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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
gut theurer gewesen ist: erachte auch leicht/ daß keine auch mannlichste reso-
lution
die empfindlichkeit des schmertzens hinwegnehmen könne; ja es wird
auch dem glauben zimlich schwehr/ auffs erste den väterlichen rath also zu
fassen/ daß wir so bald die ob zwahr liebe hand/ die uns geschlagen/ mit völli-
ger zufriedenheit küsseten. Was zwahr zu solcher gelassenheit/ in dero allein
ruhe zu finden/ nicht allein die vernunfft vorstellen kan/ sondern vornemlich
der reiche schatz des göttlichen worts an die hand gibet/ ist nicht nöthig dem-
selben vorzuhalten/ als ihm selbs gnugsam bekant: niemand aber kan dessen
krafft in das hertz eintrucken/ als der H. Geist und dessen finger. Daher hie-
mit den treusten Vater in dem himmel demüthigst anflehe/ welcher solchen
Geist des trostes nach dem maaß jetzigen leidens in seine theure seele mildig-
lichst eingiessen wolle/ in seinem liecht nicht allein sein unwider sprechliches
recht über unser und der unsrigen leben/ sondern auch seine heilige weißheit
und güte/ nach welcher er sich desselben also braucht/ daß wie es auch vor men-
schen augen das ansehen gewinnet/ in der wahrheit eines jeglichen seiner kin-
der abschied/ nach art und zeit/ immer sich also angeordnet findet/ wie es am
besten ist/ ferner die seligkeit des herrlichen wechsels/ auch freudige hoffnung
der künfftigen wiederzusammenkunfft/ dermassen einzusehen/ und in solches
göttliche einen blick zu thun/ daß damit das hertz durch eine lebendige empfin-
dung des trostes/ dessen gründe also recht eingesehen werden/ auffs kräfftig-
ste beruhigt werde: worzu alle bloß-menschliche krafft unzulänglich ist. Nach-
dem er aber als ein gütiger GOtt mit den seinigen in gnaden also verfähret/
daß er ihnen niemal nichts entzeucht/ daß er nicht hinwieder ihnen an sich
selbs oder andern auff allerley wiese hinwiederum ersetzte/ so ist auch dieses/
was von seiner güte wünsche und bitte/ daß eine so viel stärckere krafft seines
Geistes den abgang der von ihr in dem geistlichen genossenen auffmunterung
und erbaulichen begehung ersetze/ die leibes-gesundheit desto mehr stärcke/ als
sonsten vieles in treuer pflege abgegangen ist; zu denen dieses lebens sorgen/
daran vorhin zwey leichter getragen/ gedoppelte kräfften/ um nicht unterzu-
ligen/ zugeben; zu der werthesten jugend ihm gefälliger aufferziehung selbs
mit beyzutreten/ und denselbigen alles dasjenige selbsten zu seyn/ was er biß-
her denselben in einer treuen mutter gewesen; und also in der that zu zeigen/
ob er ein und zwahr edles geschenck seiner gnade zu sich wieder genommen/
daß er dennoch seine gnade in nichts gemindert habe/ vielmehr denjenigen se-
gen/ mit welchem sie noch vor ihrem ende die ihrige beschencket haben wird/ in
allen stücken und unaussetzlich so lange an samt und sonders erfüllen/ und sie
nach ihrem wunsch führen wolle/ biß die jetzo getrennete in einer herrlichkeit
sich wieder umfassen und alsdann ewig vereinigt bleiben. Er lasse auch ihr ge-
dächtnüß wie in dem preiß ihrer tugenden und gottseligkeit/ also auch in ein-
truckung gleiches ihres bildes in die seelen der geliebtesten kinder/ an denselben

stäts

Das fuͤnffte Capitel.
gut theurer geweſen iſt: erachte auch leicht/ daß keine auch mannlichſte reſo-
lution
die empfindlichkeit des ſchmertzens hinwegnehmen koͤnne; ja es wird
auch dem glauben zimlich ſchwehr/ auffs erſte den vaͤterlichen rath alſo zu
faſſen/ daß wir ſo bald die ob zwahr liebe hand/ die uns geſchlagen/ mit voͤlli-
ger zufriedenheit kuͤſſeten. Was zwahr zu ſolcher gelaſſenheit/ in dero allein
ruhe zu finden/ nicht allein die vernunfft vorſtellen kan/ ſondern vornemlich
der reiche ſchatz des goͤttlichen worts an die hand gibet/ iſt nicht noͤthig dem-
ſelben vorzuhalten/ als ihm ſelbs gnugſam bekant: niemand aber kan deſſen
krafft in das hertz eintrucken/ als der H. Geiſt und deſſen finger. Daher hie-
mit den treuſten Vater in dem himmel demuͤthigſt anflehe/ welcher ſolchen
Geiſt des troſtes nach dem maaß jetzigen leidens in ſeine theure ſeele mildig-
lichſt eingieſſen wolle/ in ſeinem liecht nicht allein ſein unwider ſprechliches
recht uͤber unſer und der unſrigen leben/ ſondern auch ſeine heilige weißheit
und guͤte/ nach welcher er ſich deſſelben alſo braucht/ daß wie es auch vor men-
ſchen augen das anſehen gewinnet/ in der wahrheit eines jeglichen ſeiner kin-
der abſchied/ nach art und zeit/ immer ſich alſo angeordnet findet/ wie es am
beſten iſt/ ferner die ſeligkeit des herrlichen wechſels/ auch freudige hoffnung
der kuͤnfftigen wiederzuſammenkunfft/ dermaſſen einzuſehen/ und in ſolches
goͤttliche einen blick zu thun/ daß damit das hertz durch eine lebendige empfin-
dung des troſtes/ deſſen gruͤnde alſo recht eingeſehen werden/ auffs kraͤfftig-
ſte beruhigt werde: worzu alle bloß-menſchliche krafft unzulaͤnglich iſt. Nach-
dem er aber als ein guͤtiger GOtt mit den ſeinigen in gnaden alſo verfaͤhret/
daß er ihnen niemal nichts entzeucht/ daß er nicht hinwieder ihnen an ſich
ſelbs oder andern auff allerley wieſe hinwiederum erſetzte/ ſo iſt auch dieſes/
was von ſeiner guͤte wuͤnſche und bitte/ daß eine ſo viel ſtaͤrckere krafft ſeines
Geiſtes den abgang der von ihr in dem geiſtlichen genoſſenen auffmunterung
und erbaulichen begehung erſetze/ die leibes-geſundheit deſto mehr ſtaͤrcke/ als
ſonſten vieles in treuer pflege abgegangen iſt; zu denen dieſes lebens ſorgen/
daran vorhin zwey leichter getragen/ gedoppelte kraͤfften/ um nicht unterzu-
ligen/ zugeben; zu der wertheſten jugend ihm gefaͤlliger aufferziehung ſelbs
mit beyzutreten/ und denſelbigen alles dasjenige ſelbſten zu ſeyn/ was er biß-
her denſelben in einer treuen mutter geweſen; und alſo in der that zu zeigen/
ob er ein und zwahr edles geſchenck ſeiner gnade zu ſich wieder genommen/
daß er dennoch ſeine gnade in nichts gemindert habe/ vielmehr denjenigen ſe-
gen/ mit welchem ſie noch vor ihrem ende die ihrige beſchencket haben wird/ in
allen ſtuͤcken und unausſetzlich ſo lange an ſamt und ſonders erfuͤllen/ und ſie
nach ihrem wunſch fuͤhren wolle/ biß die jetzo getrennete in einer herrlichkeit
ſich wieder umfaſſen und alsdann ewig vereinigt bleiben. Er laſſe auch ihr ge-
daͤchtnuͤß wie in dem preiß ihrer tugenden und gottſeligkeit/ alſo auch in ein-
truckung gleiches ihres bildes in die ſeelen der geliebteſtẽ kinder/ an denſelben

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[890/0898] Das fuͤnffte Capitel. gut theurer geweſen iſt: erachte auch leicht/ daß keine auch mannlichſte reſo- lution die empfindlichkeit des ſchmertzens hinwegnehmen koͤnne; ja es wird auch dem glauben zimlich ſchwehr/ auffs erſte den vaͤterlichen rath alſo zu faſſen/ daß wir ſo bald die ob zwahr liebe hand/ die uns geſchlagen/ mit voͤlli- ger zufriedenheit kuͤſſeten. Was zwahr zu ſolcher gelaſſenheit/ in dero allein ruhe zu finden/ nicht allein die vernunfft vorſtellen kan/ ſondern vornemlich der reiche ſchatz des goͤttlichen worts an die hand gibet/ iſt nicht noͤthig dem- ſelben vorzuhalten/ als ihm ſelbs gnugſam bekant: niemand aber kan deſſen krafft in das hertz eintrucken/ als der H. Geiſt und deſſen finger. Daher hie- mit den treuſten Vater in dem himmel demuͤthigſt anflehe/ welcher ſolchen Geiſt des troſtes nach dem maaß jetzigen leidens in ſeine theure ſeele mildig- lichſt eingieſſen wolle/ in ſeinem liecht nicht allein ſein unwider ſprechliches recht uͤber unſer und der unſrigen leben/ ſondern auch ſeine heilige weißheit und guͤte/ nach welcher er ſich deſſelben alſo braucht/ daß wie es auch vor men- ſchen augen das anſehen gewinnet/ in der wahrheit eines jeglichen ſeiner kin- der abſchied/ nach art und zeit/ immer ſich alſo angeordnet findet/ wie es am beſten iſt/ ferner die ſeligkeit des herrlichen wechſels/ auch freudige hoffnung der kuͤnfftigen wiederzuſammenkunfft/ dermaſſen einzuſehen/ und in ſolches goͤttliche einen blick zu thun/ daß damit das hertz durch eine lebendige empfin- dung des troſtes/ deſſen gruͤnde alſo recht eingeſehen werden/ auffs kraͤfftig- ſte beruhigt werde: worzu alle bloß-menſchliche krafft unzulaͤnglich iſt. Nach- dem er aber als ein guͤtiger GOtt mit den ſeinigen in gnaden alſo verfaͤhret/ daß er ihnen niemal nichts entzeucht/ daß er nicht hinwieder ihnen an ſich ſelbs oder andern auff allerley wieſe hinwiederum erſetzte/ ſo iſt auch dieſes/ was von ſeiner guͤte wuͤnſche und bitte/ daß eine ſo viel ſtaͤrckere krafft ſeines Geiſtes den abgang der von ihr in dem geiſtlichen genoſſenen auffmunterung und erbaulichen begehung erſetze/ die leibes-geſundheit deſto mehr ſtaͤrcke/ als ſonſten vieles in treuer pflege abgegangen iſt; zu denen dieſes lebens ſorgen/ daran vorhin zwey leichter getragen/ gedoppelte kraͤfften/ um nicht unterzu- ligen/ zugeben; zu der wertheſten jugend ihm gefaͤlliger aufferziehung ſelbs mit beyzutreten/ und denſelbigen alles dasjenige ſelbſten zu ſeyn/ was er biß- her denſelben in einer treuen mutter geweſen; und alſo in der that zu zeigen/ ob er ein und zwahr edles geſchenck ſeiner gnade zu ſich wieder genommen/ daß er dennoch ſeine gnade in nichts gemindert habe/ vielmehr denjenigen ſe- gen/ mit welchem ſie noch vor ihrem ende die ihrige beſchencket haben wird/ in allen ſtuͤcken und unausſetzlich ſo lange an ſamt und ſonders erfuͤllen/ und ſie nach ihrem wunſch fuͤhren wolle/ biß die jetzo getrennete in einer herrlichkeit ſich wieder umfaſſen und alsdann ewig vereinigt bleiben. Er laſſe auch ihr ge- daͤchtnuͤß wie in dem preiß ihrer tugenden und gottſeligkeit/ alſo auch in ein- truckung gleiches ihres bildes in die ſeelen der geliebteſtẽ kinder/ an denſelben ſtaͤts

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 890. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/898>, abgerufen am 23.11.2024.