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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
als eine wahrheit unterschreiben könne? Weil nun hievon der christliche
Theologus, so auch über die 1. frage seine gedancken eröffnet/ gleichfals etwas
geantwortet/ setze ich zu erst seine beantwortung gantz hieher/ die also lautet:
Jch liesse in diesem fall mein ernstes gebet stets seyn: O GOtt/ was ich dir/ un-
srer kirchen confession und deiner schrifft/ wie ich es indessen einfältig/ obwol
schwächlich glaube/ gemäß vortrage/ das laß dir gefallen. Jch sehe es einmal
an als deine wahrheit. Soltestu befinden/ daß ich etwas wider dich oder dein
wort betete (welches ich gleichwol zu thun nicht willens/ wie du allwissender
weitß) so möchtestu es als nicht gebetet halten. Jch will alle mein gebet deinem
uns vorgeschriebenen Vater unser conform eingerichtet wissen. Damit betete
ich in GOttes nahmen alle denen in unsern kirchen üblichen glaubens-arti-
culn gemässe gebete: Mit bedingung/ GOtt wolle meinen schwachen glauben
nicht verachten/ sondern stärcken/ ja als seine wirckung ihm ein angenehmes
opffer um Christi willen seyn lassen. So auch mit dem predigen. Jch befliesse
mich auffs einfältigste die göttliche wolthaten vorzuhalten/ und wie sie uns
zur danckbarkeit und einem heiligen leben erwecken/ zu zeigen/ damit legte ich
trost und buß in die hertzen. Käme mir etwas in dem text oder sonsten vor/ dar-
ob ich stutzte: So führte ich indessen an der kirchen meinung/ und sagte: Unsre
kirche lehret hievon so und so. Mit dem mich kümmernden zweiffel machte ich
andre nicht irre. Mit dem unterschreiben sähe ich auf das maaß der gewiß-
heit/ so starck mir es GOtt gegeben: hoffende der HErr werde mich darinnen
stärcken. Jch unterschriebe es mit solch einem hertzen/ daß ich es doch nicht ver-
werffe/ und noch begierig seye/ durch gebet/ lesen und forschen in der gewißheit
gestärcket zu werden. Dieses sind des lieben freundes christl. und gegründete
gedancken. Jch wiederhole sie theils/ theils richte sie ein nach meinem begriff.
1. Was das gebet anlangt/ so mache ich einen unterscheid unter den gebeten/
die öffentl. und mit andern geschehen/ und unter denjenigen[/] welche ichallein vor
meinem Gott thue. Was die erste art betrifft/ vergnügte ich mich damit/ was
der christl. bruder vorgeschlagen hat/ und änderte nichts in den gebeten/ ob mir
wol zweiffel gegen die wahrheit eines und andern stückes auffstiegen/ wie mirs
auch nicht frey stehet etwas zu ändern in demjenigen gebet/ was nicht mein/
sondern der gantzen kirchen/ gebet ist/ die ich um meines zweiffels willen nichts
desjenigen gleichsam berauben darf/ wovon andere eine gewißheit haben mö-
gen. Damit ich aber mein gebet nicht selbs als wider die wahrheit vor GOtt
streitend ansehen dörffe/ so hülffe ich mir in meiner seele mit demjenigen vor-
schlag der bedingung/ wo solches der wahrheit Gottes nicht gemäß seyn solte/
da ich mich noch eines andern versähe/ es nicht gebetet zu haben. Da ohne das
wer auf der cantzel das gebet verlieset/ nur auch als ein diener der gemeinde in
solchem stück angesehen werden kan/ welches amt er also verrichtet/ ob er wol
in seinem hertzen dasjenige so zu reden nicht mit betet/ woran er zweiffelt. Jn

den

Das fuͤnffte Capitel.
als eine wahrheit unterſchreiben koͤnne? Weil nun hievon der chriſtliche
Theologus, ſo auch uͤber die 1. frage ſeine gedancken eroͤffnet/ gleichfals etwas
geantwortet/ ſetze ich zu erſt ſeine beantwortung gantz hieher/ die alſo lautet:
Jch lieſſe in dieſem fall mein ernſtes gebet ſtets ſeyn: O GOtt/ was ich dir/ un-
ſrer kirchen confeſſion und deiner ſchrifft/ wie ich es indeſſen einfaͤltig/ obwol
ſchwaͤchlich glaube/ gemaͤß vortrage/ das laß dir gefallen. Jch ſehe es einmal
an als deine wahrheit. Solteſtu befinden/ daß ich etwas wider dich oder dein
wort betete (welches ich gleichwol zu thun nicht willens/ wie du allwiſſender
weitß) ſo moͤchteſtu es als nicht gebetet halten. Jch will alle mein gebet deinem
uns vorgeſchriebenen Vater unſer conform eingerichtet wiſſen. Damit betete
ich in GOttes nahmen alle denen in unſern kirchen uͤblichen glaubens-arti-
culn gemaͤſſe gebete: Mit bedingung/ GOtt wolle meinen ſchwachen glauben
nicht verachten/ ſondern ſtaͤrcken/ ja als ſeine wirckung ihm ein angenehmes
opffer um Chriſti willen ſeyn laſſen. So auch mit dem predigen. Jch beflieſſe
mich auffs einfaͤltigſte die goͤttliche wolthaten vorzuhalten/ und wie ſie uns
zur danckbarkeit und einem heiligen leben erwecken/ zu zeigen/ damit legte ich
troſt und buß in die heꝛtzen. Kaͤme mir etwas in dem text oder ſonſten vor/ dar-
ob ich ſtutzte: So fuͤhrte ich indeſſen an der kirchen meinung/ und ſagte: Unſre
kirche lehret hievon ſo und ſo. Mit dem mich kuͤmmernden zweiffel machte ich
andre nicht irre. Mit dem unterſchreiben ſaͤhe ich auf das maaß der gewiß-
heit/ ſo ſtarck mir es GOtt gegeben: hoffende der HErr werde mich darinnen
ſtaͤrcken. Jch unterſchriebe es mit ſolch einem hertzen/ daß ich es doch nicht ver-
werffe/ und noch begierig ſeye/ durch gebet/ leſen und forſchen in der gewißheit
geſtaͤrcket zu werden. Dieſes ſind des lieben freundes chriſtl. und gegruͤndete
gedancken. Jch wiederhole ſie theils/ theils richte ſie ein nach meinem begriff.
1. Was das gebet anlangt/ ſo mache ich einen unterſcheid unter den gebeten/
die oͤffentl. uñ mit andern geſchehen/ uñ unter denjenigen[/] welche ichallein vor
meinem Gott thue. Was die erſte art betrifft/ vergnuͤgte ich mich damit/ was
der chriſtl. bruder vorgeſchlagen hat/ und aͤnderte nichts in den gebeten/ ob mir
wol zweiffel gegen die wahrheit eines uñ andern ſtuͤckes auffſtiegen/ wie mirs
auch nicht frey ſtehet etwas zu aͤndern in demjenigen gebet/ was nicht mein/
ſondern der gantzen kiꝛchen/ gebet iſt/ die ich um meines zweiffels willen nichts
desjenigen gleichſam berauben darf/ wovon andere eine gewißheit haben moͤ-
gen. Damit ich aber mein gebet nicht ſelbs als wider die wahrheit vor GOtt
ſtreitend anſehen doͤrffe/ ſo huͤlffe ich mir in meiner ſeele mit demjenigen vor-
ſchlag der bedingung/ wo ſolches der wahrheit Gottes nicht gemaͤß ſeyn ſolte/
da ich mich noch eines andern verſaͤhe/ es nicht gebetet zu haben. Da ohne das
wer auf der cantzel das gebet verlieſet/ nur auch als ein diener der gemeinde in
ſolchem ſtuͤck angeſehen werden kan/ welches amt er alſo verrichtet/ ob er wol
in ſeinem hertzen dasjenige ſo zu reden nicht mit betet/ woran er zweiffelt. Jn

den
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[900/0908] Das fuͤnffte Capitel. als eine wahrheit unterſchreiben koͤnne? Weil nun hievon der chriſtliche Theologus, ſo auch uͤber die 1. frage ſeine gedancken eroͤffnet/ gleichfals etwas geantwortet/ ſetze ich zu erſt ſeine beantwortung gantz hieher/ die alſo lautet: Jch lieſſe in dieſem fall mein ernſtes gebet ſtets ſeyn: O GOtt/ was ich dir/ un- ſrer kirchen confeſſion und deiner ſchrifft/ wie ich es indeſſen einfaͤltig/ obwol ſchwaͤchlich glaube/ gemaͤß vortrage/ das laß dir gefallen. Jch ſehe es einmal an als deine wahrheit. Solteſtu befinden/ daß ich etwas wider dich oder dein wort betete (welches ich gleichwol zu thun nicht willens/ wie du allwiſſender weitß) ſo moͤchteſtu es als nicht gebetet halten. Jch will alle mein gebet deinem uns vorgeſchriebenen Vater unſer conform eingerichtet wiſſen. Damit betete ich in GOttes nahmen alle denen in unſern kirchen uͤblichen glaubens-arti- culn gemaͤſſe gebete: Mit bedingung/ GOtt wolle meinen ſchwachen glauben nicht verachten/ ſondern ſtaͤrcken/ ja als ſeine wirckung ihm ein angenehmes opffer um Chriſti willen ſeyn laſſen. So auch mit dem predigen. Jch beflieſſe mich auffs einfaͤltigſte die goͤttliche wolthaten vorzuhalten/ und wie ſie uns zur danckbarkeit und einem heiligen leben erwecken/ zu zeigen/ damit legte ich troſt und buß in die heꝛtzen. Kaͤme mir etwas in dem text oder ſonſten vor/ dar- ob ich ſtutzte: So fuͤhrte ich indeſſen an der kirchen meinung/ und ſagte: Unſre kirche lehret hievon ſo und ſo. Mit dem mich kuͤmmernden zweiffel machte ich andre nicht irre. Mit dem unterſchreiben ſaͤhe ich auf das maaß der gewiß- heit/ ſo ſtarck mir es GOtt gegeben: hoffende der HErr werde mich darinnen ſtaͤrcken. Jch unterſchriebe es mit ſolch einem hertzen/ daß ich es doch nicht ver- werffe/ und noch begierig ſeye/ durch gebet/ leſen und forſchen in der gewißheit geſtaͤrcket zu werden. Dieſes ſind des lieben freundes chriſtl. und gegruͤndete gedancken. Jch wiederhole ſie theils/ theils richte ſie ein nach meinem begriff. 1. Was das gebet anlangt/ ſo mache ich einen unterſcheid unter den gebeten/ die oͤffentl. uñ mit andern geſchehen/ uñ unter denjenigen/ welche ichallein vor meinem Gott thue. Was die erſte art betrifft/ vergnuͤgte ich mich damit/ was der chriſtl. bruder vorgeſchlagen hat/ und aͤnderte nichts in den gebeten/ ob mir wol zweiffel gegen die wahrheit eines uñ andern ſtuͤckes auffſtiegen/ wie mirs auch nicht frey ſtehet etwas zu aͤndern in demjenigen gebet/ was nicht mein/ ſondern der gantzen kiꝛchen/ gebet iſt/ die ich um meines zweiffels willen nichts desjenigen gleichſam berauben darf/ wovon andere eine gewißheit haben moͤ- gen. Damit ich aber mein gebet nicht ſelbs als wider die wahrheit vor GOtt ſtreitend anſehen doͤrffe/ ſo huͤlffe ich mir in meiner ſeele mit demjenigen vor- ſchlag der bedingung/ wo ſolches der wahrheit Gottes nicht gemaͤß ſeyn ſolte/ da ich mich noch eines andern verſaͤhe/ es nicht gebetet zu haben. Da ohne das wer auf der cantzel das gebet verlieſet/ nur auch als ein diener der gemeinde in ſolchem ſtuͤck angeſehen werden kan/ welches amt er alſo verrichtet/ ob er wol in ſeinem hertzen dasjenige ſo zu reden nicht mit betet/ woran er zweiffelt. Jn den

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 900. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/908>, abgerufen am 24.11.2024.