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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
ihm alles unser glaubiges andächtiges gebet wol/ es geschehe wo es wolle:
und solte einer gebunden in einen heidnischen götzen-tempel geführet werden/
mag/ ja solle er/ zu seinem wahren GOtt um hülffe schreyen/ und sich der er-
hörung versichern. Es kan aber solches gebet GOtt mißfällig werden/ wo
1.) aus einiger obiger ursache/ die besuchung solcher versammlung unrecht
gewesen/ dann so kan das gebet auch nicht rein seyn. 2.) Wo zu dem gebet
austrücklich solche kirchen gesucht werden/ aus dem aberglauben/ gleich ob
GOtt an solchem ort das gebet kräfftiger als zu hause erhörte: da doch alle
ort seinem thron gleich angenehm und gleich nahe sind: das gebet hingegen in
der kirchen keinen andern vorzug vor dem andern hat/ als wo es durch die mit
einstimmung einer glaubigen gemeinde bestärcket wird: sonderlich würde es
unrecht seyn/ wo man widrige und irrende damit stärckete/ ihre kirchen um
daselbs zu beten zu besuchen. Jnsgesamt haben wir den HErrn anzuruf-
fen/ so in diesem als andern stücken aus seiner gnade zu erkennen/ was sein
wille an uns seye/ und alsdenn demselbigen zu folgen.

II. Was die andre frage anlangt; ob ich meinem nechsten/ der mir
was abborgen will/ dasselbe mit gutem gewissen abschlagen kan;
oder
so ich ihm geld oder sonst was darreiche/ ich dafür einiges interesse oder un-
terpfand nehmen kan? So ist solche materie zu weitläufftig in diesem brieff/
und bey meiner wenigen zeit auszuführen. Jch habe aber das meiste davon
erwogen in meinen Evangel. lebens-pflichten auff den Sonntag Septuag. p.
289. 290.
Kurtz sind zwo regeln/ die fast die gräntz-steine sind: daß wir 1. lie-
be bey aller gelegenheit zu üben bereit und von grund der seelen willig seyen.
2. daß die übung derselben also eingerichtet werde/ damit nicht nach den wor-
ten 2. Cor. 8/ 13. ein theil trübsaal/ das andre ruhe habe/ sondern daß es
gleich seye.
Daher alles/ was von der gantzen sache gesaget werden kan/
aus diesen reglen fliessen muß. Was aber die dritte frage betrifft: ob man
eine kranckheit von einem menschen
per curationem sympatheticam
in eine andere creatur als einen hund transplantiren dörffe? so
hänget dieselbe an einer vorhergehenden frag/ nemlich ob dergleichen trans-
plantation
allerdings wahrhafftig natürlich hergehe/ und nichts abergläu-
bisches damit vorgenommen werden dörffe: ist jenes richtig/ und ob
gleich das dioti nicht so offenbahr an dem oti dannoch kein zweiffel wäre/
welches ich den physicis und medicis überlassen muß/ so ist die frage auch
so bald mit ja beantwortet. Es ist uns das viehe und andre thiere also zu
dienst übergeben/ daß sie uns auch mit ihrem tod dienen müssen/ wie niemand
es sündlich achtet/ daß so viel tausend thier wol gar täglich zu der menschen
speisegeschlachtet werden: Es zweiffelt niemand dran/ daß man dörffe zum

exem-

Das dritte Capitel.
ihm alles unſer glaubiges andaͤchtiges gebet wol/ es geſchehe wo es wolle:
und ſolte einer gebunden in einen heidniſchen goͤtzen-tempel gefuͤhret werden/
mag/ ja ſolle er/ zu ſeinem wahren GOtt um huͤlffe ſchreyen/ und ſich der er-
hoͤrung verſichern. Es kan aber ſolches gebet GOtt mißfaͤllig werden/ wo
1.) aus einiger obiger urſache/ die beſuchung ſolcher verſammlung unrecht
geweſen/ dann ſo kan das gebet auch nicht rein ſeyn. 2.) Wo zu dem gebet
austruͤcklich ſolche kirchen geſucht werden/ aus dem aberglauben/ gleich ob
GOtt an ſolchem ort das gebet kraͤfftiger als zu hauſe erhoͤrte: da doch alle
ort ſeinem thron gleich angenehm und gleich nahe ſind: das gebet hingegen in
der kirchen keinen andern vorzug vor dem andern hat/ als wo es durch die mit
einſtimmung einer glaubigen gemeinde beſtaͤrcket wird: ſonderlich wuͤrde es
unrecht ſeyn/ wo man widrige und irrende damit ſtaͤrckete/ ihre kirchen um
daſelbs zu beten zu beſuchen. Jnsgeſamt haben wir den HErrn anzuruf-
fen/ ſo in dieſem als andern ſtuͤcken aus ſeiner gnade zu erkennen/ was ſein
wille an uns ſeye/ und alsdenn demſelbigen zu folgen.

II. Was die andre frage anlangt; ob ich meinem nechſten/ der mir
was abborgen will/ daſſelbe mit gutem gewiſſen abſchlagen kan;
oder
ſo ich ihm geld oder ſonſt was darreiche/ ich dafuͤr einiges intereſſe oder un-
terpfand nehmen kan? So iſt ſolche materie zu weitlaͤufftig in dieſem brieff/
und bey meiner wenigen zeit auszufuͤhren. Jch habe aber das meiſte davon
erwogen in meinen Evangel. lebens-pflichten auff den Sonntag Septuag. p.
289. 290.
Kurtz ſind zwo regeln/ die faſt die graͤntz-ſteine ſind: daß wir 1. lie-
be bey aller gelegenheit zu uͤben bereit und von grund der ſeelen willig ſeyen.
2. daß die uͤbung derſelben alſo eingerichtet werde/ damit nicht nach den wor-
ten 2. Cor. 8/ 13. ein theil truͤbſaal/ das andre ruhe habe/ ſondern daß es
gleich ſeye.
Daher alles/ was von der gantzen ſache geſaget werden kan/
aus dieſen reglen flieſſen muß. Was aber die dritte frage betrifft: ob man
eine kranckheit von einem menſchen
per curationem ſympatheticam
in eine andere creatur als einen hund transplantiren doͤrffe? ſo
haͤnget dieſelbe an einer vorhergehenden frag/ nemlich ob dergleichen trans-
plantation
allerdings wahrhafftig natuͤrlich hergehe/ und nichts aberglaͤu-
biſches damit vorgenommen werden doͤrffe: iſt jenes richtig/ und ob
gleich das διότι nicht ſo offenbahr an dem ὅτι dannoch kein zweiffel waͤre/
welches ich den phyſicis und medicis uͤberlaſſen muß/ ſo iſt die frage auch
ſo bald mit ja beantwortet. Es iſt uns das viehe und andre thiere alſo zu
dienſt uͤbergeben/ daß ſie uns auch mit ihrem tod dienen muͤſſen/ wie niemand
es ſuͤndlich achtet/ daß ſo viel tauſend thier wol gar taͤglich zu der menſchen
ſpeiſegeſchlachtet werden: Es zweiffelt niemand dran/ daß man doͤrffe zum

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[408/0416] Das dritte Capitel. ihm alles unſer glaubiges andaͤchtiges gebet wol/ es geſchehe wo es wolle: und ſolte einer gebunden in einen heidniſchen goͤtzen-tempel gefuͤhret werden/ mag/ ja ſolle er/ zu ſeinem wahren GOtt um huͤlffe ſchreyen/ und ſich der er- hoͤrung verſichern. Es kan aber ſolches gebet GOtt mißfaͤllig werden/ wo 1.) aus einiger obiger urſache/ die beſuchung ſolcher verſammlung unrecht geweſen/ dann ſo kan das gebet auch nicht rein ſeyn. 2.) Wo zu dem gebet austruͤcklich ſolche kirchen geſucht werden/ aus dem aberglauben/ gleich ob GOtt an ſolchem ort das gebet kraͤfftiger als zu hauſe erhoͤrte: da doch alle ort ſeinem thron gleich angenehm und gleich nahe ſind: das gebet hingegen in der kirchen keinen andern vorzug vor dem andern hat/ als wo es durch die mit einſtimmung einer glaubigen gemeinde beſtaͤrcket wird: ſonderlich wuͤrde es unrecht ſeyn/ wo man widrige und irrende damit ſtaͤrckete/ ihre kirchen um daſelbs zu beten zu beſuchen. Jnsgeſamt haben wir den HErrn anzuruf- fen/ ſo in dieſem als andern ſtuͤcken aus ſeiner gnade zu erkennen/ was ſein wille an uns ſeye/ und alsdenn demſelbigen zu folgen. II. Was die andre frage anlangt; ob ich meinem nechſten/ der mir was abborgen will/ daſſelbe mit gutem gewiſſen abſchlagen kan; oder ſo ich ihm geld oder ſonſt was darreiche/ ich dafuͤr einiges intereſſe oder un- terpfand nehmen kan? So iſt ſolche materie zu weitlaͤufftig in dieſem brieff/ und bey meiner wenigen zeit auszufuͤhren. Jch habe aber das meiſte davon erwogen in meinen Evangel. lebens-pflichten auff den Sonntag Septuag. p. 289. 290. Kurtz ſind zwo regeln/ die faſt die graͤntz-ſteine ſind: daß wir 1. lie- be bey aller gelegenheit zu uͤben bereit und von grund der ſeelen willig ſeyen. 2. daß die uͤbung derſelben alſo eingerichtet werde/ damit nicht nach den wor- ten 2. Cor. 8/ 13. ein theil truͤbſaal/ das andre ruhe habe/ ſondern daß es gleich ſeye. Daher alles/ was von der gantzen ſache geſaget werden kan/ aus dieſen reglen flieſſen muß. Was aber die dritte frage betrifft: ob man eine kranckheit von einem menſchen per curationem ſympatheticam in eine andere creatur als einen hund transplantiren doͤrffe? ſo haͤnget dieſelbe an einer vorhergehenden frag/ nemlich ob dergleichen trans- plantation allerdings wahrhafftig natuͤrlich hergehe/ und nichts aberglaͤu- biſches damit vorgenommen werden doͤrffe: iſt jenes richtig/ und ob gleich das διότι nicht ſo offenbahr an dem ὅτι dannoch kein zweiffel waͤre/ welches ich den phyſicis und medicis uͤberlaſſen muß/ ſo iſt die frage auch ſo bald mit ja beantwortet. Es iſt uns das viehe und andre thiere alſo zu dienſt uͤbergeben/ daß ſie uns auch mit ihrem tod dienen muͤſſen/ wie niemand es ſuͤndlich achtet/ daß ſo viel tauſend thier wol gar taͤglich zu der menſchen ſpeiſegeſchlachtet werden: Es zweiffelt niemand dran/ daß man doͤrffe zum exem-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/416>, abgerufen am 22.11.2024.