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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XVIII.
der zu sprechen getrauete. Jndessen hätte 4. einen ordenlichen richterlichen
entscheid vor nothwendig oder je sicherst gehalten: Glaube auch nicht/ daß
hie dieses orts ohne denselben die sache fortgegangen wäre. Jndessen wie die-
ses meine meinung wäre/ arrogire ich mir doch deßwegen keine herrschafft
über die gewissen/ sondern lasse andern frey/ wie sie in ihrem heitzen die sache
befinden/ nach solchem liecht zu thun. Wie auch meinen werthen Herrn die-
ser sache wegen nicht weiter zu beurtheilen/ aber hinwieder zu fordern habe/
daß mir auch nicht übel genommen werde/ worinnen mich nicht gleicher mei-
nung bequemen kan/ sondern hinwieder mein gewissen frey behalten muß.
Zu neuer wahl wünsche gleichfals göttliche weise und liebreiche führung.
1684.

SECTIO XVIII.
Casus inhabilitatis uxoris ad consuetudinem
conjugalem.

AUf den übersandten casum und darauf gerichtete frage richtig zu ant-
worten/ finde ich vonnöthen ein und anderes vorher auszusetzen/ oder
auszumachen/ so nachmal zu so viel kürtzerer und gründlicher antwort
dienlich seyn mag.

I. Verstehe ich die facti speciem dahin/ daß bey uxore einena-
türliche inhabilität und unvermögen/ ihrem ehemann die eheliche bey-
wohnung zu leisten/ sich befinde. Daß der ehemann sie dessen beschuldi-
ge/ stehet klahr in dem überschriebenen. Von ihrer seiten aber scheinet
es zwahr noch nicht von ihr bekant zu seyn/ indem sie saget: Jhr voriger
mann hätte dergleichen und solche dinge/ wie dieser anjetzo exigire/ und
sie nicht praestiren könne/ nicht an sie gesuchet/ sondern allezeit mit ihrer
zucht und schamhafftigkeit sich contentiret: Und abermal: Daß sie sol-
che eheliche satisfaction ihrem manne/ wie er begehre/ nicht geben kön-
ne/ noch zu geben wisse: Aber in solchem ist noch keine deutliche bekänt-
nüß ihrer gäntzlichen untüchtigkeit: Sondern solte vielmehr scheinen/ ob
beschuldigte sie den mann/ daß er ihr mehr/ als eheliche zucht und scham-
hafftigkeit zuliesse/ zumuthete/ und also sie zwahr einem solchen/ wel-
cher sich mit demjenigen/ so ein ehegatte dem andern schuldig/ conten-
ti
rte/ wol/ diesem aber/ der mehr an sie suche/ dergleichen satisfaction nicht
zu geben wisse. Woraus nur zu fliessen scheinete/ daß sie sich nicht zu
aller/ aber wol unmäßiger/ satisfaction untüchtig erkenne. Dabey

ich
J i i i 2

SECTIO XVIII.
der zu ſprechen getrauete. Jndeſſen haͤtte 4. einen ordenlichen richterlichen
entſcheid vor nothwendig oder je ſicherſt gehalten: Glaube auch nicht/ daß
hie dieſes orts ohne denſelben die ſache fortgegangen waͤre. Jndeſſen wie die-
ſes meine meinung waͤre/ arrogire ich mir doch deßwegen keine herrſchafft
uͤber die gewiſſen/ ſondern laſſe andern frey/ wie ſie in ihrem heitzen die ſache
befinden/ nach ſolchem liecht zu thun. Wie auch meinen werthen Herrn die-
ſer ſache wegen nicht weiter zu beurtheilen/ aber hinwieder zu fordern habe/
daß mir auch nicht uͤbel genommen werde/ worinnen mich nicht gleicher mei-
nung bequemen kan/ ſondern hinwieder mein gewiſſen frey behalten muß.
Zu neuer wahl wuͤnſche gleichfals goͤttliche weiſe und liebreiche fuͤhrung.
1684.

SECTIO XVIII.
Caſus inhabilitatis uxoris ad conſuetudinem
conjugalem.

AUf den uͤberſandten caſum und darauf gerichtete frage richtig zu ant-
worten/ finde ich vonnoͤthen ein und anderes vorher auszuſetzen/ oder
auszumachen/ ſo nachmal zu ſo viel kuͤrtzerer und gruͤndlicher antwort
dienlich ſeyn mag.

I. Verſtehe ich die facti ſpeciem dahin/ daß bey uxore einena-
tuͤrliche inhabilitaͤt und unvermoͤgen/ ihrem ehemann die eheliche bey-
wohnung zu leiſten/ ſich befinde. Daß der ehemann ſie deſſen beſchuldi-
ge/ ſtehet klahr in dem uͤberſchriebenen. Von ihrer ſeiten aber ſcheinet
es zwahr noch nicht von ihr bekant zu ſeyn/ indem ſie ſaget: Jhr voriger
mann haͤtte dergleichen und ſolche dinge/ wie dieſer anjetzo exigire/ und
ſie nicht præſtiren koͤnne/ nicht an ſie geſuchet/ ſondern allezeit mit ihrer
zucht und ſchamhafftigkeit ſich contentiret: Und abermal: Daß ſie ſol-
che eheliche ſatisfaction ihrem manne/ wie er begehre/ nicht geben koͤn-
ne/ noch zu geben wiſſe: Aber in ſolchem iſt noch keine deutliche bekaͤnt-
nuͤß ihrer gaͤntzlichen untuͤchtigkeit: Sondern ſolte vielmehr ſcheinen/ ob
beſchuldigte ſie den mann/ daß er ihr mehr/ als eheliche zucht und ſcham-
hafftigkeit zulieſſe/ zumuthete/ und alſo ſie zwahr einem ſolchen/ wel-
cher ſich mit demjenigen/ ſo ein ehegatte dem andern ſchuldig/ conten-
ti
rte/ wol/ dieſem aber/ der mehr an ſie ſuche/ dergleichen ſatisfaction nicht
zu geben wiſſe. Woraus nur zu flieſſen ſcheinete/ daß ſie ſich nicht zu
aller/ aber wol unmaͤßiger/ ſatisfaction untuͤchtig erkenne. Dabey

ich
J i i i 2
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[619/0627] SECTIO XVIII. der zu ſprechen getrauete. Jndeſſen haͤtte 4. einen ordenlichen richterlichen entſcheid vor nothwendig oder je ſicherſt gehalten: Glaube auch nicht/ daß hie dieſes orts ohne denſelben die ſache fortgegangen waͤre. Jndeſſen wie die- ſes meine meinung waͤre/ arrogire ich mir doch deßwegen keine herrſchafft uͤber die gewiſſen/ ſondern laſſe andern frey/ wie ſie in ihrem heitzen die ſache befinden/ nach ſolchem liecht zu thun. Wie auch meinen werthen Herrn die- ſer ſache wegen nicht weiter zu beurtheilen/ aber hinwieder zu fordern habe/ daß mir auch nicht uͤbel genommen werde/ worinnen mich nicht gleicher mei- nung bequemen kan/ ſondern hinwieder mein gewiſſen frey behalten muß. Zu neuer wahl wuͤnſche gleichfals goͤttliche weiſe und liebreiche fuͤhrung. 1684. SECTIO XVIII. Caſus inhabilitatis uxoris ad conſuetudinem conjugalem. AUf den uͤberſandten caſum und darauf gerichtete frage richtig zu ant- worten/ finde ich vonnoͤthen ein und anderes vorher auszuſetzen/ oder auszumachen/ ſo nachmal zu ſo viel kuͤrtzerer und gruͤndlicher antwort dienlich ſeyn mag. I. Verſtehe ich die facti ſpeciem dahin/ daß bey uxore einena- tuͤrliche inhabilitaͤt und unvermoͤgen/ ihrem ehemann die eheliche bey- wohnung zu leiſten/ ſich befinde. Daß der ehemann ſie deſſen beſchuldi- ge/ ſtehet klahr in dem uͤberſchriebenen. Von ihrer ſeiten aber ſcheinet es zwahr noch nicht von ihr bekant zu ſeyn/ indem ſie ſaget: Jhr voriger mann haͤtte dergleichen und ſolche dinge/ wie dieſer anjetzo exigire/ und ſie nicht præſtiren koͤnne/ nicht an ſie geſuchet/ ſondern allezeit mit ihrer zucht und ſchamhafftigkeit ſich contentiret: Und abermal: Daß ſie ſol- che eheliche ſatisfaction ihrem manne/ wie er begehre/ nicht geben koͤn- ne/ noch zu geben wiſſe: Aber in ſolchem iſt noch keine deutliche bekaͤnt- nuͤß ihrer gaͤntzlichen untuͤchtigkeit: Sondern ſolte vielmehr ſcheinen/ ob beſchuldigte ſie den mann/ daß er ihr mehr/ als eheliche zucht und ſcham- hafftigkeit zulieſſe/ zumuthete/ und alſo ſie zwahr einem ſolchen/ wel- cher ſich mit demjenigen/ ſo ein ehegatte dem andern ſchuldig/ conten- tirte/ wol/ dieſem aber/ der mehr an ſie ſuche/ dergleichen ſatisfaction nicht zu geben wiſſe. Woraus nur zu flieſſen ſcheinete/ daß ſie ſich nicht zu aller/ aber wol unmaͤßiger/ ſatisfaction untuͤchtig erkenne. Dabey ich J i i i 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/627>, abgerufen am 22.11.2024.