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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
nüß zu seinem wunderbahren liecht 1. Petr. 2/9. gnug thun/ wann alle hand-
lung göttlichen worts auff das jenige allein gezogen werden soll/ was der Pfarr-
herr auff öffentlicher cantzel vorträget? Ach wie viel anders hat hievon die erste
kirche gehalten/ und wo Christen zusammen gekommen/ zeiget/ daß das einig-
nothwendige auch ihre einige stäte sorge/ freude und vergnügen seye. Was die
verwerffende Jüdische Sabbaterey anlanget/ hat auch solche nicht nur einen
schein/ dann wo dieses keine Jüdische Sabbatherey ist/ wo ein frommer Christ
ausser dem offentlichen GOttes-dienst/ die übrigen stunden seines lieben Sonntags
zu gottseligen betrachtung/ lesung/ gebet/ gesang/ anwendet/ sondern auch die
jenige/ welche die ernstliche feyer des Sabbaths nicht eben vor geboten achten/ auffs
wenigste dergleichen allen rathen/ wie solle denn dieses etwas Judisches an sich ha-
ben/ wo es in einer versamlung von mehrern frommen Christen geschiehet? Es
bedarff aber nicht viel antwort weil die vorwürffe von keiner wichtigkeit. Jn dem
übrigen die sache selbs betreffend/ daß dergleichen christliche zusammen künfften
möchten angestellet werden/ in denen auch andere gottselige hertzen bey tractirung
göttlichen worts möchten ihre gedancken und d ubia proponiren, so in den pre-
digten nicht geschehen mag/ habe ich neulich in einer praefation öffentlich vorge-
schlagen/ und der der kirchen bestens verständigen Theologis zuweiterem nach-
dencken vorgelegt. Davon bereits auch unterschiedliche ihre bey pflichtung mich
erfreulich haben wissen lassen. Jch habe auch solche praefation, bevor sie gedruckt
worden/ meine in gantzem collegio pastorali vorgelegt/ welche sie gantz in unseren
wochentlichen conventu verlesen gehöret. Und ihren brüderlichen consensum
bezeuget. Von solcher praefation sende ich mit erster gelegenheit/ weil es durch
die post nicht geschehen kan/ ein exemplar, und werde auch Ew. Wol Ehrw über
allerhand darinnen wichtige doch einfältige vorschläge brüderliche und wolmei-
nende gedancken und erinnerungen/ darum ich freundlich bitte/ erwarten. Wei-
len auch E. Wohl Ehrw. über die art/ wie dieselbe bißher ihr exercitium ange-
stellet/ meine wenige gedancken verlangen/ so habe auch in diesem schuldiger mas-
sen folge leisten sollen/ nicht der meinung/ deroselben oder ihren geliebten freunden
in dem jenigen/ was sie bißher nutzlich befunden/ etwas vor zu schreiben/ sondern
meine einfältig gutachten auß auffrichtigen hertzen zu communiciren, und mit
der jenigen freyheit/ als sie selbs finden werden/ das jenige draus zu belieben/ so sie
nützlich erachten möchten/ hingegen in andern dingen sich nach dem jenigen zu rich-
ten/ wie sie etwa selbs bißher die sache anders ihnen dienlicher und nutzlicher befun-
den haben; zu forderst habe ich gern verstanden/ daß sie die heilige Schrifft selbs
als den brunnen/ aus welchem/ was gutes in andern büchern ist/ hat herfliessen müs-
sen/ vor die hand genommen haben. Jch habe mich länger auffgehalten in an-
dern büchern/ die ob wol erbaulich/ dennoch der heiligen Schrifft nicht gleich
zu achten seind. Daher es noch kein jahr/ das wir angefangen/ die Bibel mit ein-

an-

Das ſechſte Capitel.
nuͤß zu ſeinem wunderbahren liecht 1. Petr. 2/9. gnug thun/ wann alle hand-
lung goͤttlichen worts auff das jenige allein gezogen werden ſoll/ was der Pfarr-
herr auff oͤffentlicher cantzel vortraͤget? Ach wie viel anders hat hievon die erſte
kirche gehalten/ und wo Chriſten zuſammen gekommen/ zeiget/ daß das einig-
nothwendige auch ihre einige ſtaͤte ſorge/ freude und vergnuͤgen ſeye. Was die
verwerffende Juͤdiſche Sabbaterey anlanget/ hat auch ſolche nicht nur einen
ſchein/ dann wo dieſes keine Juͤdiſche Sabbatherey iſt/ wo ein frommer Chriſt
auſſer dem offentlichen GOttes-dienſt/ die uͤbrigen ſtunden ſeines lieben Sonntags
zu gottſeligen betrachtung/ leſung/ gebet/ geſang/ anwendet/ ſondern auch die
jenige/ welche die ernſtliche feyer des Sabbaths nicht eben vor geboten achten/ auffs
wenigſte dergleichen allen rathen/ wie ſolle denn dieſes etwas Judiſches an ſich ha-
ben/ wo es in einer verſamlung von mehrern frommen Chriſten geſchiehet? Es
bedarff aber nicht viel antwort weil die vorwuͤrffe von keiner wichtigkeit. Jn dem
uͤbrigen die ſache ſelbs betreffend/ daß dergleichen chriſtliche zuſammen kuͤnfften
moͤchten angeſtellet werden/ in denen auch andere gottſelige hertzen bey tractirung
goͤttlichen worts moͤchten ihre gedancken und d ubia proponiren, ſo in den pre-
digten nicht geſchehen mag/ habe ich neulich in einer præfation oͤffentlich vorge-
ſchlagen/ und der der kirchen beſtens verſtaͤndigen Theologis zuweiterem nach-
dencken vorgelegt. Davon bereits auch unterſchiedliche ihre bey pflichtung mich
erfreulich haben wiſſen laſſen. Jch habe auch ſolche præfation, bevor ſie gedruckt
worden/ meine in gantzem collegio paſtorali vorgelegt/ welche ſie gantz in unſeren
wochentlichen conventu verleſen gehoͤret. Und ihren bruͤderlichen conſenſum
bezeuget. Von ſolcher præfation ſende ich mit erſter gelegenheit/ weil es durch
die poſt nicht geſchehen kan/ ein exemplar, und werde auch Ew. Wol Ehrw uͤber
allerhand darinnen wichtige doch einfaͤltige vorſchlaͤge bruͤderliche und wolmei-
nende gedancken und erinnerungen/ darum ich freundlich bitte/ erwarten. Wei-
len auch E. Wohl Ehrw. uͤber die art/ wie dieſelbe bißher ihr exercitium ange-
ſtellet/ meine wenige gedancken verlangen/ ſo habe auch in dieſem ſchuldiger maſ-
ſen folge leiſten ſollen/ nicht der meinung/ deroſelben oder ihren geliebten freunden
in dem jenigen/ was ſie bißher nutzlich befunden/ etwas vor zu ſchreiben/ ſondern
meine einfaͤltig gutachten auß auffrichtigen hertzen zu communiciren, und mit
der jenigen freyheit/ als ſie ſelbs finden werden/ das jenige draus zu belieben/ ſo ſie
nuͤtzlich erachten moͤchten/ hingegen in andern dingen ſich nach dem jenigen zu rich-
ten/ wie ſie etwa ſelbs bißher die ſache anders ihnen dienlicher und nutzlicher befun-
den haben; zu forderſt habe ich gern verſtanden/ daß ſie die heilige Schrifft ſelbs
als den brunnen/ aus welchem/ was gutes in andern buͤchern iſt/ hat herflieſſen muͤſ-
ſen/ vor die hand genommen haben. Jch habe mich laͤnger auffgehalten in an-
dern buͤchern/ die ob wol erbaulich/ dennoch der heiligen Schrifft nicht gleich
zu achten ſeind. Daher es noch kein jahr/ das wir angefangen/ die Bibel mit ein-

an-
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[110/0128] Das ſechſte Capitel. nuͤß zu ſeinem wunderbahren liecht 1. Petr. 2/9. gnug thun/ wann alle hand- lung goͤttlichen worts auff das jenige allein gezogen werden ſoll/ was der Pfarr- herr auff oͤffentlicher cantzel vortraͤget? Ach wie viel anders hat hievon die erſte kirche gehalten/ und wo Chriſten zuſammen gekommen/ zeiget/ daß das einig- nothwendige auch ihre einige ſtaͤte ſorge/ freude und vergnuͤgen ſeye. Was die verwerffende Juͤdiſche Sabbaterey anlanget/ hat auch ſolche nicht nur einen ſchein/ dann wo dieſes keine Juͤdiſche Sabbatherey iſt/ wo ein frommer Chriſt auſſer dem offentlichen GOttes-dienſt/ die uͤbrigen ſtunden ſeines lieben Sonntags zu gottſeligen betrachtung/ leſung/ gebet/ geſang/ anwendet/ ſondern auch die jenige/ welche die ernſtliche feyer des Sabbaths nicht eben vor geboten achten/ auffs wenigſte dergleichen allen rathen/ wie ſolle denn dieſes etwas Judiſches an ſich ha- ben/ wo es in einer verſamlung von mehrern frommen Chriſten geſchiehet? Es bedarff aber nicht viel antwort weil die vorwuͤrffe von keiner wichtigkeit. Jn dem uͤbrigen die ſache ſelbs betreffend/ daß dergleichen chriſtliche zuſammen kuͤnfften moͤchten angeſtellet werden/ in denen auch andere gottſelige hertzen bey tractirung goͤttlichen worts moͤchten ihre gedancken und d ubia proponiren, ſo in den pre- digten nicht geſchehen mag/ habe ich neulich in einer præfation oͤffentlich vorge- ſchlagen/ und der der kirchen beſtens verſtaͤndigen Theologis zuweiterem nach- dencken vorgelegt. Davon bereits auch unterſchiedliche ihre bey pflichtung mich erfreulich haben wiſſen laſſen. Jch habe auch ſolche præfation, bevor ſie gedruckt worden/ meine in gantzem collegio paſtorali vorgelegt/ welche ſie gantz in unſeren wochentlichen conventu verleſen gehoͤret. Und ihren bruͤderlichen conſenſum bezeuget. Von ſolcher præfation ſende ich mit erſter gelegenheit/ weil es durch die poſt nicht geſchehen kan/ ein exemplar, und werde auch Ew. Wol Ehrw uͤber allerhand darinnen wichtige doch einfaͤltige vorſchlaͤge bruͤderliche und wolmei- nende gedancken und erinnerungen/ darum ich freundlich bitte/ erwarten. Wei- len auch E. Wohl Ehrw. uͤber die art/ wie dieſelbe bißher ihr exercitium ange- ſtellet/ meine wenige gedancken verlangen/ ſo habe auch in dieſem ſchuldiger maſ- ſen folge leiſten ſollen/ nicht der meinung/ deroſelben oder ihren geliebten freunden in dem jenigen/ was ſie bißher nutzlich befunden/ etwas vor zu ſchreiben/ ſondern meine einfaͤltig gutachten auß auffrichtigen hertzen zu communiciren, und mit der jenigen freyheit/ als ſie ſelbs finden werden/ das jenige draus zu belieben/ ſo ſie nuͤtzlich erachten moͤchten/ hingegen in andern dingen ſich nach dem jenigen zu rich- ten/ wie ſie etwa ſelbs bißher die ſache anders ihnen dienlicher und nutzlicher befun- den haben; zu forderſt habe ich gern verſtanden/ daß ſie die heilige Schrifft ſelbs als den brunnen/ aus welchem/ was gutes in andern buͤchern iſt/ hat herflieſſen muͤſ- ſen/ vor die hand genommen haben. Jch habe mich laͤnger auffgehalten in an- dern buͤchern/ die ob wol erbaulich/ dennoch der heiligen Schrifft nicht gleich zu achten ſeind. Daher es noch kein jahr/ das wir angefangen/ die Bibel mit ein- an-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/128>, abgerufen am 21.11.2024.