Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

Das fünffte Capitel.
dessen wiedergebohrne tochter in das geistliche leben gesetzet der vollkomme-
nen gerechtigkeit ihres Erlösers in dem glauben geniesse/ und wo sie es nur er-
kennen/ und sich dessen annehmen will/ wahrhafftig selig seyn. Welche selig-
keit auch noch hier in diesem leben mit der versicherung des k[ü]nfftigen völli-
gen genusses mit keiner welt-herrlichkeit und glückseligkeit zu vergleichen ist/
die ich auch wünsche/ daß sie sie täglichen erwege/ darinnen ihre freude und ih-
res glaubens speise suche/ auch dadurch immer an dem innern menschen zu-
nehme/ deßwegen aber auch das heilige wort GOttes und die sacramenten/
so uns diese theure schätze vortragen/ in desto höherem werth halten werde.
Dieser glaube ist nachmal allein/ gleichwie dasjenige/ darmit sie stets vor dem
thron und gericht GOttes/ wo unsere heiligkeit niemal zulänglich wäre/ er-
scheinenkan/ also auch dasjenige/ daraus sie krafft empfangen wird/ mehr und
mehr der welt/ und ihr selbs/ der ehre/ reichthum/ lust/ und was irrdisch ist/ ab-
zusterben/ und dem HErrn allein zu leben/ nicht nach dem fleisch/ sondern nach
dem Geist. Wie denn der treueste Heyland/ der uns so theuer zu seinem ei-
genthum erkauffet hat/ nichts anders zur danckbarkeit von uns erfordert/ als
daß wir ihm unser leib und seel hinwiederum zu einem heiligen und lebendigen
opffer dargeben/ täglich ablegen den alten menschen/ der durch lüste in irrthum
sich verführet/ uns erneuren im geist unsers gemüths/ auch den neuen men-
schen anzuziehen/ der nach GOTT geschaffen ist/ in rechtschaffener gerechtig-
keit und heiligkeit/ um also zu wachsen zu einer göttlichen grösse. Nun was
ich hoffe/ das wünsche ich auch/ daß der GOTT des friedens sie heilige durch
und durch/ und ihr geist gantz samt seel und leib müsse behalten werden un-
sträfflich auf die zukunfft unsers HErrn JEsu Christi. Getreu ist der sie
ruffet/ welcher wirds auch thun. Dieses werde auch ferner zu erbitten nicht
ermangeln. 1692.

SECTIO XVI.
Auffmunterungs-schreiben zu ernstlicher fortse-
tzung des Christenthums.

Göttliche gnade/ friede und segen in unserem geliebtesten HErrn und
Heylande JESU!

Jn demselben vielgeliebte jungfrau und freundin.

DAß dieselbe/ ob ich wol auf das vorigenach gantzer jahre verfluß nicht
geantwortet hatte/ dennoch sich nicht hat abschrecken lassen/ mich ihres
noch gegen mich behaltenden gedächtnüsses zu versichern/ erkenne ich
als ein sonderbares zeugnüß ihrer christlichen liebe/ und bedancke mich dessen
freundlichen: So vielmehr aber erfreuet mich solches/ daß sie bezeuget/ noch

fleißig

Das fuͤnffte Capitel.
deſſen wiedergebohrne tochter in das geiſtliche leben geſetzet der vollkomme-
nen gerechtigkeit ihres Erloͤſers in dem glauben genieſſe/ und wo ſie es nur er-
kennen/ und ſich deſſen annehmen will/ wahrhafftig ſelig ſeyn. Welche ſelig-
keit auch noch hier in dieſem leben mit der verſicherung des k[uͤ]nfftigen voͤlli-
gen genuſſes mit keiner welt-herrlichkeit und gluͤckſeligkeit zu vergleichen iſt/
die ich auch wuͤnſche/ daß ſie ſie taͤglichen erwege/ darinnen ihre freude und ih-
res glaubens ſpeiſe ſuche/ auch dadurch immer an dem innern menſchen zu-
nehme/ deßwegen aber auch das heilige wort GOttes und die ſacramenten/
ſo uns dieſe theure ſchaͤtze vortragen/ in deſto hoͤherem werth halten werde.
Dieſer glaube iſt nachmal allein/ gleichwie dasjenige/ darmit ſie ſtets vor dem
thron und gericht GOttes/ wo unſere heiligkeit niemal zulaͤnglich waͤre/ er-
ſcheinenkan/ alſo auch dasjenige/ daraus ſie krafft empfangen wird/ mehr und
mehr der welt/ und ihr ſelbs/ der ehre/ reichthum/ luſt/ und was irrdiſch iſt/ ab-
zuſterben/ und dem HErrn allein zu leben/ nicht nach dem fleiſch/ ſondern nach
dem Geiſt. Wie denn der treueſte Heyland/ der uns ſo theuer zu ſeinem ei-
genthum erkauffet hat/ nichts anders zur danckbarkeit von uns erfordert/ als
daß wir ihm unſer leib und ſeel hinwiederum zu einem heiligen und lebendigen
opffer dargeben/ taͤglich ablegen den alten menſchen/ der durch luͤſte in irrthum
ſich verfuͤhret/ uns erneuren im geiſt unſers gemuͤths/ auch den neuen men-
ſchen anzuziehen/ der nach GOTT geſchaffen iſt/ in rechtſchaffener gerechtig-
keit und heiligkeit/ um alſo zu wachſen zu einer goͤttlichen groͤſſe. Nun was
ich hoffe/ das wuͤnſche ich auch/ daß der GOTT des friedens ſie heilige durch
und durch/ und ihr geiſt gantz ſamt ſeel und leib muͤſſe behalten werden un-
ſtraͤfflich auf die zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti. Getreu iſt der ſie
ruffet/ welcher wirds auch thun. Dieſes werde auch ferner zu erbitten nicht
ermangeln. 1692.

SECTIO XVI.
Auffmunterungs-ſchreiben zu ernſtlicher fortſe-
tzung des Chriſtenthums.

Goͤttliche gnade/ friede und ſegen in unſerem geliebteſten HErrn und
Heylande JESU!

Jn demſelben vielgeliebte jungfrau und freundin.

DAß dieſelbe/ ob ich wol auf das vorigenach gantzer jahre verfluß nicht
geantwortet hatte/ dennoch ſich nicht hat abſchrecken laſſen/ mich ihres
noch gegen mich behaltenden gedaͤchtnuͤſſes zu verſichern/ erkenne ich
als ein ſonderbares zeugnuͤß ihrer chriſtlichen liebe/ und bedancke mich deſſen
freundlichen: So vielmehr aber erfreuet mich ſolches/ daß ſie bezeuget/ noch

fleißig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0678" n="670"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das fu&#x0364;nffte Capitel.</hi></fw><lb/>
de&#x017F;&#x017F;en wiedergebohrne tochter in das gei&#x017F;tliche leben ge&#x017F;etzet der vollkomme-<lb/>
nen gerechtigkeit ihres Erlo&#x0364;&#x017F;ers in dem glauben genie&#x017F;&#x017F;e/ und wo &#x017F;ie es nur er-<lb/>
kennen/ und &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en annehmen will/ wahrhafftig &#x017F;elig &#x017F;eyn. Welche &#x017F;elig-<lb/>
keit auch noch hier in die&#x017F;em leben mit der ver&#x017F;icherung des k<supplied>u&#x0364;</supplied>nfftigen vo&#x0364;lli-<lb/>
gen genu&#x017F;&#x017F;es mit keiner welt-herrlichkeit und glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit zu vergleichen i&#x017F;t/<lb/>
die ich auch wu&#x0364;n&#x017F;che/ daß &#x017F;ie &#x017F;ie ta&#x0364;glichen erwege/ darinnen ihre freude und ih-<lb/>
res glaubens &#x017F;pei&#x017F;e &#x017F;uche/ auch dadurch immer an dem innern men&#x017F;chen zu-<lb/>
nehme/ deßwegen aber auch das heilige wort GOttes und die &#x017F;acramenten/<lb/>
&#x017F;o uns die&#x017F;e theure &#x017F;cha&#x0364;tze vortragen/ in de&#x017F;to ho&#x0364;herem werth halten werde.<lb/>
Die&#x017F;er glaube i&#x017F;t nachmal allein/ gleichwie dasjenige/ darmit &#x017F;ie &#x017F;tets vor dem<lb/>
thron und gericht GOttes/ wo un&#x017F;ere heiligkeit niemal zula&#x0364;nglich wa&#x0364;re/ er-<lb/>
&#x017F;cheinenkan/ al&#x017F;o auch dasjenige/ daraus &#x017F;ie krafft empfangen wird/ mehr und<lb/>
mehr der welt/ und ihr &#x017F;elbs/ der ehre/ reichthum/ lu&#x017F;t/ und was irrdi&#x017F;ch i&#x017F;t/ ab-<lb/>
zu&#x017F;terben/ und dem HErrn allein zu leben/ nicht nach dem flei&#x017F;ch/ &#x017F;ondern nach<lb/>
dem Gei&#x017F;t. Wie denn der treue&#x017F;te Heyland/ der uns &#x017F;o theuer zu &#x017F;einem ei-<lb/>
genthum erkauffet hat/ nichts anders zur danckbarkeit von uns erfordert/ als<lb/>
daß wir ihm un&#x017F;er leib und &#x017F;eel hinwiederum zu einem heiligen und lebendigen<lb/>
opffer dargeben/ ta&#x0364;glich ablegen den alten men&#x017F;chen/ der durch lu&#x0364;&#x017F;te in irrthum<lb/>
&#x017F;ich verfu&#x0364;hret/ uns erneuren im gei&#x017F;t un&#x017F;ers gemu&#x0364;ths/ auch den neuen men-<lb/>
&#x017F;chen anzuziehen/ der nach GOTT ge&#x017F;chaffen i&#x017F;t/ in recht&#x017F;chaffener gerechtig-<lb/>
keit und heiligkeit/ um al&#x017F;o zu wach&#x017F;en zu einer go&#x0364;ttlichen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Nun was<lb/>
ich hoffe/ das wu&#x0364;n&#x017F;che ich auch/ daß der GOTT des friedens &#x017F;ie heilige durch<lb/>
und durch/ und ihr gei&#x017F;t gantz &#x017F;amt &#x017F;eel und leib mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e behalten werden un-<lb/>
&#x017F;tra&#x0364;fflich auf die zukunfft un&#x017F;ers HErrn JE&#x017F;u Chri&#x017F;ti. Getreu i&#x017F;t der &#x017F;ie<lb/>
ruffet/ welcher wirds auch thun. Die&#x017F;es werde auch ferner zu erbitten nicht<lb/>
ermangeln. 1692.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XVI</hi>.</hi><lb/>
Auffmunterungs-&#x017F;chreiben zu ern&#x017F;tlicher fort&#x017F;e-<lb/>
tzung des Chri&#x017F;tenthums.</hi> </head><lb/>
            <p> <hi rendition="#c">Go&#x0364;ttliche gnade/ friede und &#x017F;egen in un&#x017F;erem geliebte&#x017F;ten HErrn und<lb/>
Heylande JESU!</hi> </p><lb/>
            <p>Jn dem&#x017F;elben vielgeliebte jungfrau und freundin.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>Aß die&#x017F;elbe/ ob ich wol auf das vorigenach gantzer jahre verfluß nicht<lb/>
geantwortet hatte/ dennoch &#x017F;ich nicht hat ab&#x017F;chrecken la&#x017F;&#x017F;en/ mich ihres<lb/>
noch gegen mich behaltenden geda&#x0364;chtnu&#x0364;&#x017F;&#x017F;es zu ver&#x017F;ichern/ erkenne ich<lb/>
als ein &#x017F;onderbares zeugnu&#x0364;ß ihrer chri&#x017F;tlichen liebe/ und bedancke mich de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
freundlichen: So vielmehr aber erfreuet mich &#x017F;olches/ daß &#x017F;ie bezeuget/ noch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fleißig</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[670/0678] Das fuͤnffte Capitel. deſſen wiedergebohrne tochter in das geiſtliche leben geſetzet der vollkomme- nen gerechtigkeit ihres Erloͤſers in dem glauben genieſſe/ und wo ſie es nur er- kennen/ und ſich deſſen annehmen will/ wahrhafftig ſelig ſeyn. Welche ſelig- keit auch noch hier in dieſem leben mit der verſicherung des kuͤnfftigen voͤlli- gen genuſſes mit keiner welt-herrlichkeit und gluͤckſeligkeit zu vergleichen iſt/ die ich auch wuͤnſche/ daß ſie ſie taͤglichen erwege/ darinnen ihre freude und ih- res glaubens ſpeiſe ſuche/ auch dadurch immer an dem innern menſchen zu- nehme/ deßwegen aber auch das heilige wort GOttes und die ſacramenten/ ſo uns dieſe theure ſchaͤtze vortragen/ in deſto hoͤherem werth halten werde. Dieſer glaube iſt nachmal allein/ gleichwie dasjenige/ darmit ſie ſtets vor dem thron und gericht GOttes/ wo unſere heiligkeit niemal zulaͤnglich waͤre/ er- ſcheinenkan/ alſo auch dasjenige/ daraus ſie krafft empfangen wird/ mehr und mehr der welt/ und ihr ſelbs/ der ehre/ reichthum/ luſt/ und was irrdiſch iſt/ ab- zuſterben/ und dem HErrn allein zu leben/ nicht nach dem fleiſch/ ſondern nach dem Geiſt. Wie denn der treueſte Heyland/ der uns ſo theuer zu ſeinem ei- genthum erkauffet hat/ nichts anders zur danckbarkeit von uns erfordert/ als daß wir ihm unſer leib und ſeel hinwiederum zu einem heiligen und lebendigen opffer dargeben/ taͤglich ablegen den alten menſchen/ der durch luͤſte in irrthum ſich verfuͤhret/ uns erneuren im geiſt unſers gemuͤths/ auch den neuen men- ſchen anzuziehen/ der nach GOTT geſchaffen iſt/ in rechtſchaffener gerechtig- keit und heiligkeit/ um alſo zu wachſen zu einer goͤttlichen groͤſſe. Nun was ich hoffe/ das wuͤnſche ich auch/ daß der GOTT des friedens ſie heilige durch und durch/ und ihr geiſt gantz ſamt ſeel und leib muͤſſe behalten werden un- ſtraͤfflich auf die zukunfft unſers HErrn JEſu Chriſti. Getreu iſt der ſie ruffet/ welcher wirds auch thun. Dieſes werde auch ferner zu erbitten nicht ermangeln. 1692. SECTIO XVI. Auffmunterungs-ſchreiben zu ernſtlicher fortſe- tzung des Chriſtenthums. Goͤttliche gnade/ friede und ſegen in unſerem geliebteſten HErrn und Heylande JESU! Jn demſelben vielgeliebte jungfrau und freundin. DAß dieſelbe/ ob ich wol auf das vorigenach gantzer jahre verfluß nicht geantwortet hatte/ dennoch ſich nicht hat abſchrecken laſſen/ mich ihres noch gegen mich behaltenden gedaͤchtnuͤſſes zu verſichern/ erkenne ich als ein ſonderbares zeugnuͤß ihrer chriſtlichen liebe/ und bedancke mich deſſen freundlichen: So vielmehr aber erfreuet mich ſolches/ daß ſie bezeuget/ noch fleißig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/678
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/678>, abgerufen am 22.11.2024.