. 4 .
)
auch in dengeꝛichtlichen dingẽ/ ſo viel in dem menſchlichen leben geſchehen kan/
genieſſen/ nicht aber einer offenbahren oder verdeckten gewalt preiß gegeben
werden/ ſo kan ſolches verbot ſich nicht dahin und ſo weit erſtrecken/ wodurch
aller jener zweck umgeſtoſſen/ und der zuſtand derer welche eine gerechte ſache
haben/ nur elender und unheilbarer gemachet werden/ weil ſo GOttes/ der
das geſetzgegeben/ als der menſchen/ welche es auffs neue wiederhohlet ha-
ben/ intention nimmer dieſelbe geweſen ſeyn kan.

Der HErr der GOtt der gerechtigkeit ſehe auch in dieſes verderben des
gegenwaͤrtigen zuſtands/ welches forglich bey den gerichten ſich hin und wie-

der
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[252/0260] Das dritte Capitel. aͤrgern koͤnten/ ohne ſuͤnde ſchencken: ſondern es beſtehet die malitia des actus in dem ſchaden/ welcher aus demſelben entſtehet/ weil nemlich damit er- und verkaufft wird/ was ohne entgeld ſolte erlangt werden/ weil damit leicht die gemuͤther verblendet/ und zur ungerechtigkeit verleitet werden koͤnnen/ auffs wenigſte andere dadurch geaͤrgert/ und zu vieler ungerechtigkeit veranlaſſet werden/ und alſo das gemeine beſte in vielen ſtuͤcken erfordert/ daß was ſonſt in andern faͤllen nicht verboten/ in dieſem fall von GOtt jure poſitivo verbo- ten worden. Welche handlungen aber dieſer art ſind/ moͤgen durch eine ge- walt erlaubt/ und mehr vor leiden als thun geachtet werden: und damit faͤl- let jener einwurff dahin. Auch weil das verbot nicht geſchenck zu geben zum grund dieſes hat/ damit die gemeine wohlfarth befoͤrdert/ und die admini- ſtrirung der gerechtigkeit nicht gehemmet werde/ ſo macht 3. dieſes ein neu argument vor dieſen unſern ſatz/ daß eben zu der gemeinen wohlfarth und handhabung der gerechtigkeit auch gehoͤre/ daß in einem dergleichen verdor- benen zuſtand eines gerichtes denjenigen/ welche gleichwohl gewiſſenhafft verfahren wollen/ nicht alles verſperret werde/ dadurch ſie zu ihrem recht noch einigerley maſſen gelangen koͤnten. Maſſen dann ſonſten der ungerechtigkeit/ dero zu wehren das verbotdes ſchenckens und nehmens die abſicht hat/ da- durch mehr thuͤr und thor geoͤffnet/ alles dasjenige/ was ein ungerechter menſch vor ein gericht zu ziehen die macht bekommen/ lauter ungerechten in die rappuſe gegeben/ und der gerechte und gewiſſenhaffte zum lohn ſeiner froͤmmigkeit deroſelben muthwillen ohne uͤbriges mittel uͤberlaſſen wuͤrde. Nun wo ohne wahrhafftige ſuͤnde ſolcher gewalt nicht zuentgehen waͤre/ blei- bet wol dieſes die condition der frommen/ daß ſie von den ungerechten lei- den/ und mit deſſen gedultiger ertragung den nahmen ihres GOttes preiſen ſollen/ welches ſie auch nicht ungern thun muͤſſen. Aber wie jenes verbot in dem leiblichen zum zweck und grund hat die gerechtigkeit und dero handha- bung/ folglich daß den gerechten moͤge wol ſeyn/ und ſie darinnen deſſen/ wo- zu ihnen die Obrigkeit gegeben iſt (nemlich dir zu gut/ item daß ſie nicht denguten ſondern den boͤſen wercken zu fuͤrchten ſeye Rom. 13/ 3. 4 .) auch in dengeꝛichtlichen dingẽ/ ſo viel in dem menſchlichen leben geſchehen kan/ genieſſen/ nicht aber einer offenbahren oder verdeckten gewalt preiß gegeben werden/ ſo kan ſolches verbot ſich nicht dahin und ſo weit erſtrecken/ wodurch aller jener zweck umgeſtoſſen/ und der zuſtand derer welche eine gerechte ſache haben/ nur elender und unheilbarer gemachet werden/ weil ſo GOttes/ der das geſetzgegeben/ als der menſchen/ welche es auffs neue wiederhohlet ha- ben/ intention nimmer dieſelbe geweſen ſeyn kan. Der HErr der GOtt der gerechtigkeit ſehe auch in dieſes verderben des gegenwaͤrtigen zuſtands/ welches forglich bey den gerichten ſich hin und wie- der

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/260>, abgerufen am 22.11.2024.